Es funktioniert: Ultraschnelle magnetische Vorgänge mit Röntgenlaser live beobachtet

Ein Team unter der Leitung von Forschern des Paul Scherrer Instituts hat mit Experimenten am amerikanischen Röntgenlaser LCLS erstmals genau verfolgen können wie sich die magnetische Struktur eines Materials verändert. Der Versuch wurde an Kupferoxid (CuO) durchgeführt. Die Strukturänderung wurde durch einen Laserblitz angestossen; mit Hilfe kurzer Röntgenpulse wurden dann für verschiedene Zeitpunkte Momentaufnahmen einzelner Zwischenschritte der Veränderung erfasst. So zeigte es sich, dass die Struktur erst 400 Femtosekunden nach dem Laserblitz sich zu verändern begann (1 Femtosekunde = 0.000 000 000 000 001 Sekunde). Offenbar brauchen die Elementarmagnete innerhalb des Materials soviel Zeit um sich miteinander zu verständigen bevor sie reagieren. Neben dem wissenschaftlichen Ergebnis liefert die Arbeit erstmals den Beweis, dass es an Röntgenlasern tatsächlich möglich ist, bestimmte extrem schnelle magnetische Vorgänge zu verfolgen. Für die Forscher des PSI ist dies ein wichtiger Meilenstein. Denn solche Untersuchungen sollen auch einen Forschungsschwerpunkt am geplanten Schweizer Röntgenlaser SwissFEL des Paul Scherrer Instituts darstellen. Die Ergebnisse dürften zur Entwicklung neuer Technologien für magnetische Speichermedien der Zukunft beitragen. Über ihre Arbeit berichten die Forschenden im Fachjournal Physical Review Letters (PRL).

Die Forscher Urs Staub (links) und Steven Johnson am Messplatz FEMTO an der SLS. Hier wurden vorbereitende Experimente für die dargestellte Untersuchung durchgeführt. (Paul Scherrer Institut/M. Fischer)
Ausschnitt aus der Struktur von Kupferoxid (CuO). Die Kupferatome (grün) tragen ein magnetisches Moment – sie verhalten sich wie kleine Kompassnadeln. (Die Richtung der magnetischen Momente ist durch rote Pfeile dargestellt. Ein Punkt bedeutet dass der Pfeil aus der Ebene herausragt, wir also auf seine Spitze schauen; ein Kreuz, dass der Pfeil in die Ebene zeigt, wir also sein Ende sehen.) Die magnetische Struktur sieht bei Temperatur unter 213 Kelvin (rund minus 60 Grad Celsius) deutlich anders aus als darüber. Dabei ist die magnetische Struktur für die Temperaturen 213 Kelvin bis 230 Kelvin inkommensurabel (IKM), d.h. ihre Periode passt nicht in die Periode der Kristallstruktur aus Kupfer- und Sauerstoffatomen. Konkret braucht eine volle Drehung der Richtung des magnetischen Moments nicht genau vier Atomabstände, sondern je nach Richtung etwas mehr oder etwas weniger. S. L. Johnson et al. Phys. Rev. Lett. 108, 037203 (2012) © 2012 by the American Physical Society.
Veränderung der magnetischen Strukturen von CuO im Zeitverlauf – beim Wert 1 ist deutlich mehr von der Tieftemperaturstruktur (KM) vorhanden, für höhere Werte gibt es einen immer grösseren Anteil der zweiten Struktur (IKM). Die braune Kurve zeigt die tatsächlichen Messwerte, die schwarze den daraus abgeleiteten Verlauf. Bei der Zeit 0 erhitzt der Laserblitz die Probe; die neue Struktur tritt aber erst 400 Femtosekunden später erstmals auf (tp). S. L. Johnson et al. Phys. Rev. Lett. 108, 037203 (2012) © 2012 by the American Physical Society.

Materialien mit besonderen magnetischen Eigenschaften sind Grundlage vieler aktueller Technologien, insbesondere der Datenspeicherung auf Festplatten und anderen Medien. Dabei macht man sich meist die magnetische Ordnung in den Materialien zu nutze: die Atome im Material verhalten sich zum Teil wie winzige Stabmagnete (Spins). Diese Mini-Magnete können in verschiedener Weise ausgerichtet sein. In ihrer Ausrichtung kann dann Information gespeichert werden. Für eine effiziente Datenspeicherung ist es entscheidend, alte Daten schnell durch neue überschreiben zu können. Das ist möglich wenn sich die magnetische Ordnung in einem Material in kürzester Zeit ändern lässt. Um neuartige Materialien zu entwickeln, die ein noch schnelleres Speichern ermöglichen, ist es deshalb wichtig, den zeitlichen Ablauf dieser Änderung genau zu verstehen.

