Von aussen sehen wir erfolgreiche Wissenschaftler – aber was steckt dahinter?

Bist du manchmal frustriert, weil du in den sozialen Medien all die Erfolge deiner Kontakte siehst? Von neuen Anstellungen, über eingeworbene Forschungsgelder zu gewonnenen Preisen – fühlst du dich dann klein und unfähig, weil alle anderen so viel Erfolg haben? Stimmt es, dass andere unglaublich erfolgreich sind, während du dich abmühst, oder was steckt dahinter?

Ich habe auch zu diesen erfolgreichen Wissenschaftlern gehört –meine Masterarbeit gewann mehrere Preise, Konferenzbeiträge wurden ausgezeichnet, ich wurde eingeladen, an Konferenzen Vorträge zu halten oder Reviews zu schreiben, und hatte mit 32 einen Prof.Titel. Offiziell liest sich die Geschichte meiner 12 Jahre als Wissenschaftlerin etwa so: 37 begutachtete Publikationen in internationalen Wissenschaftszeitschriften, davon 2 eingeladene Reviews und 24 als Erstautorin, zusätzlich 6 Publikationen im Magazin meiner Fachrichtung, 81 Konferenzbeiträge, 6 davon eingeladen, und 39 als Erstautorin, 2 nationale Konferenzen organisiert, und über 20 Sessionen und Workshops an grossen internationalen Konferenzen (mit)geleitet, 2.5 M CHF Forschungsmittel eingeworben, und ~10 Projektanträge im Auftrag nationaler Forschungsfonds evaluiert. Dies alles, neben dem Unterrichten, der Betreuung von Studierenden, und während ich nebenbei zwei Nachdiplomstudiengänge erfolgreich abgeschlossen habe. Ohne damit angeben zu wollen, ist dies durchaus eine Leistung in meinem Forschungsgebiet, und ich wurde von Top-Universitäten weltweit angefragt, mich bei ihnen zu bewerben.

Und jetzt kommt der wichtige Teil der Geschichte, der Teil den man in meinem Lebenslauf oder auf sozialen Medien nicht sieht: Hinter diesem vordergründigen Erfolg verstecken sich harte Arbeit (ja, auch unkompensierte Überstunden) und unzählige Herausforderungen, viel Ablehnung, und Projekte die nicht funktioniert haben. Acht meiner Publikationen waren (oder sind) länger als ein Jahr im Review, nur um schlussendlich mehr oder weniger in der eingereichten Form publiziert zu werden. Drei wurden mit der Begründung abgelehnt, das Thema würde nicht zur Zeitschrift passen, obwohl es sich auf Unstimmigkeiten in in derselben Zeitschrift publizierten Studien bezog. Oder die Studie wurde als nicht innovativ genug abgelehnt, und einige Monate später publizierten andere Gruppen ähnliche Ergebnisse in der gleichen Zeitschrift. Ich hätte auf viel mehr Studien Koautorin sein sollen, aber mein Beitrag wurde zum Zeitpunkt des Einreichens nicht mehr als wichtig genug angesehen, das Ziel der Zusammenarbeitspartner und der Fokus der Studie hatten geändert, sodass meine Daten nicht mehr relevant waren, oder das Manuskript wurde einfach nie geschrieben. Viele meiner Präsentationen an Konferenzen waren um 17h am letzten Konferenztag geplant, und die paar wenigen, die überhaupt noch da waren, hatten mehr Interesse an Bier als an Forschungsergebnissen. Auch wenn ich mehr Forschungsgeld sichern konnte als die meisten Kollegen, war es immer noch nur ein kleiner Teil der beantragten Summe. Und es war ein schwerer Schlag, als sich jemand an meiner Universität mit einem Projekt bewarb, das frappante Ähnlichkeit aufwies zu meinem Projektantrag, der ein paar Monate vorher als ‘nicht machbar’ und ‘nicht originell genug’ abgelehnt worden war. Ich habe monatelang im Labor mit den immer gleichen Messungen verbracht, und mich dabei gefragt, wieso ich DAFÜR so viele Jahre studiert hatte, oder ich habe meine Zeit darauf verwendet, Instrumente zu flicken oder herauszufinden wieso sie unsinnige Daten produzieren, Modelle nach einem PC-Absturz neu zu berechnen, oder auf Feedback von Supervisor*innen, Koautor*innen oder Reviewer*innen zu warten. Weil ich schlecht war im Nein sagen, habe ich viele Extrajobs zusätzlich zu meinen eigentlichen Aufgaben bekommen, z.B. unterrichten, oder weniger effiziente Studierende in der Gruppe unterstützen. Und um alles noch schlimmer zu machen, wurde ich von der Gruppenleitung dafür kritisiert, Studierende zu ‘stehlen’. Die wichtigste Lektion, die ich in der Wissenschaft gelernt habe, war wieder aufzustehen und weiterzugehen, unabhängig davon, wie oft ich umgefallen oder von jemandem überrannt worden war, der/die dachte, ich sei im Weg. Was ihr von aussen als Erfolg seht, ist das Resultat davon, dass ich einmal mehr aufgestanden als hingefallen bin. Vom Fallen und überrannt werden werdet ihr aber nichts merken, ausser ihr fragt, oder kennt mich wirklich gut.

Deshalb, wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, es sei nicht fair, dass alle anderen Erfolg haben während du am Kämpfen bist oder ein Problem nach dem anderen lösen musst, denk daran, dass der Unterschied nicht zwischen dir und den anderen liegt, sondern dem was man von Innen oder Aussen sieht. Wenn du deine erfolgreichen Kolleg*innen danach fragst, werden sie ähnliche Geschichten über Herausforderungen und Frustrationen erzählen.