Das Technologieparknetzwerk von Switzerland Innovation wächst weiter: Der Park Innovaare direkt neben dem PSI expandiert – mit dem bewährten Ziel, Schweizer Spitzenforschung in konkrete Anwendungen und profitable Unternehmen zu überführen.
«Das hier wird die Reinraumhalle – hier können Arbeiten mit besonders empfindlichen Materialien stattfinden», sagt Architekt Daniel Leber und betritt eine weitläufige Halle aus Stahlbeton auf der Baustelle des Park Innovaare. Noch erinnert der Raum eher an eine Tiefgarage, aber als der Projektleiter weitererzählt, kann man sich mit etwas Fantasie leicht ausmalen, wie hier bald Forschende in Schutzanzügen an nanostrukturierten Hightech-Materialien werkeln werden. «Hier werden später Reinraumboxen eingesetzt», erklärt er. «Lüftungsfilter halten dort die Menge an Partikeln in der Luft gering.» Das ist für bestimmte Forschungs- und Produktionsarbeiten unerlässlich, etwa in der Halbleiter- oder Pharmaindustrie.
Leber ist Architekt beim Schweizer Bauunternehmen ERNE und Gesamtprojektleiter für die Errichtung des Innovationscampus Park Innovaare in direkter Nachbarschaft zum PSI-Gelände. Seit November 2019 wird hier der Erweiterungsbau errichtet; Ende 2023 sollen die Gebäude mit rund 23 000 Quadratmetern Nutzfläche an Büros, Laboren und Werkstätten bezugsfertig sein.
Stolz zeigt Daniel Leber, wie weit die vier Gebäude des Innovationscampus bereits gediehen sind. «Eine wirklich spannende Aufgabe», nennt er das Projekt. «Es gibt viele spezielle Anwendungen, mit immer neuen bautechnischen Herausforderungen. » Den Röntgenraum etwa umschliessen 50 Zentimeter starke Stahlbetonwände; ausserdem benötigt man einen Brückenkran, um die schweren Gerätschaften darin zu montieren. Die Temperatur einiger Physiklabore muss bis auf 0,1 Grad Celsius konstant regelbar sein, dafür braucht es eine umfangreiche Lüftungstechnik. Die Betonwände der Reinraumhalle wiederum sind über eine spezielle Trennlage aus Nylon-Drahtgeflecht von den Wänden der angrenzenden Nebengebäude entkoppelt: So übertragen sich Vibrationen aus einem Gebäude nicht auf das nächste – wichtig für knifflige Arbeiten, bei denen es auf Nanometer ankommt.
Wir suchen Firmen, die wirkliche technologische Sprünge machen wollen.
Rundumversorgt
Auch die Basics abseits von Hightech dürfen nicht fehlen: ein Restaurant etwa, in dem bis zu 200 Mittagessen serviert werden können. Hier werden in Zukunft Forschende und Innovationsmanagende aus Industrie und akademischem Betrieb gemeinsame Forschungsprojekte bei Salat, Spaghetti oder Rösti diskutieren. «Der Park Innovaare ist seit seiner Gründung 2015 eine Begegnungsstätte zwischen Innovationsmanagenden aus innovativen Unternehmen einerseits sowie führenden Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des PSI oder der Hochschulen andererseits», sagt Benno Rechsteiner, CEO des Park Innovaare. «Wir bringen Innovationen in den Markt, schaffen neue Arbeitsplätze und generieren einen Mehrwert für den Kanton Aargau und die Schweiz.»
Grosse Industrieunternehmen können im Erweiterungsbau ganze Etagen bei Bedarf selber gestalten; kleine Start-ups können schon fertig eingerichtete Labore und Büros mieten. Alle eingemieteten Firmen können gegen Bezahlung Infrastrukturen wie Reinräume mitbenutzen, deren Bau und Unterhalt sie sich ansonsten nicht leisten können. Bei Bedarf stehen natürlich auch Einrichtungen auf der anderen Seite der Strasse, am PSI selbst, zur Verfügung. «Die Nähe zum PSI mit seinen Grossforschungsanlagen und seiner internationalen Ausrichtung macht den Park Innovaare zu etwas Besonderem », sagt Rechsteiner. «Wir suchen daher Firmen, die wirkliche technologische Sprünge machen wollen.»
