Das Molekül Dikohlenstoff (C2) kommt in allen Flammen vor, in denen ein kohlenstoffhaltiger Brennstoff verbrannt wird. C2 leuchtet sichtbar, es steckt hinter der blauen Farbe im Innern einer Kerzenflamme und es könnte auch bei der Bildung von Russ eine wichtige Rolle spielen. Nun haben Wissenschaftler des Paul Scherrer Instituts einen bisher unsichtbaren Energiezustand von C2, einen sogenannten dunklen Zustand, erstmals sichtbar gemacht. Ihr Fund interessiert nicht nur Verbrennungsforscher, er löst auch ein hundert Jahre altes Rätsel im Spektrum dieses omnipräsenten Moleküls auf.
Will man ein Molekül charakterisieren, muss man sein Spektrum analysieren. Das Spektrum eines Moleküls ist sein Fingerabdruck. Es enthält Information darüber, welche Energiezustände das Molekül überhaupt einnehmen kann. Und diese Energiezustände wiederum bestimmen weitgehend, wie sich das Molekül chemisch und physikalisch verhält.
Im Spektrum des Moleküls C2 haben PSI-Wissenschaftler nun einen seit mehr als hundert Jahren gesuchten Energiezustand gefunden. Das ist, als ob man im Fingerabdruck eines Menschen eine neue, bisher unsichtbare Linie ausgemacht hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Fund dazu beitragen wird, die Rolle von C2 in Vorgängen zu erhellen, bei denen hohe Temperaturen und Drücke herrschen.
Ein Rätsel in Flammen, Sternen und Kometen
Das Molekül C2 ist nicht nur in der Verbrennungsforschung, wo es als Marker für die Ausbreitung einer Flamme dient, von grosser Relevanz. Auch in der Astrophysik will man es besser verstehen, denn es kommt im interstellaren Staub vor, der das Licht ferner Sternen verdunkelt. C2 taucht auch im Spektrum der Sonne und anderer Sterne auf. In gewissen Sternen ist das C2-Spektrum so intensiv, dass man von Kohlenstoff-Sternen spricht. C2 wurde zudem schon um 1910 als eines der Moleküle vermutet, das einen Teil des Spektrums von Kometenschweifen prägt. Nur konnte man bisher die in diesen Spektren auftretenden Spitzen keinem bekannten Zustand des Moleküls zuordnen. Die Entdeckung des bisher nicht verifizierten Energiezustandes von C2 durch PSI-Forschende hat also auf mehreren Forschungsgebieten Aufsehen erregt.
Nachweis dank Punktlandung
Eigentlich wurde die Existenz des nun nachgewiesenen Energiezustandes von C2 schon seit einigen Jahren vermutet. Doch erst die einzigartige Präzisionsarbeit der beteiligten Forscher führte den endgültigen Beweis herbei.
Erstens galt es, C2 in einer Umgebung herzustellen, in der das sonst kurzlebige Molekül lange genug für die Messungen überleben konnte. Dazu erzeugten die PSI-Forscher einen Molekularstrahl aus lauter C2-Molekülen, indem sie eine Mischung aus Acetylen und dem Edelgas Argon einer elektrischen Entladung unterzogen. Aus der Entladung entstand das C2 als Gas, das anschliessend mit Überschallgeschwindigkeit durch einen dünnen Schlitz in eine Vakuumkammer ausgedehnt wurde. Dadurch war der C2-Strahl nun genügend verdünnt, sodass die C2-Moleküle sich nicht durch Kollisionen untereinander gegenseitig zerstören konnten.
Dann setzten die PSI-Forscher eine ausgeklügelte und äusserst präzise Lasertechnik ein, um das Spektrum von C2 zu vermessen und den neuen Energiezustand zu identifizieren. Die Details der Methode, Two-color resonant four-wave mixing genannt, sind komplex, aber in groben Zügen funktioniert es wie folgt: Man strahlt drei sich kreuzende Laserstrahlen mit jeweils sehr genau definierter Wellenlänge auf die C2-Moleküle ein, dies regt die Moleküle zu einem Übergang auf einen genau bestimmten Zustand mit höherer Energie an. Wenn sich die angeregten Moleküle wieder abregen, emittieren sie einen Laserlichtstrahl, den die Forscher messen können. Die Wellenlänge des ausgesendeten Laserstrahls verrät, wie viel Energie die Moleküle bei der Anregung aufgenommen hatten. Das wiederum gibt Aufschluss über die Energie des gesuchten Zustandes.
Die Technik ist sehr empfindlich und präzise: Ein Signal erhält man nur, wenn man mit den Lasern, deren Wellenlänge sehr genau festgelegt ist, die Moleküle auf just den gesuchten Zustand bringt – man muss die Wellenlänge der Laser in einer Art Punktlandung treffen. Bei der Detektion hat man es dafür leicht: Im Gegensatz zu anderen laserspektroskopischen Techniken wird das ausgesandte Signallicht, das es zu vermessen gilt, nicht zufällig in alle möglichen Raumrichtung ausgesandt, sondern in eine ganz bestimmte Richtung, die von der Art, wie sich die drei eingestrahlten Laser kreuzen, festgelegt wird. Das heisst: man muss nur seinen Detektor in dieser einen Richtung platzieren, um beinah das gesamte Signal in seiner ganzen Stärke aufzuzeichnen.
Ein dunkler Zustand verrät sich
Die Analyse der Messungen sowie sehr genaue Berechnungen zeigten, dass es sich beim neu gefundenen Zustand um einen sogenannten dunklen Zustand handelt. Das heisst, die Moleküle können diesen Zustand durch die Aufnahme von Energie, etwa aus einem Laser, gar nicht direkt erreichen, denn Übergänge zu diesem Zustand sind durch fundamentale Naturgesetze grundsätzlich unmöglich. Die PSI-Wissenschaftler konnten aber mit der neuartigen Methode sogenannte Durchgangszustände isolieren, die genaue Information über den dunklen Zustand lieferten. So konnte indirekt nachgewiesen werden, dass gewisse Spitzen im Spektrum auf diesen „dark state“ zurückgeführt werden können.
Die neu gefundene „Linie“ im Fingerabdruck von C2, ist sich der PSI- Wissenschaftler Peter Radi sicher, wird zur Aufklärung vieler Details in Verbrennungsvorgängen führen. C2 entsteht an der Flammenfront, also dort, wo sich das Brennstoff-Luft-Gemisch gerade zündet. Ein besseres Verständnis des C2-Spektrums erleichtert dessen Nachweis und somit auch die Abbildung der Ausbreitung einer Flamme. Zudem spielt der neu gefundene Zustand von C2 möglicherweise bei der Bildung von Russ eine wichtige Rolle. Denn den neuen Zustand können die C2-Moleküle durch Zusammenstösse erreichen, bei denen sie in grössere Kohlenstoffketten, wie sie für Russ typisch sind, eingebaut werden. Und dann wäre endlich dieses jahrhundertalte und immer wieder beobachtete Rätsel im Spektrum von C2 endgültig gelöst.
Mehr Aufklärung kann man von einem „dunklen“ Zustand wohl kaum erwarten.
Text: Paul Scherrer Institut/Leonid Leiva
Weiterführende Informationen
Labor für VerbrennungsforschungKontakt / Ansprechpartner
Dr. Peter Radi, Labor für Verbrennungsforschung, Paul Scherrer Institut,Telefon: +41 56 310 41 27, E-Mail: peter.radi@psi.ch