Grossbau im Millimeterbereich

Wenn sogar die Erde zu rund ist

Es gab nur einen Versuch und der musste gelingen. Nachdem bereits zwei Tage lang Betonblöcke zu je 20 Tonnen aufgeschichtet worden waren, wurde das „Herzstück“, der Kupferkern, genau in der Mitte des Betonkolosses eingebracht. Er wird als „Beam Dump“ – Strahlstopper – dienen und in Zukunft Endpunkt der Reise der Elektronen durch die neue Grossforschungsanlage des Paul Scherrer Instituts PSI sein. Auf wenige Millimeter genau war die 5,6 Meter lange, 3,1 Meter breite und 3,77 Meter tiefe Grube ausgehoben worden. Zwei Tage später war von alledem bereits nichts mehr zu sehen. Die Grube war geschlossen und einer Betonfläche gewichen, über der sich mittlerweile bereits der Strahlkanal für den SwissFEL erstreckt. Rund 180 Tonnen Beton umschliessen nun den Kupferkern - einen Würfel mit einer Kantenlänge von gerade einmal 50 Zentimetern.

Blick auf die SwissFEL-Baustelle Richtung Norden. Im Vordergrund Ivo Widmer – als Teilprojektleiter Bau & Infrastruktur ist er seitens des PSI für die Ausführung des Gebäudebaus für den SwissFEL verantwortlich. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Der Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL wird zurzeit im Würenlinger Unterwald in unmittelbarer Nähe des Instituts gebaut. Der rund 630 Meter lange Strahlkanal wird jene Teile der Anlage beherbergen, in denen das spezielle Licht des SwissFEL entstehen wird: sehr kurze Blitze von Röntgenlicht mit den Eigenschaften von Laserlicht. Dazu werden Elektronen in einem Linearbeschleuniger auf hohe Energie gebracht. Mithilfe von mehreren Tausend Magneten, die zu sogenannten Undulatoren zusammengefasst sind, werden sie auf eine Slalombahn geschickt, die sie zur Abgabe der Röntgenlichtblitze zwingt. Dann haben die Elektronen ihre Aufgabe erfüllt und prallen auf den im Ablenkwinkel von exakt 8 Grad positionierten Kupferkern des Beam Dump.

Ausgleich der Erdkrümmung

Nicht die kleinste Unebenheit darf die Elektronen bei der Erzeugung des SwissFEL-Lichts stören. Maximal 5 Millimeter darf die Bodengenauigkeit im Strahlkanal vom Sollwert abweichen. Lokal noch höhere Anforderungen stellt bereits die Montage der Undulatoren: „Für ihre exakte Positionierung benötigen wir sogar eine Bodengenauigkeit von plus/minus 2 Millimetern“, sagt Ivo Widmer, der als einer von zwei Teilprojektleitern Bau & Infrastruktur seitens des PSI für die Ausführung des Gebäudebaus verantwortlich ist. Dabei wiegt jeder der Undulatoren rund 20 Tonnen. Würde das Luftkissentransportgerät beim Abladen der Maschinenteile auf einem auch nur leicht unebenen Boden verrutschen, könnten die Undulatoren nicht mehr in die richtige Position gebracht werden. Damit die Elektronen die benötigte Energie erreichen können, muss zudem ihre Bahn im Linearbeschleuniger absolut geradlinig verlaufen. Schon die kleinste Krümmung bedeutet einen Energieverlust, den sich der vergleichsweise kurze SwissFEL-Linearbeschleuniger nicht leisten kann. Daher muss beim Gebäudebau sogar die Erdkrümmung ausgeglichen werden. Das erfordert nicht nur modernste Vermessungstechnik, sondern auch eine laufende Überwachung. Diese erfolgt mithilfe von Referenzmesspunkten entlang des gesamten Baugeländes und einem Messnetz innerhalb des Gebäudes. „Die erreichte Rohbaugenauigkeit war über den ganzen bisherigen Bauverlauf überdurchschnittlich hoch, sodass wir keine kritischen Abweichungen feststellen konnten“, so Widmer.

Kaum gebaut und schon unsichtbar

Das Gros der Rohbauarbeiten ist bereits geschafft. Mitte August sollen sie abgeschlossen sein. Etwa 21‘000 Kubikmeter Beton werden bis dahin verbaut worden sein. Zu Sommerbeginn wird man zum ersten Mal durch den ganzen Strahlkanal laufen können. Und auch mit dem Hinterfüllen des Gebäudes wurde bereits begonnen. Der SwissFEL wird nach seiner Fertigstellung von aussen kaum sichtbar sein und soll das gewohnte Leben der Wildtiere im Wald so wenig wie möglich beeinträchtigen. „Für die Hinterfüllung und die Geländegestaltung wird das zu Beginn der Bauarbeiten ausgehobene Erdreich wieder verwendet“, sagt Gerold Janzi, der für die Projektentwicklung zuständige zweite Teilprojektleiter Bau & Infrastruktur. Er ist Mitglied einer interdisziplinären Arbeitsgruppe, die ein Konzept zur bestmöglichen Einbettung des SwissFEL in seine Umgebung erarbeitet hat. Rund 90‘000 der rund 95'000 Kubikmeter Aushub kann auf diese Weise wiederverwertet werden. Um das Erdreich nicht zu beschädigen, musste das Ausheben der Baugrube besonders schonend erfolgen. Auch die spezielle Lage der rund 5 Hektaren grossen Baustelle im Wald erfordert einen schonenden Umgang.

Start der Maschinenmontage Ende Jahr

Umgesetzt wird der Bau durch die Arbeitsgemeinschaft EquiFEL Suisse, eine Kooperation von drei Schweizer Traditionsunternehmen. Rund 70 bis 80 Personen sind täglich auf der Baustelle. Die Arbeitsgemeinschaft ist sowohl für den Gebäudebau als auch für die Bereitstellung der Grundinfrastruktur verantwortlich. „Bildlich gesprochen installiert EquiFEL Suisse sämtliche Komponenten bis zur Strahlführungsnähe“, veranschaulicht Widmer. Die „Erschliessung“, also die Installation der eigentlichen Anlage, wird etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen und startet Ende dieses Jahres. Die Bauarbeiten für den SwissFEL gehen gut voran. Aufgrund des langen Winters Anfang 2013 und des feuchten Waldbodens im Frühling verzögerten sich zu Beginn die Aushubarbeiten. Der sensible Waldboden wäre zu stark beschädigt und damit für eine spätere Wiederverwendung unbrauchbar geworden. Im vergangenen Winter spielte das Wetter jedoch perfekt mit. Die milden Temperaturen erlaubten einen zügigen Baufortschritt.

Text: Martina Gröschl

Weiterführende Informationen
Weitere Informationen zum SwissFEL-Bau (inkl. Live-Webcams auf die Baustelle): http://www.psi.ch/swissfel-bauinfo/
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