Magnetische Ordnung in Bewegung

Einem Team, das von Forschern des Paul Scherrer Instituts geleitet wurde, ist es nun in Experimenten am Röntgenlaser LCLS im kalifornischen Stanford gelungen, diesen Vorgang für die magnetische Ordnung in Kupferoxid CuO zu untersuchen. Dieses Material weist je nach Temperatur völlig verschiedene magnetische Ordnungen auf: unter Minus 60 Grad Celsius weisen die Spins, die an den Kupfer-Atomen (Cu) als Magnete wirken, abwechselnd in die eine oder die entgegengesetzte Richtung; zwischen Minus 60 und Minus 43 Grad Celsius sind sie spiralförmig angeordnet als würden sie ein Wendeltreppe bilden. Wie die beiden Ordnungen aussehen, weiss man schon länger – wie lange der Übergang von der einen zur anderen Anordnung dauert, zeigte aber erst das Experiment der PSI-Forscher.

In unserem Versuch haben wir mit einer kalten Probe angefangen und diese mit einem intensiven Lichtblitz aus einem optischen Laser aufgeheizt, erklärt Steven Johnson, Sprecher des PSI-Experiments Kurz danach bestimmten wir die Struktur der Probe, indem wir sie mit einem extrem kurzen Puls aus dem Röntgenlaser durchleuchteten. Indem wir dies für verschieden Zeitabstände zwischen Lichtblitz und Röntgenpuls wiederholten, konnten wir den Ablauf der Veränderungen der magnetischen Struktur rekonstruieren.

Mini-Magnete brauchen 400 Femtosekunden, um sich zu verständigen

Das Ergebnis zeigt, dass es etwa 400 Femtosekunden dauert bis die Struktur anfängt, sich sichtbar zu verändern. Danach nähert sich die Struktur allmählich ihrem neuen Endzustand an. Das geschieht umso schneller je intensiver der zur Anregung benutzte Lichtpuls war. An der magnetischen Struktur sind die Spins aller Kupferatome beteiligt. So müssen sich die Atome an den verschiedenen Enden des Materials koordinieren bevor sich die Struktur verändern kann. Dafür brauchen sie 400 Femtosekunden, erklärt Urs Staub, einer der verantwortlichen PSI-Forscher. Für das Kupferoxid ist das die fundamentale Grenze, schneller geht es einfach nicht. Das hängt damit zusammen, wie stark die Spins an benachbarten Atomen miteinander gekoppelt sind.

Dass sich die Forschenden gerade für Kupferoxid interessieren, hat gute Gründe. Bei der schraubenförmigen magnetischen Ordnung, die zwischen Minus 60 und Minus 43 Grad Celsius auftritt, ist das Material auch multiferroisch, d.h. elektrische und magnetische Prozesse beeinflussen sich hier gegenseitig. Solche Materialien haben viele denkbare Anwendungen in Bereichen, in denen Magnetismus und Elektronik wechselwirken.

Wichtiger Schritt für SwissFEL

Die LCLS ist 2009 als weltweit erster Freie-Elektronen-Röntgenlaser in Betrieb gegangen, und die PSI-Forschenden waren unter den ersten, die dort experimentieren konnten. Die extrem kurzen Pulse von nur wenigen Femtosekunden Dauer, machen es möglich, in Materialien den Ablauf sehr schneller Veränderungen zu verfolgen, von denen bislang nur Anfangs- und Endzustand bekannt waren. Das Experiment am Kupferoxid zeigt, dass Röntgenlaser bei Untersuchungen an magnetischen Materialien diese Erwartungen tatsächlich erfüllen können. Solche Untersuchungen werden auch einer der Schwerpunkte am SwissFEL, dem geplanten Röntgenlaser des Paul Scherrer Instituts, sein. Dieser wird im Jahr 2016 in der Nähe des gegenwärtigen PSI-Geländes in Betrieb gehen.


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1400 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Urs Staub,
Labor für Kondensierte Materie, Forschungsbereich Synchrotronstrahlung und Nanotechnologie, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Tel: +41 56 310 4494, E-Mail: urs.staub@psi.ch

Prof. Dr. Steven Johnson (hat die dargestellten Arbeiten noch als Wissenschaftler am Paul Scherrer Institut durchgeführt)
ETH Zürich, Institut für Quantenelektronik, HPT D 15, Wolfgang-Pauli-Strasse 16, 8093 Zürich;
Tel: +41 44 633 76 31, E-Mail: johnson@phys.ethz.ch
Originalveröffentlichung
Femtosecond Dynamics of the Collinear-to-Spiral Antiferromagnetic Phase Transition in CuO
S. L. Johnson, R. A. de Souza, U. Staub et al.
Phys. Rev. Lett. 108, 037203 (2012); DOI: 10.1103/PhysRevLett.108.037203
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