Auf dem Weg zu Natrium-Ionen-Batterien

Natriumdynamik auf mikroskopischem Niveau verstehen

Lithium-Ionen-Batterien sind sehr leistungsstark und liefern elektrische Energie für Laptops, Mobiltelefone und zunehmend auch für Elektroautos. Doch die Nutzung von Lithium hat Nachteile: es ist teuer und seine Gewinnung belastet die Umwelt. Eine Möglichkeit, diese Nachteile zu umgehen, wäre statt Lithium Natrium zu verwenden, das ähnliche chemische Eigenschaften hat und gleichzeitig in deutlich grösseren Mengen vorkommt. Beim Laden und Entladen einer Lithium-Ionen-Batterie bewegen sich Lithium-Ionen in die Elektroden hinein oder aus den Elektroden heraus. Um eine Natrium-Ionen-Batterie zu bauen, muss man daher verstehen, wie sich die Natrium-Ionen in den entsprechen Materialien bewegen. Forschende des Paul Scherrer Instituts haben nun erstmals die Pfade bestimmt, auf denen sich Natrium-Ionen in einem möglichen Batterie-Material bewegen. Konkret haben sie die Verbindung Na0,7CoO2 mit Neutronenstreuung an der Schweizer Neutronenquelle SINQ des PSI untersucht. Es stellte sich heraus, dass sich die Pfade mit der Temperatur verändern und diese Veränderungen direkt mit kleinen Änderungen der atomaren Struktur des Materials zusammenhängen. Mit diesem Wissen kann man nun überlegen, wie man durch geringe Änderungen der Struktur oder der Zusammensetzung neue Materialien erzeugen kann, die Eigenschaften haben, wie sie in zukünftigen Batterien gebraucht würden. Die Forschenden haben ihre Ergebnisse im Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht.

Fanni Juranyi and Jorge Gavilano, Wissenschaftler im Labor für Neutronenstreuung, arbeiten an einem Experminent an der Spallationsquelle SINQ (Foto: Frank Reiser/PSI)
Funktionsprinzip einer Lithium-Ionen-Batterie oder zukünftigen Natrium-Ionen-Batterie (links) und Struktur des Kathodenmaterials (rechts). Das Kathodenmaterial besteht aus Schichten von Kobaltoxid CoO2, zwischen denen sich Schichten aus beweglichen Lithium- bzw. Natrium-Ionen befinden – die Stellen, an denen sich die Ionen in der Schicht befinden können, bilden dabei ein Dreiecksmuster. In der Batterie fliessen die Ionen beim Entladen durch den Elektrolyt hindurch von der Kathode und Anode, während die Elektronen einen Umweg über ein elektrisches Gerät machen müssen und so dort als elektrischer Strom erscheinen, der das Gerät antreiben kann.
Die Abbildung zeigt eine Natrium Schicht des Materials Na0.7CoO2, visualisiert mit Hilfe der Technik Neutronenstreuung. Die Pfade, die die Na Ionen während des Diffusionsprozesses wählen, sind rot dargestellt. Bei tiefen Temperaturen (links) sind keine roten Areale erkennbar, was zeigt, dass die Na Ionen an ihren Positionen fixiert sind. Zwischen 15 und 130°C (Mitte) bewegen sich die Ionen ausschliesslich entlang eindimensionaler Pfade, welche den kürzeren Na-Na-Distanzen entsprechen (markiert als 's' in der Abbildung). Ueber 130°C (rechts) werden alle Na-Na-Abstände (markiert als 'm') identisch und die Na Ionen haben genügend Energie sich in der gesamten Schicht zu bewegen.

Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Probleme, vor denen unsere Gesellschaft steht, ist die Frage, wie Energie effizient umgewandelt und gespeichert werden kann. In Mobiltelefonen, Laptops und zunehmend auch in Elektroautos werden üblicherweise Lithium-Ionen-Batterien für die Energiespeicherung genutzt. Ein wachsendes Anwendungsfeld für Batterien ist die lokale Speicherung von Energie direkt an Windrädern oder Solarkraftwerken. Doch bringt der Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien auch Nachteile. Sie sind relativ teuer, und die Gewinnung von Lithium belastet die Umwelt, da Lithium auf der Erde nur in relativ geringen Mengen vorkommt (20 ppm) und chemisch sehr reaktiv ist.

Natrium als Alternative zu Lithium in Batterien

Eine Möglichkeit, diese Nachteile zu vermeiden, ist in Elektrodenmaterialien von wiederaufladbaren Batterien Lithium (Li) durch Natrium (Na) zu ersetzen. Natrium hat ähnliche chemische Eigenschaften wie Lithium, kommt aber rund 1000-mal häufiger vor – sowohl im Boden (26 000 ppm) als auch im Meerwasser als Bestandteil von gelöstem Kochsalz (NaCl) (15 000 ppm). Dadurch wären Batterien auf Natrium-Basis umweltfreundlicher, leichter zu rezyklieren und nur ein fünftel so teuer. Gleichzeitig sind aber Natrium-Ionen grösser und schwerer als Lithium-Ionen und die nominelle Betriebsspannung einer Natrium-Batterie wäre etwas niedriger. Daher erwartet man, dass Natrium-Ionen-Batterien zunächst eine niedrigere Energie-Dichte hätten als heutige Lithium-Ionen-Batterien. Das ist aber kein Nachteil für stationäre Anwendungen wie etwa an Windrädern.

