Injektor 2: Ein Vorbeschleuniger für Protonen

Protonen sind als Grundbausteine der Materie Bestandteil aller Dinge, die uns umgeben. Am Paul Scherrer Institut PSI verlassen sie aber schon mal ihre übliche Rolle und werden dafür eingesetzt, andere Teilchen zu erzeugen, nämlich Neutronen und Myonen, die dann zur Untersuchung von Materialien gebraucht werden. Dafür müssen die Protonen aber erst beschleunigt werden. Dabei spielt eine dreistufige Beschleunigeranlage eine wichtige Rolle, in deren Mitte sich der Beschleuniger Injektor 2 befindet.

Joachim Grillenberger, zuständig für den Betrieb der Protonenanlage, mit einen Kollimator, wie er im Injektor 2 verwendet wird. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
Der Injektor 2, von dem im Vordergrund die türkisfarbenen Magnete und die silberfarbenen Resonatoren gut zu sehen sind. (Foto: Paul Scherrer Institut)
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Drei nacheinander angeordnete Beschleuniger bilden die Anlage zur Beschleunigung von Protonen am PSI: Den Anfang macht der pilzförmige, etwa 10 Meter hohe Cockcroft-Walton-Beschleuniger, in dem die Protonen erzeugt und vorbeschleunigt werden. Den Abschluss bildet der grosse Protonenbeschleuniger, ein Ringbeschleuniger, der in der Fachsprache Zyklotron heisst. Hier werden die Protonen auf 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Dazwischen befindet sich der Injektor 2, ein kleinerer Ringbeschleuniger, bei dem es sich ebenfalls um ein Zyklotron handelt. Seine Aufgabe als Vorbeschleuniger besteht darin, die Protonen mit 38 Prozent der Lichtgeschwindigkeit an das grosse Zyklotron abzugeben. Ähnlich wie die Gänge bei einem Auto bauen die Beschleuniger aufeinander auf. Cockcroft-Walton beziehungsweise erster Gang: Die Protonen erhalten auf einer geraden Strecke eine Anfangsbeschleunigung; Injektor 2 beziehungsweise zweiter Gang: Die Geschwindigkeit der Protonen wird in Kreisumläufen erhöht; grosses Zyklotron beziehungsweise dritter Gang: Wiederum in Kreisumläufen werden die Protonen auf die gewünschte Endgeschwindigkeit gebracht. Es ist ganz so wie beim Autofahren: Auf die Gänge eins und zwei kann man nicht einfach verzichten.

Nachdem die Protonen erzeugt wurden, werden sie im Cockcroft-Walton durch ein Vakuum geführt, damit sie nicht mit Luftmolekülen zusammenstossen. Vakuum bedeutet hier nicht einfach luftleerer Raum, denn ein wenig Luft bleibt immer übrig. So kann ein Vakuum unterschiedliche Qualität haben, die umso höher ist, je weniger Gas sich im Vakuum befindet. Das Vakuum um die Protonen herum ist auf ihrem Weg durch die drei Anlagen nicht überall exakt gleich. Im Injektor 2 beispielsweise besteht ein Vakuum, das einem Milliardstel des Luftdrucks entspricht, das heisst, es sind nur noch extrem wenige Gasanteile vorhanden.

Jeder der drei Beschleuniger ist in einer eigenen Halle untergebracht. Der Injektor 2 präsentiert sich in seinem rund 12 Meter hohen, nahezu quadratischen Raum zunächst in Form von abwechselnd insgesamt vier türkisfarbenen Magneten und vier silberfarbenen Resonatoren – alle etwa mannshoch –, die auf ein Zentrum ausgerichtet sind. In der Draufsicht sieht diese Anordnung von Magneten und Resonatoren aus wie eine in Stücke portionierte Torte, bei der die Spitzen der Kuchenstücke abgeschnitten wurden.

Die Resonatoren erzeugen ein elektrisches Wechselfeld, durch das die Protonen zunehmend beschleunigt werden. Und die Magnete sorgen dafür, dass die Protonen 80 Mal um das Zentrum des Injektors kreisen. Das magnetische Feld verändert sich von der Mitte weg nach aussen hin so, dass die Protonen, die im Inneren mit ihrer Umkreisung beginnen, immer die gleiche Zeit für einen Umlauf benötigen, obwohl die Umlaufbahn immer länger wird.

