Lithiumionen-Batterien stellen heute eine der besten Technologien für elektrochemische Energiespeicherung dar. Sie weisen eine hohe Energiedichte (Energie pro Volumeneinheit) bzw. spezifische Energie (Energie pro Kilogramm Gewicht) auf und eine genügend lange Lebensdauer für den Einsatz in Mikroelektronikgeräten und Autos. Der Aufstieg der Li-Ionen-Batterien ist eindrücklich: Sie haben innerhalb von nur zwei Jahrzehnten einen erstaunlichen kommerziellen Erfolg erlangt. Doch Verbesserungen sind immer noch möglich, und daran arbeiten auch Forscher am Paul Scherrer Institut PSI. Gleichwohl ist das Potenzial der Li-Ionen-Batterie chemisch begrenzt: Eine noch höhere Energiedichte, die vor allem für die Elektromobilität von kritischer Bedeutung ist, wird nur durch den Einsatz anderer Batterietypen erreichbar sein
Zu den vielversprechenden Alternativen gehört die Lithium-Schwefel-Batterie. Bei diesem Batterietyp besteht die Anode aus metallischem Lithium, die Kathode aus einem Verbundmaterial aus Schwefel und Kohlenstoff. Die Lithium-Schwefel-Batterie gehört zu den Batterien des sogenannten „Umwandlungstyps“, weil die elektrochemischen Reaktionen, die beim Laden und Entladen der Batterie vonstatten gehen, zu neuen chemischen Verbindungen führen. Im Gegensatz dazu funktionieren die Lithiumionen-Batterien nach dem „Einbau-Prinzip“. Das heisst, dass Lithiumionen Leerstellen in der Kristallstruktur der Kathode einnehmen, ohne die Struktur des Kathodenmaterials wesentlich zu verändern. Im Allgemeinen steigt die Energiemenge, die gespeichert werden kann, mit der Anzahl gebundener oder eingebauter Lithiumionen. Die höhere Energiedichte der Lithium-Schwefel-Batterie rührt daher, dass jedes Schwefelatom zwei Lithiumionen binden kann, während bei konventionellen Batterietypen im Durchschnitt weniger als ein Lithiumion „eingefangen“ wird. Die Vorteile der Lithium-Schwefel-Batterie liegen primär in ihrer überlegenen Speicherkapazität (Energiedichte), aber sie glänzen auch in ökonomischer und ökologischer Hinsicht. So ist Schwefel ein relativ preisgünstiger und überall vorkommender Rohstoff, anders als teure Elemente wie Kobalt, die in Lithiumionen-Batterien zum Einsatz kommen. Das ist wichtig, denn Materialkosten haben einen sehr grossen Anteil an den Gesamtkosten einer Batterie. Aus Sicht des Umweltschutzes erlaubt die Lithium-Schwefel-Batterie zudem den Verzicht auf Schwermetalle. Bei der Herstellung von Lithium-Schwefel-Batterien werden laut Petr Novák, Leiter der Sektion Elektrochemische Energiespeicher im Labor für Elektrochemie am PSI keine giftigen Chemikalien verwendet.
Die grössten Herausforderungen bei der Lithium-Schwefel-Batterie
Der Weg zum Markt ist für die Lithium-Schwefel-Batterie dennoch von einigen Herausforderungen gesäumt. Eine fundamentale Schwierigkeit besteht in der Tasache, dass Schwefel ein elektrisch isolierendes Material ist. Darum muss es in der Kathode in einer Matrix aus elektrisch leitendem Kohlenstoff eingebettet werden. Andernfalls würden die Lithiumionen nur die Schwefel-Atome an der Oberfläche der Kathode erreichen. Die Zugabe von Kohlenstoff schafft ein elektrisch leitendes Gerüst, das Zugang zu Schwefel-Atomen über den gesamten Kathodenkörper ermöglicht. Gleichzeitig wird die Batterie aber durch den nötigen Kohlenstoffzusatz schwerer und voluminöser; folglich kann die Energiedichte sinken.