In beiden Batterietypen werden die Ionen beim Laden und Entladen zwischen den beiden Elektroden hin und her geschoben – ein Elektrolyt zwischen den Elektroden fungiert dabei als Medium für den Ionentransport. Um neue Batterien entwickeln zu können, muss man das Verhalten der entsprechenden Materialien untersuchen und auf atomarer Ebene verstehen, wie sich die Ionen darin bewegen. Forschende des Paul Scherrer Instituts haben nun zusammen mit Kollegen von der ETH Zürich und japanischen Kollegen des Toyota-Forschungslabors und des CROSS-Forschungzentrums die Substanz Na0,7CoO2 untersucht, die im Aufbau den üblichen Kathodenmaterialien in Lithium-Ionen-Batterien ähnelt, aber Natrium statt Lithium enthält. Sie zeigt eine Schichtstruktur, bei der sich Schichten aus Kobaltoxid mit Schichten von Natrium-Ionen abwechseln.

Kleine Änderungen der Struktur bedeuten grosse Änderungen in der Dynamik

Die meisten Untersuchungen der Strom-Leitung durch Ionen liefern nur ungefähre Informationen darüber, wie schnell sich die Ionen bewegen. Dagegen zeigt das Verfahren der Neutronenstreuung, das die Forschenden am PSI eingesetzt haben, die Bewegungspfade der Ionen im Detail auf der Ebene einzelner Atome. Die Experimente zeigten, dass die Bewegung der Ionen deutlich von der Temperatur abhängt. Bei Temperaturen unter 15°C, können sich die Natrium-Ionen kaum bewegen, zwischen 15°C und 130°C, bewegen sie sich nur in einer Dimension entlang festgelegter Pfade, während sie sich bei noch hören Temperaturen frei in der ganzen Natrium-Ebene bewegen können, erklärt Marisa Medarde, Materialforscherin am PSI und Erstautorin der Veröffentlichung. Die Veränderungen in der Dynamik hängen mit einer leichten Verzerrung der Struktur des Materials zusammen: bei Temperaturen oberhalb von 130°C sind die bevorzugten Positionen der Natrium-Ionen in einem Dreiecksmuster angeordnet. Dabei sind die Seiten der Dreiecke alle gleich lang sind, so dass die Energie, die das Ion braucht, um von einer Ecke zur nächsten zu hüpfen immer gleich ist – unabhängig von der Richtung, in die es sich bewegt. Sobald die Temperatur unter 130°C fällt, reicht die thermische Energie der Ionen nicht mehr für diese Bewegung. Wunderbarerweise kommt es aber gleichzeitig zu einer winzigen Veränderung in der Anordnung der bevorzugten Natrium-Positionen, bei der eine der Dreiecksseiten kürzer wird. Zwischen den Punkten zu hüpfen, die durch den kürzeren Abstand getrennt sind, kostet weniger Energie, so dass diese Verkürzung eine Bewegung der Natrium-Ionen bei unerwartet niedrigen Temperaturen möglich macht.

Bewegung der Ionen in Batteriematerialien kontrollieren

Mit diesen Ergebnissen können wir ganz neu verstehen, wie komplex die Dynamik in diesen Verbindungen ist und wie klein die Effekte zum Teil sind, die man braucht, um die optimalen Bedingungen für die Ionenbewegung zu schaffen, erklärt Martin Månsson, Batterie- und Materialwissenschaftler am PSI. Mit diesem Verständnis können wir bestimmen, wie man den Ionentransport in Batteriematerialien optimieren und kontrollieren kann. Das kann beispielsweise bedeuten, dass man in heutigen Materialien ein chemisches Element durch ein anderes ersetzt, das Material äusserem Druck aussetzt oder sogar völlig neue Verbindungen entwickelt, indem man gezielt deren atomare Struktur entwirft.

Materialien mit Neutronen untersuchen

In ihren Untersuchungen haben die Forschenden die Schweizer Neutronenquelle SINQ am PSI genutzt. In dem Experiment, wird ein Strahl von Neutronen durch eine Probe des untersuchten Materials geschickt. Einige dieser Neutronen wechselwirken dabei mit der Probe und ändern dabei ihre Flugrichtung – Fachleute sagen, sie werden gestreut. Die Zahl der Neutronen, die in verschiedene Richtungen abgelenkt werden, enthält die Information über den inneren Aufbau des Materials. Für bestimmte Richtungen gibt es dabei deutliche Maxima (Peaks) in der Zahl der abgelenkten Neutronen, die eine regelmässige Anordnung der Atome und Ionen im Material widerspiegeln. In dem hier untersuchten Fall, spaltet sich bei einer Temperatur unter 130°C einer dieser Peaks deutlich in zwei auf. Das bedeutet, dass die Abstände zwischen den bevorzugten Natrium-Positionen nicht mehr alle gleich sind, sondern einem leicht verzerrten Dreiecksmuster entsprechen. Solche leichten Verzerrungen scheinen der Schlüssel für den gezielten Ionentransport in den Materialien zu sein, betont Månsson.

Text: Paul Piwnicki


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Marisa Medarde, Labor für Entwicklung und Methoden LDM,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz;
Telefon: +41 56 310 3283; E-Mail: marisa.medarde@psi.ch

Dr. Martin Månsson, Labor für Neutronenstreuung LNS, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI und
Laboratory for Quantum Magnetism (LQM), École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL), 1015 Lausanne, Schweiz;
Telefon: +41 56 310 5534; E-mail: martin.mansson@psi.ch
Originalveröffentlichung
1D to 2D Na+ Ion Diffusion Inherently Linked to Structural Transitions in Na0.7CoO2
M. Medarde, M. Mena, J. L. Gavilano, E. Pomjakushina, J. Sugiyama, K. Kamazawa, V. Yu. Pomjakushin, D. Sheptyakov, B. Batlogg, H. R. Ott, M. Månsson, and F. Juranyi
Phys. Rev. Lett. 110, 266401 (2013),
DOI: 10.1103/PhysRevLett.110.266401