Jahresmedienkonferenz vom 6. Mai 2008

... Rückblick: 20 Jahre PSI ... Weitblick: Gantry 2, neue Möglichkeiten der Krebstherapie ... Ausblick: XFEL, das zukünftige Grossprojekt am PSI ...

Das PSI feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag. Seit seiner Gründung 1988 haben sich die Forschungsschwerpunkte des PSI deutlich verändert. Aus den beiden Vorgängerinstituten EIR und SIN, welche primär auf Kernenergieforschung und Grundlagenforschung in Kern- und Teilchenphysik ausgerichtet waren, ist ein Forschungszentrum entstanden, welches sich mit wissenschaftlichen Fragestellungen in Physik, Materialwissenschaften, Chemie, Biologie und Medizin, sowie ganzheitlich mit zukünftiger Energietechnik und ihren Umweltauswirkungen beschäftigt.

Einmalige Grossforschungsanlagen

In der schweizerischen Forschungslandschaft ist das PSI in seiner Konzeption einmalig. Denn es führt nicht nur die eigenen Forschungsprojekte aus. Das PSI ist auch ein Benutzerlabor für Gastforscher aus der ganzen Welt. Die Kombination von Grossforschungsgeräten, von denen jedes Einzelne an sich schon einzigartig ist, wie die Spallations-Neutronenquelle (SINQ), die Myonenanlage (MueSR) und die Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) ermöglichen es Forschenden aus der ganzen Welt, hier Experimente durchzuführen, die in dieser Komposition woanders nicht möglich sind. Das PSI unterstützt und berät die Gastwissenschaftler. Es profitiert jedoch auch vom mitgebrachten Know-how der externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. So entsteht Spitzenforschung, die zur internationalen Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Forschenden aus Hochschulen und Industrie beiträgt. Die Forschung des PSI ist komplementär zu derjenigen an den Universitäten und an den beiden ETH. Sie ist ausgerichtet auf interdisziplinäre Projekte, bei denen ein starker Bezug und Zugang zu Grossforschungsgeräten Voraussetzung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Erfolg sind. Mehr als 15'000 externe Forscherinnen und Forscher aus Hochschulen und Industrie haben in den vergangenen 20 Jahren von den Besonderheiten der Grossgeräte, von der PSI-Fachkompetenz und der gelebten wissenschaftlichen Kultur am PSI profitiert.

Protonentherapie – erfolgreicher Spin-off aus Grundlagenforschung der Physik

Eine besondere PSI-Wegmarke ist die Entwicklung der Protonentherapie. Mit der am PSI entwickelten Technik können Krebstumoren mit einem Teilchenstrahl (Protonen) hoch präzise abgescannt und das Wachstum von bestimmten, ansonsten nur schwierig oder gar nicht zu behandelnden Tumoren (z. B. in Schädel, Wirbelsäule und Becken) effizient zum Stillstand gebracht werden. Das gesunde Gewebe wird dabei optimal geschont. Die PSI-Technologie steht weltweit an der Spitze. Zu diesem Erfolg hat die physikalische Grundlagenforschung und das Wissen aus der Beschleunigertechnik des PSI wesentlich beigetragen. So hat das Institut im vergangenen Jahr das weltweit kompakteste Protonen-Zyklotron für die Protonentherapie in Betrieb nehmen können. Die bisherigen Erfahrungen mit der neuen Maschine stimmen zuversichtlich, dass solche Geräte mittelfristig in Spitälern eingesetzt und wirtschaftlich betrieben werden können, sodass die Patienten nicht mehr weite Reisen an das PSI auf sich nehmen müssen. Weltweit hat eine grosse Nachfrage eingesetzt, und auch in der Schweiz ist das Interesse an dieser neuen Krebstherapie gestiegen. In diesem Jahr hat das PSI mit der Installation einer zweiten Anlage, der Gantry 2, den Grundstein für eine entscheidende Weiter­entwicklung der Protonentherapie gelegt. Das Ziel ist, zukünftig auch sich bewegende Tumorarten (z.B. bei Brust- oder Lungenkarzinomen) mit hoher Präzision bestrahlen zu können. Hierzu sind jedoch noch komplexe technische Entwicklungsarbeiten notwendig, die die PSI-Forschenden in den nächsten 5 bis 10 Jahren bewältigen müssen.

