Auch Feinstaub altert

Ob fest, gelartig oder flüssig ist entscheidend

Feinstaubpartikel tragen wesentlich zur Luftverschmutzung bei. Durch Reaktionen mit anderen Luftschadstoffen verändern sich diese Partikel mit der Zeit, sie altern. Der Alterungsprozess hängt wesentlich von der Luftfeuchte ab, und damit auch die Auswirkungen von Feinstaubpartikeln auf unsere Gesundheit und unser Klima. Dies zeigen gemeinsame Versuche von Wissenschaftlern des Paul Scherrer Instituts PSI und des Max-Planck-Instituts für Chemie sowie der Universität Bielefeld in Deutschland. Die Studie ist Teil einer längeren Zusammenarbeit, bei der die einzigartige Infrastruktur des PSI genutzt wurde, denn hier können Experimente mit radioaktiv markierten atmosphärischen Schadstoffen durchgeführt werden. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe der interdisziplinären Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Science PNAS veröffentlicht.

Der Forscher Markus Ammann im Labor der Oberflächenchemie-Forschungsgruppe am PSI Bild: Scanderbeg Sauer Photography

Mit Laboruntersuchungen am PSI und Computerberechnungen untersuchten die Forscher anhand von Eiweissstoffen, wie sie in Blütenstäuben und Pollenkörnern vorkommen, inwieweit der Feuchtegehalt der Luft dazu beiträgt, dass Feinstaub durch chemische Reaktion mit Schadstoffen wie beispielsweise Ozon altert. Im trockenen Zustand liegen die Eiweiss-Feinstaubpartikel als Feststoff vor. Sie können nur an ihrer Oberfläche von Schadstoffen angegriffen werden und altern somit sehr langsam. Bei erhöhter Luftfeuchte nehmen die Proteine jedoch Wasser auf, sodass das Feinstaubpartikel zu einem Gel aufweicht. „Das feuchte Eiweiss-Gel enthält wassergefüllte Poren und Kanäle, durch die Ozon und andere reaktive Gase eindringen und somit nicht nur an der Oberfläche, sondern im gesamten Material Alterungsprozesse auslösen können“, erklärt Manabu Shiraiwa, Erstautor der Veröffentlichung. Wie heftig organische Feinstaubpartikel auf den Angriff durch Luftschadstoffe reagieren, ist auch für den Effekt, den Feinstaubpartikel auf die Gesundheit von Menschen haben können, von Bedeutung. „Luftschadstoffe stehen im Verdacht, an der starken Zunahme von Allergieerkrankungen in Industrieländern beteiligt zu sein“, erläutert Ulrich Pöschl, Leiter der Studie.

Feinstaub kann jedoch nicht nur aus Pollen oder Blütenstäuben bestehen, sondern auch aus anderen, von Pflanzen stammenden Substanzen oder aus Verbrennungsprodukten. Bisher hat man geglaubt, dass diese Bestandteile normalerweise flüssig sind. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass sie auch gelartig sein können. „Die Ergebnisse unserer Forschung zeigen sehr schön die Bedeutung des gelartigen Zustands der Feinstaubpartikel, die in der Beschreibung der Atmosphärenchemie bisher noch keine so grosse Beachtung fanden“, erläutert Markus Ammann. Das Resultat dieser Untersuchung bedeutet nämlich auch, dass diese Feinstaubpartikel langsamer altern als bisher angenommen, da die Eigenschaften der Gele zwischen denen der Festkörper und der Flüssigkeiten liegt. „Entscheidend für die Schnelligkeit der Alterung der Feinstaubbestandteile ist, wie gut es oxidierenden Gasen wie Ozon gelingt, in den Feinstaub einzudringen, und ausschlaggebend hierfür ist die Luftfeuchte. Also je höher die Luftfeuchtigkeit ist, desto schneller altert ein Feinstaubpartikel“, bringt es Markus Ammann auf den Punkt.

Die Umwandlung von Feinstaubpartikeln in ein Gel hat nicht nur Auswirkungen auf der Erde, sondern auch in der Atmosphäre. Die Bildung eines Gels beeinflusst die Art, wie ein Feinstaubteilchen weitere Stoffe aus der Luft aufnimmt und wie das Teilchen als Keim für Wolkentröpfchen oder Eiskristalle wirkt. Es beeinflusst sowohl die Zeit, während der sich Schadstoffe in der Luft aufhalten als auch die Eigenschaften von Wolken und damit das Klima.


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1400 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Markus Ammann, Labor für Radio- und Umweltchemie, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen, Schweiz
Telefon: +41 56 310 4049, E-Mail: markus.amman@psi.ch
Originalveröffentlichung
Gas uptake and chemical aging of semisolid organic aerosol particles.
Manabu Shiraiwa, Markus Ammann, Thomas Koop, and Ulrich Pöschl
Published online before print June 20, 2011
DOI: 10.1073/pnas.1103045108
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