Magnetisierte Bereiche in 3D sichtbar gemacht

Magnetisierbare Materialien sind nie völlig unmagnetisch, sondern enthalten immer magnetisierte Bereiche – die so genannten magnetischen Domänen. In einem Experiment, das am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) durchgeführt worden ist, konnten diese Domänen erstmals in ihrer dreidimensionalen Struktur abgebildet werden. Dabei haben die Forschenden den untersuchten Kristall mit Neutronen durchleuchtet – Teilchen, die Einblicke in magnetische Strukturen liefern. Der Versuch beruhte auf einer Weiterentwicklung eines am Paul Scherrer Institut entstanden Verfahrens und nutzte neutronenoptische Komponenten, die am PSI hergestellt worden sind. Ein grundsätzliches Verständnis für das Verhalten magnetischer Domänen ist wesentlich für die Weiterentwicklung der vielfach eingesetzten magnetischen Materialien – von Computerfestplatten bis zu Elektromagneten. Die Ergebnisse sind am 23. November in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.

Die magnetischen Domänen wie sie am Computer sichtbar gemacht worden sind. Copyright: Manke,Grothausmann/HZB
Nutzungsrecht: Verwendung für Journalisten frei im Zusammenhang mit der Pressemitteilung vom 24.11.2010 und unter Angabe der Quelle
Christian David und Christian Grünzweig, die beteiligten PSI-Forscher. PSI/M. Fischer
Ein am PSI hergestelltes feines Gitter wie es für die Experimente zur Visualisierung der magnetischen Domänen. Der Regenbogen entsteht durch Brechung von Licht an den feinen Strukturen des Gitters. PSI/M. Fischer
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Manche Atome verhalten sich wie winzige Stabmagnete – sie haben ein magnetisches Moment, sagen die Physiker. Es ist die Anordnung dieser Momente, die die magnetischen Eigenschaften eines Materials bestimmt. Sind diese Momente alle gleich ausgerichtet, addiert sich ihre magnetische Wirkung und das ganze Material ist magnetisch. Doch auch wenn ein magnetisierbares Material gerade nicht magnetisch erscheint, sind die Momente meist nicht völlig durcheinander, sondern in kleinen Bereichen geordnet – den magnetischen Domänen.

Die Existenz der Domänen ist schon vor mehr als 100 Jahren vorausgesagt worden ist. Ihr Verhalten spiegelt physikalische Gesetze wider und bestimmt die Eigenschaften von technischen Geräten. Und dennoch war es bis vor Kurzem nicht möglich, in einem realen magnetischen Werkstoff die Domänen in ihrer ganzen dreidimensionalen Struktur sichtbar zu machen. Dies ist nun Forschenden des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) gelungen. Sie haben einen Kristall aus einer Eisen-Silizium-Legierung mit einem Neutronenstrahl „durchleuchtet“ und damit ein dreidimensionales Bild der Anordnung der magnetischen Domänen erzeugen können. Neutronen sind für solche Untersuchungen besonders geeignet. Zum einen dringen sie tief in Materialien ein und machen so das Innere auch von grösseren Objekten sichtbar. Zum anderen tragen Neutronen selbst ein magnetisches Moment, verhalten sich also wie winzige Kompassnadeln, so dass sie auf ihrem Weg durch den untersuchten Gegenstand auch Informationen über dessen magnetische Struktur aufsammeln.

Im Detail beruht das Experiment auf der Weiterentwicklung einer Versuchsanordnung, die am Paul Scherrer Institut PSI zunächst für Untersuchungen mit Röntgenlicht entwickelt worden ist und nun auch für Neutronenexperimente genutzt wird. Dabei wird der Untersuchungsgegenstand mit Neutronen durchleuchtet. Man interessiert sich aber nicht für den Hauptsstrahl, der ein Schattenbild des Inneren des Objekts liefern würde – ähnlich wie ein Röntgenbild beim Arzt. Man betrachtet stattdessen den kleinen Teil des Neutronenstrahls, der auf seinem Weg durch das Untersuchungsobjekt von der geraden Bahn abgelenkt wird. Um diesen Anteil herauszufiltern, nutzen die Forschenden eine Anordnung von drei sehr feinen Gittern, die der Strahl passieren muss. Bei so erzeugten Bildern sind feine Details besonders deutlich sichtbar.

Dieses so genannte Dunkelfeldverfahren wurde in Neutronenexperimenten zunächst am PSI für die zweidimensionale Abbildung der Grenzen zwischen magnetischen Domänen genutzt. Dabei werden die Neutronen an den Grenzen zwischen magnetischen Domänen abgelenkt – ähnlich wie Licht an der Wasseroberfläche gebrochen wird. Die Forschenden des HZB haben mit Kollegen der deutschen Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung das Verfahren nun so weiterentwickelt, dass man damit auch die dreidimensionale Anordnung der magnetischen Domänen sichtbar machen kann.

Der verwendete Kristall aus Eisensilizium wurde am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden hergestellt. Dort hatte man zuvor theoretisch die Anordnung der Domänen vorhergesagt, welche sich dann auch in dem Versuch bestätigen liess. Das Experiment wurde an der Neutronenanlage des HZB durchgeführt, die benötigten Gitter waren am PSI hergestellt worden.

Text: Paul Piwnicki


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1400 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Christian Grünzweig, Abteilung Spallationsneutronenquelle
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz,
Telefon: +41 56 310 4662, E-Mail: christian.gruenzweig@psi.ch

Dr. Christian David, Labor für Mikro- und Nanotechnologie,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz,
Telefon: +41 56 310 3753, E-Mail: christian.david@psi.ch

Dr. Ingo Manke, Institut Angewandte Materialforschung,
Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, 14109 Berlin, Deutschland,
Telefon: +49 30 8062 42682, E-Mail: manke@helmholtz-berlin.de
Originalveröffentlichung
Three-dimensional imaging of magnetic domains
I. Manke , N. Kardjilov , R. Schäfer , A. Hilger , M. Strobl , M. Dawson , C. Grünzweig , G. Behr , M. Hentschel , C. David , A. Kupsch , A. Lange & J. Banhart
Nature Communications 1, 125 (23 November 2010)
DOI: 10.1038/ncomms1125
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