XFEL, eine innovative Grossforschungsanlage soll die langfristige Zukunft des PSI sichern

Grossprojekte wie die SLS oder die SINQ brauchen bis zur Inbetriebnahme Planungs- und Realisierungszeiten von 10 Jahren und mehr. Wenn dem PSI auch noch in 10 bis 15 Jahren international ein Spitzenplatz im Wissenschaftsumfeld zukommen soll, muss heute die langfristige Zukunft geplant werden, meint Martin Jermann, derzeit Interimsdirektor am PSI. Neuartige Ideen zur Realisierung einer Forschungsanlage, die Röntgenlicht mit einer Helligkeit erzeugen kann, die um mehr als das Millionenfache intensiver ist als diejenige der SLS, die aber gleichzeitig kleiner und damit preiswerter ist als alle anderen derzeit für den gleichen Zweck geplanten Anlagen, verfolgt das PSI seit 2003. Letzten September haben die PSI-Forscher einen ersten Teststand errichtet, um herauszufinden, ob sich ihre Theorien in die Praxis umsetzen lassen. Dazu gehört zum Beispiel eine Elektronenquelle, die sehr kompakte Elektronenpakete erzeugt. Mit hohem elektrischem Feld werden die Elektronen effizient aus einem Metall-Atomgitter herausgeschlagen und sehr rasch gebündelt. Für einen wirkungsvollen Lasing-Prozess müssen möglichst viele Elektronen auf kleinstem Raum gebündelt werden. Die Anlage läuft seit Ende 2007 mit dem Ziel, Aufschluss über die Qualität des Elektronenstrahls zu geben. Ein weiterer Schritt des PSI-XFEL-Konzepts ist die Kompression des Elektronenpakets zu höheren Dichten. Dieser Baustein soll den Laserstrahl verstärken. Dafür sind spezielle Beschleunigungseinheiten (Zwei-Frequenzen-Kavität) notwendig. Dieses Element wurde bereits entwickelt und wird in diesem Jahr in die Testanlage integriert.

Falls unsere kühnen Ideen sich als realisierbar herausstellen und das Projekt für den Bau eines kompakten X-ray Free Electron Laser (PSI-XFEL) umgesetzt werden kann, wird das PSI Mitte des kommenden Jahrzehnts eine Maschine in Betrieb nehmen können, die es ermöglicht, zeitaufgelöste Strukturen in Biologie, Chemie und Physik zu untersuchen wie es bisher unmöglich war, ist Jermann, der das PSI schon seit seiner Gründung begleitet, überzeugt und fügt hinzu: Aus Erfahrung wissen wir, dass aus solchen Grossprojekten langfristig Anwendungen resultieren, die im Zeitpunkt der Realisierung nicht abschätzbar waren und die von hoher gesellschaftlicher Relevanz sein können. Als Beispiel für eine solche Errungenschaft nennt er die heutige Protonentherapie am PSI, welche beim Bau des Protonenbeschleunigers vor 35 Jahren zum Zwecke der physikalischen Grundlagenforschung überhaupt nicht absehbar war.

Das PSI hofft, mit solchen Spitzenprojekten auf internationalem Niveau gegenüber der Konkurrenz einen Vorsprung zu erzielen, welcher der Wissenschaftsgemeinschaft in der Schweiz ganz neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnet und die Innovationskraft der schweizerischen Wirtschaft unterstützt.


Über das Paul Scherrer Institut

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1300 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 260 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

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