Ein weiteres, für die Lithium-Schwefel-Batterie spezifisches Problem stellt das sogenannte „Polysulfid-Shuttle“ dar. So bezeichnen die Fachleute die Wechselwirkung der Kathode und der aus Lithium bestehenden Anode durch chemische Reaktionen mit Polysulfiden – Zwischenprodukten aus der Kette von elektrochemischen Reaktionen, die das Entladen und Laden der Batterie antreiben. Diese Polysulfide sind in den flüssigen organischen Elektrolyten der Zelle löslich und können somit von der Kathode, wo sie entstehen, zur Anode wandern. An der Anode reagieren sie dann mit Lithiumatomen an der Oberfläche. Die Oberfläche wird dadurch „passiviert“, wie die Forscher sagen, denn die nun gebundenen Lithiumatome sind nicht mehr für die Energiespeicherung verfügbar. Dadurch „altert“ die Zelle, sie verliert nach nur wenigen Lade-/Entladezyklen einen grossen Teil ihres Speichervermögens.
Ein Ziel von vielen Studien bei der Entwicklung der Lithium-Schwefel-Batterie besteht deshalb darin zu verhindern, dass die Polysulfide sich von der Kathode lösen, zur Anode gelangen und sich dort ablagern. Die bisherigen Versuche, diesen Vorgang in den Griff zu bekommen, haben zwar leichte Verbesserungen gebracht, bedeuten aber meistens eine höhere Komplexität der Batteriestruktur und folglich höhere Herstellungskosten. Die PSI-Forscher unter der Leitung von Petr Novák suchen in Zusammenarbeit mit dem deutschen Chemiekonzern BASF nach industriell umsetzbaren Lösungen mit einem Fokus auf der Wirtschaftlichkeit. Und sie haben bereits erste Erfolge zu vermelden.
Mit Kunststoffen zu besseren Leistungen
In einer Studie haben die Wissenschaftler den Einfluss verschiedener Binder auf die Leistungsfähigkeit der Elektroden untersucht. Ein Binder ist eine Substanz, die als „Klebstoff“ fungiert, um die Bestandteile einer Elektrode zusammenzuhalten. Binder sind nötig, denn das Laden und Entladen einer Batterie führt in der Regel zu Volumenveränderungen in den Elektroden. Die Forscher fanden heraus, dass – wenn Teflon als Binder verwendet wird – sehr gute Werte der Energiedichte einer Lithium-Schwefel-Batterie realisiert werden können. Die hohe Speicherkapazität bleibt auch über 100 Lade-/Entladezyklen zu fast 70 Prozent erhalten. „Teflon hat sich als hervorragender Binder für die Kathoden von Lithium-Schwefel-Batterien herausgestellt. Dies zeigt, dass günstige Materialien und relativ einfache Batterieanordnungen zu sehr guten Ergebnissen führen können. Unsere Resultate sind vergleichbar mit jenen von anderen publizierten Konzepten, die auf teure Werkstoffe oder komplexe Batteriearchitekturen setzen“, sagt Novák.
Den Grund für die positiven Effekte von Teflon haben die Forscher noch nicht eruiert. Offenbar verstärkt Teflon die Kontakte zwischen Schwefel und dem elektrisch leitenden Material, in dem es eingebettet ist. Die PSI-Forschenden vermuten zudem einen Zusammenhang mit den wasserabweisenden Eigenschaften des bekanntlich in Bratpfannen eingesetzten Teflons. Die „Hydrophobie“ von Teflon, so mutmassen sie, würde den Zugang vom Elektrolyt zum elektroaktiven Material Schwefel erschweren und somit die Auflösung der Polysulfide im Elektrolyten eindämmen. Dadurch würde die Alterung der Batterie verlangsamt werden. Weitere Verbesserungen der Batterieeigenschaften stellten die Forscher fest, wenn die Elektroden mit dem Kunststoff Nafion beschichtet wurden. Auch hierfür fehlt aber noch eine abschliessende wissenschaftliche Erklärung. Trotzdem: Die Arbeit der PSI-Wissenschaftler lässt die vielversprechende Lithium-Schwefel-Batterie als eine industriell machbare Option – statt wie bisher als „Zukunftsmusik“ – erscheinen.
Notabene: Die Forscher der Sektion von Petr Novák erforschen nicht nur die Lithium-Schwefel-Batterie. Ihre Expertise deckt alle heute industriell gängigen Batterietypen ab und erstreckt sich auf andere innovative Konzepte im Forschungs- und Entwicklungsstadium.
Weiterführende Informationen
Sektion Elektrochemische Energie SpeicherungOriginalveröffentlichung
Influence of different electrode compositions and binder materials on the performance of lithium–sulfur batteriesHolger Schneider, Arnd Garsuch, Alexander Panchenko, Oliver Gronwald, Nicole Janssen, Petr Novák, Journal of Power Sources, DOI: 10.1016/j.jpowsour.2011.12.061