Neuer Verein bringt medizinische Praxis und Forschung zusammen

Ärztinnen und Ärzte an Aargauer Spitälern können künftig über den «Verein für medizinische Forschung und Innovation im Kanton Aargau» Forschungszeit beantragen. Für 6 bis 24 Monate können sie dann berufsbegleitend gemeinsam mit Teams an der ETH Zürich, an der Empa oder am Paul Scherrer Institut PSI forschen.

PSI-Direktor Christian Rüegg (vorne), bei der Unterzeichnung der Vereinsstatuten.
PSI-Direktor Christian Rüegg (vorne), bei der Unterzeichnung der Vereinsstatuten.
Dahinter die Vertretenden der weiteren Gründungsmitglieder (von links nach rechts):
Michael Stettler (HKA), Philipp Schütz (KSA), Tanja Zimmermann (Empa), Christian Wolfrum (ETHZ), Adrian Schmitter (KSB). © Kanton Aargau

Fortschritte in der medizinischen Forschung und Innovation profitieren von einer engen Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten einerseits sowie Forschenden andererseits. Aufgrund des zunehmenden Zeit- und Kostendrucks im Klinikalltag ist es für medizinisches Fachpersonal jedoch schwierig, sich aktiv an Forschungsprojekten zu beteiligen. Somit fehlt ihre klinische Alltagserfahrung in der akademischen Welt. Umgekehrt verzögert sich ohne die Einbindung medizinischer Fachpersonen die Aufnahme neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.

Diesem Problem begegnen drei Spitäler im Kanton Aargau und drei Institutionen des ETH-Bereichs nun gemeinsam. Am 3. Juni 2024 haben die Kantonsspital Aarau AG, die Kantonsspital Baden AG, die Hirslanden Klinik Aarau AG, die ETH Zürich, die Empa sowie das Paul Scherrer Institut PSI gemeinschaftlich den «Verein für medizinische Forschung und Innovation im Kanton Aargau» gegründet.

Künftig sollen Ärztinnen und Ärzte, die an Aargauer Spitälern vorwiegend klinisch arbeiten, über diesen Verein Forschungszeit beantragen können. Im Rahmen dieser Forschungszeit arbeiten sie dann an gemeinsamen Projekten mit Forschenden der ETH Zürich, der Empa oder dem Paul Scherrer Institut. Die Forschungszeit beziehen sie berufsbegleitend während 6 bis 24 Monaten. 

Der Verein kompensiert mit finanziellen Beiträgen die von den Spitälern ermöglichte Forschungszeit. Der Verein wiederum erhält für die ersten fünf Jahre eine einmalige Anschubfinanzierung von insgesamt 1 Million CHF von den teilnehmenden Institutionen und Spitälern (50 %) sowie vom Kanton Aargau (50 %). Damit plant der Verein jährlich fünf bis acht Anträge auf Forschungszeit zu bewilligen. Langfristig soll der Verein ausschliesslich durch Drittmittel, beispielsweise von Stiftungen oder Donationen, getragen werden.

Die Vertretenden der Gründungsmitglieder und des Kantons Aargau (von links nach rechts): Michael Stettler (HKA), Tanja Zimmermann (Empa), Christian Rüegg (PSI), Jean-Pierre Gallati (Regierungsrat Kanton Aargau), Christian Wolfrum (ETHZ), Philipp Schütz (KSA), Adrian Schmitter (KSB). © Kanton Aargau

Vielseitige Erfahrungen bündeln

«Die Stärken des ETH-Bereichs reichen von der Grundlagenforschung bis hin zur Entwicklung neuer Technologien», sagt Christian Rüegg, Direktor des Paul Scherrer Instituts. «Es ist uns immer wichtig, früh in den Kontakt mit der Praxis zu kommen. Im medizinischen Bereich brauchen wir also die konkrete Erfahrung der Fachärztinnen und -ärzte, damit sich eine neue Entwicklung bewähren kann.»

Rüegg verweist auf die bereits bestehenden, sehr erfolgreichen Kooperationen zwischen den Aargauer Spitälern und dem ETH-Bereich, darunter die Protonentherapie und der Radiopharmazie am PSI sowie die Forschungskooperation «Clinical – Research ETH@KSB» zwischen der ETH Zürich und dem Kantonsspital Baden. Auch am Kantonsspital Aarau gibt es bereits mehrere Projekte, die gemeinsam mit der ETH Zürich durchgeführt werden, wie zum Beispiel im Bereich der Robotik im Zusammenhang mit Schlaganfällen. Die Empa ist zudem im Bereich Health- und Medtech aktiv und entwickelt etwa gemeinsam mit verschiedenen Firmen medizinische Implantate sowie neuartige diagnostische und therapeutische Ansätze.

Laut den beteiligten Institutionen haben die bisherigen Kooperationen gezeigt, dass ein Bedarf an einem vertieften und breiteren Austausch besteht. Neu entwickelte Technologien und Konzepte aus den Laboratorien der beteiligten Forschungsinstitutionen schneller und effizienter in die klinische Praxis zu überführen – die sogenannten translationale Medizin – ist denn auch eines der Hauptanliegen der neuen Partnerschaft.

«Der neugegründete Verein wird neue Forschung und Entwicklungen in der Medizin bereichern und beschleunigen», ist sich auch Jürg Hans Beer sicher. Der Mediziner leitet eine Forschungsgruppe an der Universität Zürich und ist zudem klinisch am Kantonsspital Baden tätig. Im neu gegründeten Verein leitet Beer nun das Evaluationskomitee, welches die eingereichten Projekte sichtet und bewertet. «Das Ausschreibungsverfahren ist kompetitiv angelegt und wir beurteilen nach klar definierten Qualitätskriterien», erklärt Beer.

Während Kliniken eine Ausfallkompensation vom Verein erhalten, ist das Budget für die Forschungsvorhaben selbst aus anderen Quellen sicherzustellen. Die Antragsteller müssen die Finanzierung ihrer Projekte bereits bei Einreichung ihres Antrags nachweisen.

Win-win für die Forschungsinstitutionen, Spitäler und den Kanton

Der ETH-Bereich sieht den Verein als einen Baustein, sein im Strategischen Plan 2025-2028 selbstgesetztes Ziel zu verwirklichen, nämlich mit seiner Forschung zu Lösungen der grossen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen, insbesondere auch im Themenfeld Mensch und Gesundheit. Konkret wird der durch den Verein geförderte Austausch helfen, Herausforderungen der klinischen Praxis zu identifizieren, das Wissen aus der Praxis frühzeitig in neue Entwicklungen einfliessen zu lassen sowie neue Resultate und Innovationen im klinischen Alltag zu testen. Die beteiligten Spitäler steigern durch das Angebot ihre Attraktivität als Arbeitgeber und erhalten durch das Programm besseren Zugang zu Forschungsresultaten und medizinischer Innovation. Der Kanton Aargau investiert mit dem Verein in die eigene Innovationskraft und platziert sich weiter als einer der innovativsten Kantone der Schweiz.


Text: Paul Scherrer Institut PSI/Laura Hennemann

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Paul Scherrer Institut PSI

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Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 460 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL. (Stand 06/2024)