‘Nur wer als Akademiker nicht erfolgreich ist geht in die Industrie’, oder ‘wenn ich in die Industrie wechsle, werde ich zwar viel verdienen, but jemand sagt mir was ich zu tun habe, und ich kann mich nicht mehr weiterentwickeln’ auf der einen, und ‘diese Wissenschaftler leben in ihrem Elfenbeinturm, können wir uns überhaupt mit ihnen unterhalten?’ auf der anderen Seite – dies sind einige der Mythen und Vorurteile, die uns die Stellensuche erschweren können. Wie können wir damit umgehen?
Mit dem Ausarbeiten einer Karrierestrategie oder dem Bewerbungsprozess sind viele Vorurteile verbunden – deine eigenen, diejenigen der (wissenschaftlichen) Gemeinschaft, und solche von potentiellen Arbeitgebenden. Wenn du auf eine akademische Karriere setzst, bekommst du vielleicht zu hören, du lebstest in einem Elfenbeinturm, oder wirst gefragt, wieso du nicht etwas Brauchbares machst (ja, diese Frage wurde mir oft gestellt). Wenn du eine nicht-akademische Stelle suchst, kannst du mit der Frage konfrontiert werden, wieso du aufgibst, oder deine Kollegen erklären dich für verrückt (ja, auch das ist mir passiert). Tatsache ist gemäss eines Berichts der Royal Society, dass mehr als 50 % der Nachwuchsforschenden die akademische Laufbahn nach dem Doktorat verlassen, und weitere ~45 % diesen Schritt später in ihrer Karriere macht, während >1 % Professor/-innen werden. Das heisst, ein Wechsel von der akademischen Welt in die Industrie oder öffentliche Verwaltung ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Dennoch kommt es uns so vor als würden alle (oder zumindest die Erfolgreichen) einer akademischen Laufbahn folgen. Wieso? Weil das die Leute sind, die wir an Konferenzen treffen, deren Manuskripte lesen, oder mit ihnen zusammenarbeiten, während wir diejenigen, die andere Wege eingeschlagen haben, aus den Augen verlieren. Vielleicht publizieren sie nicht mehr, weil Leistung ausserhalb der akademischen Welt anders gemessen und kommuniziert wird.
Nicht nur Leistung und Erfolg wird in akademischen und nicht-akademischen Umfeldern unterschiedlich gemessn, auch die tägliche Arbeit wird in einer anderen Sprache beschrieben. Hinter vielen Aufgaben, die Forschende nebenbei erledigen und als selbstverständlich erachten, stecken nützliche Kompetenzen, die auch in der nicht-akademischen Welt gebraucht werden. Wenn du beispielsweise deine Forschungsergebnisse an einer Konferenz präsentierst, brauchst du dazu unter anderem diese Kompetenzen: Entwicklung und Planung von Experimenten, systematische Datenerhebung und –bearbeitung unter Berücksichtigung von Qualitäts- und Zuverlässigkeitskriterien, Darstellung und Beschreibung der Resultate, Einhalten von Deadlines, Einteilen der Projekt- oder Reisemittel, und den Mut vor einem Expertenpublikum aufzutreten und in einer fremden Sprache zu präsentieren. Deine Aufgaben und Verantwortlichkeiten in einem künftigen Job könnten sehr ähnlich zu dem sein, was du bereits machst, aber anders beschrieben. So werden wenig Firmen nach Erfahrung mit Konferenzbeiträgen fragen, sondern sie suchen nach Kommunikations- und Projektmanagement-Kompetenzen. Deshalb ist es hilfreich, ihre Sprache zu übernehmen.
Eigene Vorurteile kannst du als wissenschaftliche Hypothesen behandeln, und Daten sammeln, um sie zu testen. Diese Daten können Firmenausschreibungen und –berichte sein, oder Gespräche mit Personen, die bei einer bestimmten Firma oder in einer bestimmten Funktion arbeiten.
Zum Schluss, wie gehst du mit Vorurteilen von möglichen Arbeitgebenden gegenüber Forschenden um? Zuerst gilt es herauszufinden, ob es ein Vorurteil auf ihrer Seite ist, oder eher eine Sorge, dass sie eines haben könnten. Falls sie ein Vorurteil haben, kannst du dir überlegen, ob ihr offen darüber sprechen könnt, oder du bereit bist, damit zu leben. Was ich dir versichern kann, ist das in keinem Gespräch mit Firmen irgendetwas Negatives über Forschende gesagt wurde (zugegeben, Firmen mit negativem Bild von Forschenden würden auch nicht mit dem PSI Career Center zusammenarbeiten). Im Gegenteil, sie sind sehr daran interessiert, mit motivierten und ehrgeizigen Nachwuchsforschenden in Kontakt zu kommen, und auch gern bereit, geeignete Mitarbeitende beim Erwerb neuer Kompetenzen zu unterstützen. Ähnlich wie uns Forschenden fällt es ihnen aber manchmal schwer, ein Gespräch anzufangen und eine gemeinsame Sprache zu finden, oder sie fragen sich, ob sie attraktiv genug sind als Arbeitgebende. Deshalb, lass dich von Mythen und Vorurteilen nicht davon abhalten, deinen Weg zu gehen. Es ist deine Karriere und deine Entscheidung. Mach einfach den ersten Schritt, und lass dich überraschen, wohin der Weg dich führt.