Kooperation für perfekte Beschleunigung

Mehr als 10'000 Einzelteile – alle auf den Tausendstelmillimeter exakt – sollen bei der Zusammenarbeit zwischen dem Paul Scherrer Institut PSI und Oerlikon Mechatronics AG, Trübbach gebaut werden und am Ende für perfekte Beschleunigung im SwissFEL, dem geplanten Röntgenlaser des PSI sorgen.

Ab 2016 wird der SwissFEL extrem kurze Pulse von Röntgenlicht in Laserqualität erzeugen und damit völlig neuartige Einblicke in Vorgänge und Strukturen der Materie ermöglichen. Das Röntgenlicht wird von Elektronen ausgesandt, die zunächst auf extrem hohe Bewegungsenergien beschleunigt werden müssen. Für den dazu nötigen Linearbeschleuniger wird Oerlikon Mechatronics die sogenannten Kupfertassen herstellen (komplex geformte und hochpräzise Scheiben) und diese zu Hohlräumen (Kavitäten) zusammenfügen, in denen sich die nötigen beschleunigenden Kräfte erzeugen lassen.

Der Bau der Beschleunigerkomponenten ist eine grosse Herausforderung. Die PSI-Forscher nutzen für den Beschleuniger eine Technologie, die ihn kompakter und energiesparender macht als vergleichbare Anlagen. Das bedingt aber, dass die Komponenten von vorneherein mit der nötigen Präzision hergestellt werden, da es keinen Raum für nachträgliche Korrekturen geben wird. Das Herstellungsverfahren wurde am PSI entwickelt und wird nun bei Oerlikon Mechatronics in Trübbach im Kanton St. Gallen für die Serienherstellung implementiert. Dies wurde in einem Rahmenvertrag festgehalten, den Christoph Bischof (CEO, Oerlikon Mechatronics), Christian Stöber (CFO, Oerlikon Mechatronics), Joël Mesot (Direktor PSI) und Hans-Heinrich Braun (Projektleiter SwissFEL) heute am PSI unterzeichnet haben. Die Produktion soll von Mitte 2013 bis Anfang 2016 stattfinden. Die vorbereitenden Arbeiten wurden durch die Massnahmen des Bundes zur Abfederung der Frankenstärke gefördert, so dass das gesamte Projekt früher in Angriff genommen werden kann.

Unterzeichnung des Rahmenvertrags zwischen Oerlikon Mechatronics AG und dem Paul Scherrer Institut. Von links nach rechts: Christian Stöber (CFO, Oerlikon Mechatronics), Christoph Bischof (CEO, Oerlikon Mechatronics), Joël Mesot (Direktor PSI) und Hans-Heinrich Braun (Projektleiter SwissFEL). Foto: Paul Scherrer Institut/M. Fischer
Prototyp einer Kupfertasse für den Linearbeschleuniger des SwissFEL. Durchmesser der Tasse ca. 11 Zentimeter. Foto: Scanderbeg Sauer Photography
Schnitt durch einen Teil einer Beschleunigungskavität. Man sieht, wie sich die Kupfertassen zu der Kavität zusammenfügen.
Eines der 104 Beschleunigungsmodule für den Linearbeschleuniger des SwissFEL. Die eigentliche Kavität ist als hellblaues Rohr dargestellt, das aus 113 Kupfertassen besteht. Eine einzelne Kupfertasse ist markiert. Die Länge der Kavität beträgt ca. 2 Meter.
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Der Röntgenlaser SwissFEL wird bislang unerreichbare Einblicke in unterschiedlichste Strukturen und Vorgänge ermöglichen: hier wird man „filmen“ können, wie sich in einer chemischen Reaktion die kleinsten Bausteine einer Substanz voneinander trennen und zu einer neuen Substanz zusammenfinden. Ein genaues Verständnis dieser Abläufe wird helfen, Verfahren in der chemischen Industrie effizienter und damit kostengünstiger oder ressourcenschonender ablaufen zu lassen. Auch wird man bestimmen können wie lebenswichtige biologische Moleküle im Detail aufgebaut sind und so die Grundlagen für ein Verständnis von zentralen Lebensvorgängen schaffen. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für neue Medikamente liefern.

