‘Was kann ich?’ vs ‘Was will ich?’

Für welche Jobs kann ich mich mit meinem Hintergrund in X bewerben, oder welche Firmen suchen nach Personen mit diesem Hintergrund?’ ist eine Frage, die immer mal wieder auftaucht in der Karriereberatung. Einen passenden Job zu finden, ist logischerweise eine grosse Entscheidung. Was diese noch schwieriger macht, ist der Umstand, dass viele Kompetenzen, die in Stelleninseraten als Voraussetzungen genannt sind, in der akademischen Welt als selbstverständlich angesehen werden. 

Machen wir uns nichts vor, eine passende Stelle zu finden IST schwierig, insbesondere wenn diese Entscheidung allenfalls ein neues Land, eine neue Sprache und ein neues soziales Umfeld beinhaltet. Das Annehmen (oder Ablehnen) einer Stelle an der Top-Universität in deinem Forschungsgebiet, die sich ausgerechnet auf der anderen Seite des Ozeans befindet, hat einen grossen Einfluss auf dein Leben. Dasselbe gilt für das Annehmen (oder Ablehnen) einer Stelle ausserhalb der akademischen Welt: es ist eine neue Kultur, eine neue Art von Aufgaben, und eine andere Weise der Zusammenarbeit, was auch wieder einen wichtigen Einfluss auf dein Leben hat. Egal für welche Option, du entscheidest ohne so recht zu wissen, worauf du dich einlässt. 

Bevor es soweit ist und du ein Angebot annehmen oder ablehnen kannst, geht es darum zu definieren, wo du dich überhaupt bewirbst. Eine (sehr wissenschaftliche) Herangehensweise dafür könnte sein, erstmal eine Übersicht über deine Kompetenzen zu machen, z.B. anhand eines Kompetenzmodells oder einer anderen Methode aus unseren online Ressourcen. Dann kannst du diese Kompetenzen mit den Voraussetzungen aus dem Stelleninserat vergleichen, Qualitäts-/Übereinstimmungskriterien definieren, diese vielleicht  sogar gewichten, und dich dann auf Stellen bewerben, wo die Übereinstimmung zwischen Anforderungen und Kompetenzen hoch genug ist. Garantiert dieses Vorgehen ein zufriedenes Arbeitsleben?

Lass uns mal darüber nachdenken: In Anbetracht der vielen Zeit, die wir bei der Arbeit verbringen - ~8.5 Stunden pro Tag oder etwa die Hälfte der Zeit, in der wir wach sind – würdest du diese Stunden lieber mit dem verbringen was du gern tust, oder dem was du gut kannst? Im Idealfall wird es eine Kombination davon sein, und das in einem grossartigen Team und in einem Unternehmen, das deine Werte teilt. Es gibt verschiedene Gründe, wieso wir etwas gut können; Interessen, natürliches Talent, oder viel Übung. Letzteres mag von unserem Umfeld beeinflusst worden sein: als Schweizer Kind habe ich z.B. viel Zeit mit Skifahren verbracht und wurde gut darin. Das heisst aber nicht, dass ich als professionelle Skifahrerin oder Skilehrerin mein berufliches Glück finde (und stell dir das Chaos vor, wenn alle Schweizer diesen Berufen nachgehen wollten). Wäre ich nämlich am Strand aufgewachsen, könnte ich jetzt viel besser schwimmen als Ski fahren. Trotzdem wäre ich vielleicht nicht glücklich mit einem Schwimm-Job. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit von Zufriedenheit am Arbeitsplatz hoch, wenn wir eigenen Interessen nachgehen und uns Stellen und Aufgaben suchen, die so richtig Spass machen. Deshalb ist meine Empfehlung an alle die sich fragen ‘Was kann ich?’, diese Frage zu ersetzen mit ‘Was würde ich gern tun?’. Dies auch deshalb, weil Nachwuchsforschende jahrelang ihre Fähigkeit, neue Dinge zu lernen, trainiert haben, und darin nicht nur schnell, sondern auch unabhängig sind.

Welche Aufgaben der aktuellen Stelle gefallen dir besonders? Gibt es andere Aktivitäten wie Hobbies oder freiwilliges Engagement, die weitere deiner Interessen zeigen? Oder gibt es eine neue Richtung, die du gern ausprobieren möchtest? Wieso also nicht die Möglichkeit beim Schopf packen, und eine Stelle suchen, wo du genau diese Interessen ausleben und deine Neugier stillen kannst? Fehlende Kompetenzen kannst du in Kursen oder Nachdiplomstudien erwerben. Wenn die neue Stelle oder das Aufgabenfeld dich interessiert, wirst du dabei sogar Spass haben. 

Wähle deine nächste Stelle passend zu deinen Zielen und Interessen, und nicht unbedingt danach, was du in der Vergangenheit gemacht hast (ausser es hat dir so richtig Spass gemacht). Du wirst immer noch nicht wissen, worauf du dich einlässt, aber wenigstens kannst du dich dieser Unsicherheit stellen, während du Freude hast an dem, was du tust.