Im Beschleuniger ist das Proton kein Solitär

Im Beschleuniger sind die Protonen keine Einzelgänger. Sie sind in kleinen Gruppen beziehungsweise Bündeln unterwegs. Da Protonen elektrisch positiv geladen sind, stossen sie einander ab und bewegen sich auf ihrer Flugbahn innerhalb dieses Verbandes voneinander weg, bis ein wichtiger Effekt eintritt: Mit der Zeit, so Joachim Grillenberger, zuständig für den Betrieb der Protonenanlage, fokussiert sich der Strahl selbst. Damit ist gemeint, dass nach zehn bis zwanzig Umläufen die Protonengruppen sich bündeln und eine Kugelform annehmen, die sie dann beibehalten.

Um den Protonenstrahl im Injektor 2 zu bereinigen, werden Kollimatoren verwendet. Diese Bauteile sind meist aus Kupfer, haben einen Durchlass und werden auf der Spiralbahn der Protonen an geeigneten Stellen platziert. Nur Protonen, die sich auf der idealen Flugbahn bewegen, passieren den jeweiligen Durchlass der Kollimatoren, alle anderen Protonen werden von dem Kupfer aufgenommen.

Die drei Wege der Protonen

Nach seiner Beschleunigung im Injektor 2 stehen dem Protonenstrahl drei Wege offen. Der grösste Teil des Protonenstrahls wird zur weiteren Beschleunigung in das grosse Zyklotron geführt. Die so beschleunigten Protonen prallen zunächst auf eine Zielvorrichtung, die aus rotierenden Scheiben aus Kohlenstoff besteht, und erzeugen dabei Pionen und Myonen. Sie setzen dann ihren Weg fort und kollidieren schliesslich mit einem Metallblock, wobei Neutronen entstehen. Zum einen stehen Pionen, Myonen und Neutronen dann selbst im Mittelpunkt der Forschung, zum anderen helfen sie Forschenden, Aufschlüsse über den Aufbau von Materialien zu erhalten. Ein sehr kleiner Teil des Strahlstroms, etwa 2 Prozent, kann direkt nach dem Injektor 2 auf einen zweiten Weg geschickt werden. Diese Protonen erzeugen dann Radionuklide, die bei der Entwicklung von Medikamenten eingesetzt werden. Solche Medikamente werden in der Diagnostik von Krebs genutzt. Der dritte Weg führt in eine Sackgasse, an deren Ende die Protonen einfach nur absorbiert werden. Hierhin werden die Protonen immer dann geleitet, wenn sie nicht die geeigneten Eigenschaften für die beiden anderen Wege besitzen: Die Protonen sind in so einem Fall entweder zu langsam oder zu schnell.

Ein Blick zurück

Als die Protonenanlage 1974 in Betrieb genommen wurde, ging es vor allem darum, mit den Protonen Pionen zu erzeugen. Mit den Pionen wollte man damals aktuelle Fragen in der Teilchenphysik beantworten. Seitdem wurde die Anlage immer wieder den wissenschaftlichen Bedürfnissen angepasst. Anfangs produzierte die Anlage einen für damalige Verhältnisse ausserordentlich hohen Strahlstrom von 100 Mikroampere. Joachim Grillenberger: Heute, rund 40 Jahre später, wird ein 24 Mal höherer Strahlstrom erzeugt. Natürlich ist dies nur möglich, weil die Anlage ständig verbessert und weiterentwickelt wurde. Die stete Verbesserung brachte der Protonenanlage einen Weltrekord ein, den sie seit 1994 hält: Sie liefert weltweit den stärksten Protonenstrahl.

Um weiterhin an der Spitze der Beschleunigertechnologie zu bleiben, darf man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Der Injektor 2 ist ein Glied in der Kette der dreistufigen Protonenbeschleunigeranlage. Auch er muss stets auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden, um den hohen Anforderungen an die Leistung und die Betriebszuverlässigkeit weiter zu genügen, so Joachim Grillenberger. Zurzeit leitet er zusammen mit Kollegen ein Projekt, das den Injektor 2 noch leistungsfähiger machen wird: In den Jahren 2018 und 2019 werden neue Resonatoren eingebaut und die gesamte Verstärkerkette wird erneuert. Dadurch werden die Teilchen in noch kürzerer Zeit beschleunigt und es gehen weniger Protonen beim Beschleunigungsprozess verloren – die Leistung der gesamten Anlage wird erhöht. Damit tragen die Beschleunigerfachleute zusätzlich zur Modernisierung der Spallations-Neutronenquelle SINQ bei, deren Neutronen mithilfe der Protonen aus der Beschleunigeranlage erzeugt werden.

Text: Paul Scherrer Institut/Christian Heid