11'752 perfekte Kupfertassen machen das SwissFEL-Röntgenlicht möglich

Das Röntgenlicht wird im SwissFEL von Elektronen abgestrahlt, die erst sehr stark beschleunigt und dann auf eine wellenförmige Bahn gezwungen werden. So braucht man am Anfang der Anlage einen leistungsfähigen Teilchenbeschleuniger, der den Elektronen die nötige hohe Bewegungsenergie vermittelt. Die entscheidenden Komponenten für diesen rund 300 Meter langen Beschleuniger werden von Oerlikon Mechatronics gebaut. „Wir haben bei der Firma Oerlikon die Kombination von Kompetenzen gefunden, die wir für das Projekt brauchen. Sie hat Erfahrung mit Metallbearbeitung, Löttechnologie und Reinraumtechnologie“, erklärt Hans Braun, Projektleiter am SwissFEL. All diese Kompetenzen sind gefragt, denn es geht um die Herstellung der hochexakten Kavitäten für den SwissFEL- Beschleuniger. Das sind Hohlräume aus Kupfer, in denen sich ein elektrisches Feld aufbauen kann, das genau die richtige beschleunigende Kraft erzeugt. Insgesamt wird es 104 solche Kavitäten geben, von denen jede aus 113 unterschiedlich geformten Scheiben, den sogenannten Kupfertassen, zusammengesetzt sein wird.

Neuer Ansatz führt zu neuen Herausforderungen

Dass die Herstellung der Kavitäten eine besondere technische Herausforderung ist, liegt auch daran, dass am SwissFEL ein neuer Ansatz für den Beschleuniger gewählt wurde – das Stichwort ist „C-Band“ und bezeichnet die aussergewöhnlich hohe Frequenz (5,72 GHz), mit der sich das elektrische Feld in der Kavität verändern wird. „Durch diesen Ansatz wird der SwissFEL kürzer sein und weniger Energie verbrauchen“, so Braun „Gleichzeitig sind dadurch die Anforderungen an die Bauteile grösser.“ So müssen die einzelnen Kupfertassen von vorneherein auf ein Tausendstel eines Millimeters genau gedreht sein, da es nicht möglich ist, ihre Anordnung nach dem Zusammenbau einer Kavität nachträglich zu korrigieren.

Fertigungsanlage in Trübbach

Das Verfahren zur Herstellung der Kavitäten ist am PSI entwickelt worden und wird nun entsprechend dem heute unterzeichneten Rahmenvertrag von Oerlikon Mechatronics für die Serienproduktion umgesetzt. So wird Oerlikon Mechatronics in Trübbach im Kanton Sankt Gallen eine Fertigungsanlage aufbauen, in der die Kupfertassen nach der Bearbeitung in einem speziellen Lötofen zusammengefügt und anschliessend auf speziellen Haltegestellen aus Granit zu den fertigen Beschleunigermodulen zusammengebaut werden. „Mit diesem Auftrag gelingt Oerlikon Mechatronics nicht nur ein Quantensprung in der ultrapräzisen Fertigung von Komponenten, sondern auch die Positionierung als kompetenter Partner von Forschungsinstituten“, erklärt Christoph Bischof, (CEO, Oerlikon Mechatronics), dazu.


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1400 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Über Oerlikon

Oerlikon (SIX: OERL) zählt zu den führenden Hightech-Industriekonzernen mit einem Fokus auf Maschinen- und Anlagenbau. Das Unternehmen bietet innovative Industrielösungen und Spitzentechnologien für die Textilherstellung, Antriebe, Vakuum-, Dünnschicht- und Beschichtungstechnologien sowie Advanced Nanotechnology. Als Unternehmen mit schweizerischem Ursprung und über 100-jähriger Tradition ist Oerlikon mit mehr als 17‘000 Mitarbeitenden an über 150 Standorten in 38 Ländern und einem Umsatz von CHF 3,6 Mrd. im Jahr 2010 ein Global Player. Das Unternehmen investierte 2010 CHF 239 Mio. in die Forschung und Entwicklung, in der mehr als 1 200 Experten die Produkte und Dienstleistungen für Morgen entwickeln. In den meisten Bereichen steht das Unternehmen an den jeweiligen globalen Märkten an erster oder zweiter Position.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Hans-Heinrich Braun, Projektleiter SwissFEL, Paul Scherrer Institut, CH-5232 Villigen PSI,
Telefon: +41 56 310 3241, E-Mail: hans.braun@psi.ch

Christoph Bischof, CEO Oerlikon Mechatronics AG, Trübbach, CH-9477 Trübbach,
Telefon: +41 81 784 5215, E-Mail: christoph.bischof@oerlikon.com
Weiterführende Informationen:
Populäre Darstellung des SwissFEL-Projekts
Webseite des SwissFEL-Projekts (in Englisch)
Artikel im PSI-Magazin Fenster zur Forschung
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