Ein neues Mikroskop am Paul Scherrer Institut zeigt den chemischen Aufbau vom Materialien – auf einige Nanometer genau
Ein neues Mikroskop an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts wird es möglich machen, den Aufbau von Materialien mit bisher unerreichter Auflösung darzustellen. Dazu werden Forschende einzelne Bereiche in einem Material betrachten, die nur wenige Nanometer (millionstel Millimeter) gross sind, und für jeden dieser Bereiche bestimmen, welche chemischen Elemente darin enthalten sind.
So wird es möglich, eine beinahe nanometergenaue «chemische Landkarte» eines Materials zu erstellen. Die Anlage wird beispielsweise erlauben, in magnetischen Speichermaterialien oder in Halbleitern im Detail zu beobachten, wie technisch relevante Materialeigenschaften zustande kommen. Die Ergebnisse werden dazu beitragen, solche Materialien für zukünftige Anwendungen gezielt zu verbessern und so helfen, leistungsfähigere elektronische Geräte zu bauen wie PCs, Digitalkameras, MP3-Spieler oder andere Geräte, die viel Datenspeicherplatz benötigen. NanoXAS kombiniert zwei Techniken, von denen eine im Prinzip die Lage einzelner Atome bestimmen kann und die andere zeigt, welche chemischen Elemente im untersuchten Bereich vorhanden sind.
Zwei Methoden sehen mehr als eine
«Die zwei Methoden, die in dem neuen Mikroskop NanoXAS kombiniert werden, sind die Röntgenabsorptionsanalyse (XAS) und die Rastersondenmikroskopie», erklärt Jörg Raabe, Projektleiter für den Aufbau des Geräts. «Mit XAS kann man bestimmen, welche chemischen Elemente in einem Material enthalten sind – bei den besten Geräten sogar für Bereiche, die nur einige zehn Nanometer gross sind. Mit der Rastersondenmikroskopie, bei der man eine Oberfläche mit einer feinen Spitze abtastet, kann man im besten Fall die genaue Position von jedem einzelnen Atom bestimmen.» Die Kombination der beiden Methoden erlaubt es nun erstmals, gleichzeitig zu bestimmen, wo sich Atome befinden und zu welchen chemischen Elementen sie gehören. So bekommt man ein Abbild der Struktur mit atomarer Genauigkeit.
Einblicke in Materialien für die Elektronik
Untersuchungen mit NanoXAS werden beispielsweise ermöglichen, den Aufbau elektronischer Bauteile oder magnetischer Speichermedien auf der Ebene einzelner Atome zu erforschen. «Bei Halbleitermaterialien oder magnetischen Materialien für Speichermedien, die heute in vielen Geräten eingesetzt werden, weiss man oft nicht genau, wie sie funktionieren, weil die relevanten Strukturen zu klein sind, als dass man sie mit bisher verfügbaren Methoden ansehen könnte», erklärt Raabe. Hier wird NanoXAS Abhilfe schaffen. Es wird z.B. in Materialien, die in neuartigen Computer- Festplatten Verwendung finden könnten, für einzelne Atome die magnetische Ausrichtung zeigen oder die Verteilung von Dotierungsatomen in Halbleitern sichtbar machen. Dotierungsatome sind Atome anderer Elemente, die in sehr kleinen Mengen gezielt in Halbleitermaterialien eingebracht werden, um diese leitfähig zu machen. Dabei spielen Grenzflächen, an denen Bereiche aufeinandertreffen, die mit verschiedenen Atomen dotiert sind, eine besonders wichtige Rolle. Die neue Anlage könnte zeigen, wie genau die zusätzlichen Atome verteilt sind und so helfen, moderne Halbleiter zu verstehen. Die mit NanoXAS gewonnenen Einblicke werden nicht nur erlauben, die Eigenschaften heute verwendeter Materialien im Detail zu verstehen, sondern auch dazu beitragen, dass optimierte Materialien für elektronische Bauteile oder magnetische Speichermedien entwickelt werden können. So könnte das neue Mikroskop einen Beitrag dazu leisten, dass in Zukunft noch kleinere und schnellere elektronische Geräte verfügbar sein werden.
Licht mit besonderen Eigenschaften
NanoXAS nutzt für die Röntgenabsorptionsanalyse Röntgenlicht aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts. Das Röntgenlicht der SLS ist demjenigen, das in gewöhnlichen Röntgenquellen erzeugt wird, in vielerlei Hinsicht überlegen. Es ist deutlich intensiver und besser gebündelt und kann ausserdem auf verschiedene Weise an die Bedürfnisse des einzelnen Experiments angepasst werden: erst die einstellbare Energie («Farbe») des Lichts macht es möglich, die in einer Probe enthaltenen chemischen Elemente zu bestimmen. Die veränderbare Polarisation ermöglicht es, verschiedene magnetische Zustände in dem Material zu unterscheiden.
Internationale Kooperation
Das Mikroskop NanoXAS ist in einer Kooperation zwischen mehreren Institutionen in Deutschland und der Schweiz entstanden. Am Aufbau des eigentlichen Messplatzes sind neben dem PSI die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt Empa und die Universität Basel beteiligt. Die Strahllinie, die das Röntgenlicht zum Messplatz leitet und für das Experiment aufbereitet, ist in Kooperation mit der Universität Erlangen/Nürnberg und der Freien Universität Berlin aufgebaut worden. Die Gesamtktosten des Projekts haben 2,1 Mio SFr betragen, von denen das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 700'000 SFr beigetragen hat. Finanziell wurde das Projekt auch vom Competence Centre for Materials Science and Technology (CCMX) des ETH-Rats unterstützt.
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1300 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 260 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.
Ansprechpartner:
Dr. Jörg Raabe, Strahllinienverantwortlicher NanoXAS,Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS,
Paul Scherrer Institut, Telefon: +41 56 310 5193; E-Mail: joerg.raabe@psi.ch
Dr. Christoph Quitmann, Leiter des Labors für Kondensierte Materie,
Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS,
Paul Scherrer Institut, Telefon: +41 56 310 4560; christoph.quitmann@psi.ch
Prof. Dr. Hans Josef Hug, Head of Laboratory for Nanoscale Materials Science, Empa,
Telefon: +41 44 823 4125, E-Mail: Hans-Josef.Hug@empa.ch;
Department Physik, Universität Basel, Telefon: +41 61 267 3659