Warten auf den Umzug
17 Unternehmen, zum Teil Spin-offs des PSI, sind schon am Park Innovaare angesiedelt. Bis die neuen Gebäude bezugsfertig sind, residieren sie im deliveryLAB, einem zweigeschossigen Holzpavillon auf dem Westteil des PSI-Geländes, oder auf dem PSI-Gelände selbst. «Wir freuen uns schon sehr, möglichst bald in den Innovationscampus umziehen und weiter wachsen zu können», sagt Michael Hennig, CEO und Mitgründer von leadXpro. Das Unternehmen hat ein komplettes Stockwerk in einem der künftigen Gebäude angemietet.
LeadXpro ist spezialisiert auf die Charakterisierung von Membranproteinen – wichtige Schaltstellen und damit beliebte Zielstrukturen für Medikamente. Das PSI-Spin-off nutzt für seine Arbeit die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS und den Schweizer Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL. Zu den Mietern im Park Innovaare zählt auch das Technologietransferzentrum ANAXAM, das Firmen Materialanalytik mit Neutronen- und Synchrotronstrahlung anbietet. Seine Dienstleistung reicht von der Beratung über Messungen mit massgeschneiderter Infrastruktur der Datenanalyse bis zum abschliessenden Bericht.
Nicht nur die Spin-offs, auch das PSI profitiert von einer intensiven Verzahnung zwischen Forschung und Industrie: Erfindungen und technologische Entwicklungen können so schneller auf den Markt gelangen. «Die enge örtliche Anbindung ermöglicht eine schnelle und unkomplizierte Kommunikation – vieles lässt sich sogar kurzfristig bei einem gemeinsamen Mittagessen besprechen», erzählt Jens Rehanek, CEO von Advanced Accelerator Technologies, einer gemeinsamen Initiative des PSI und mehrerer Industriepartner. Das Unternehmen kommerzialisiert Entwicklungen des PSI im Bereich der Beschleunigeranlagen und anderen Experimentiereinrichtungen.
Warum Innovationsparks?
«Die Schweiz ist absolute Spitze in der Grundlagenforschung », sagt Raphaël Tschanz, stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Switzerland Innovation in Bern. Sie ist die Trägerorganisation des nationalen Netzwerks von Innovationsparks, zu dem auch der Park Innovaare gehört. «Wenn es aber darum geht, diese Forschungsergebnisse in konkrete Anwendungen und Produkte zu überführen, verliert die Schweiz international an Boden. Es gibt zu wenige Angebote im Technologietransfer, zu wenig Zusammenarbeit zwischen Industrie und Universitäten.»
Das soll sich ändern, beschlossen im Jahr 2012 die eidgenössischen Räte und schufen die gesetzlichen Grundlagen, um ein Netzwerk von Innovationsparks zu ermöglichen. Von Anfang an gesetzt waren die beiden Standortträger um die ETH Zürich und die EPFL in Lausanne, weitere Standortträger konnten sich bewerben. Neben dem Park Innovaare waren der Park Biel und der Park Basel Area erfolgreich. Dieses Jahr gab der Bundesrat zudem grünes Licht für einen sechsten Standortträger in Sankt Gallen.
«Jeder Standortträger hat eine thematische Ausrichtung», erklärt Tschanz, «also Schwerpunkte, die sich aufgrund der Forschungskompetenzen der jeweiligen Institute, Universitäten, Hochschulen oder Unternehmen in der Region ergeben.» Die Basel Area beispielsweise steht klar für Biotechnologie und Biomedizin. Schwerpunkte des Park Innovaare sind Beschleunigertechnologie, Materialien, menschliche Gesundheit und Energie.
Vorbild Romandie
Als Vorbild für die noch jüngeren Parks gilt laut Tschanz der Park Network West EPFL. Mit Standorten in Lausanne, Sion, Genf, Neuchâtel und Fribourg deckt er die ganze Westschweiz ab. «Es hat dort stets grosse Nachfrage durch die Privatwirtschaft gegeben», sagt Tschanz. «In Lausanne hat man bereits vor über zwanzig Jahren damit begonnen, die Zusammenarbeit zwischen Industrie und den akademischen Einrichtungen aktiv zu fördern.»
Entstehen müsse ein florierendes Ökosystem, das den Unternehmergeist belebt. Raphaël Tschanz ist zuversichtlich, dass das in Villigen mit dem Neubau noch konzentrierter gelingen wird – gerade auch, weil das PSI im Innovationscampus ebenfalls Mieter sein wird. «Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, wo so viel geballte Kompetenz an einem Ort vorhanden ist wie am PSI.» Unternehmen jeglicher Art können davon profitieren.
Text: Brigitte Osterath
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