PSI-Forscherin Helena Van Swygenhoven erhält angesehene Europäische Förderung (ERC Grant)

Gefördertes Projekt wird untersuchen, wie sich metallische Werkstoffe unter komplexer Belastung verhalten, und so Hinweise für Entwicklung verbesserter Werkstoffe liefern.

Helena Van Swygenhoven, Werkstoffforscherin am Paul Scherrer Institut und Professorin an der ETH Lausanne (EPFL), erhält einen ERC Advanced Grant. Diese angesehene Förderung des Europäischen Forschungsrates in Höhe von 2,5 Millionen Euro wird es Van Swygenhoven ermöglichen, das neues Forschungsprojekt MULTIAX zu begründen. In diesem Projekt wird sie untersuchen, was in metallischen Werkstoffen geschieht, wenn die Spannungen bei der Verformung in verschiedene Richtungen wirken oder sich während der Verformung ändern. Diese Fragen konnten mit bisher verfügbaren Methoden nicht genau geklärt werden und sind zum Beispiel für die Herstellungsprozesse von Autoteilen wichtig. Zusätzlich werden in diesem Projekt neue Verfahren entwickelt, mit denen man Werkstoffe an Grossforschungsanlagen wie der Neutronenquelle SINQ oder der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI wird untersuchen können. Diese Verfahren werden Fachleuten aus Forschung und Industrie zugänglich sein und ihnen wichtige Einsichten verschaffen, die die Entwicklung optimierter Werkstoffe ermöglichen werden.

Helena Van Swygenhoven (Foto: PSI/Markus Fischer)

Metalle werden seit Jahrtausenden verwendet und sind auch heute als Teile von Maschinen oder Autos nicht aus unserem Alltag wegzudenken. Und doch gibt es bei der Verarbeitung metallischer Werkstoffe noch viele ungeklärte Fragen, die für die industrielle Produktion relevant sind. Etwa wenn es um Verformungsmechanismen geht, die zum Beispiel wesentlich sind, wenn in einer Fabrik Autoteile aus Blech gepresst werden. Einer solchen Frage will sich das neue Projekt MULTIAX der Arbeitsgruppe von Helena Van Swygenhoven widmen: wie verhält sich ein Metall, wenn die Dehnungsrichtung plötzlich geändert wird? Und warum verhält es sich so? Solche Situationen treten häufig bei der Produktion metallischer Bauteile auf.

Metall unter Belastung auf verschieden Skalen untersuchen

Für dieses Vorhaben hat Van Swygenhoven ein ERC Grant des Europäischen Forschungsrates erhalten – eine angesehene Wissenschaftsförderung, mit der besonders herausragende Projekte unterstützt werden und die mit 2,5 Millionen Euro dotiert ist. Ziel des Forschungsprojekts wird es sein, das Verhalten des Metalls zu untersuchen, wenn es in verschiedene Richtungen gedehnt wird und sich die Pfade, entlang derer die Dehnung wirkt, verändern. Eine Besonderheit des Projekts: das Verhalten soll auf drei verschiedenen Längeskalen untersucht werden – von der kleinsten, bei der die atomares Struktur betrachtet wird, bis zur grössten, bei der ganze Metallteile untersucht werden. „Nur wenn man die Vorgänge getrennt auf den verschiedenen Skalen untersucht, kann man am Ende ein vollständiges Bild von dem bekommen, was in dem Werkstoff geschieht“, betont Van Swygenhoven. „Eine besondere Herausforderung wird sein, ein winziges Gerät zu entwickeln, mit dem man kleine Proben gezielt der entsprechenden Belastung aussetzen kann, damit man die Vorgänge auf der kleinsten Skala untersuchen kann“.

Veränderungen im Inneren live beobachten

Im Experiment sollen die Materialien gezielt belastet und gleichzeitig mit Neutronen aus der Neutronenquelle SINQ oder Synchrotronlicht aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS in situ untersucht werden. Das heisst, man kann dabei gewissermassen „live“ beobachten, wie sich die inneren Strukturen verändern. Anhand dieser Informationen werden Forschende dann Computerprogramme optimieren können, mit deren Hilfe man das Verhalten neuer metallischer Werkstoffe voraussagen kann.

Doppelter Gewinn

Die Arbeitsgruppe von Helena Van Swygenhoven hat jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet der Werkstoffforschung insbesondere bei in-situ-Untersuchungen an metallischen Werkstoffen und bei der Verknüpfung experimenteller Ergebnisse mit Computersimulationen. Aus den Fördermitteln des ERC Grants sollen insgesamt sieben Personen beschäftigt werden – zwei erfahrene Forscher als Postdoktoranden, vier Doktoranden und ein Techniker. Zwei Forschende werden sich mit Computersimulationen befassen, die übrigen die Experimente aufbauen und durchführen. Am Ende soll das Projekt einen doppelten Gewinn liefern: zum einen die Einsichten in die Vorgänge in Metallen, zum anderen neuartige Experimentiergeräte für Grossforschungsanlagen, die Forschenden von anderen wissenschaftlichen Instituten und der Industrie zur Verfügung stehen werden.

Professorin trotz Baby-Pause

Helena Van Swygenhoven ist in Belgien geboren. Sie hat in Brüssel an der Vrije Universiteit Brussel (VUB) Physik studiert. Anschliessend hat sie auf dem Gebiet der Werkstoffforschung promoviert. Sie kam 1989 in die Schweiz, wo sie zunächst ihre Forschungsarbeit unterbrach, um sich ihren beiden Kindern zu widmen. Ein Marie-Heim-Vögtlin-Stipendium des Schweizer Nationalfonds ermöglichte ihr 1991 den Wiedereinstieg in die Wissenschaft. Mittlerweile leitet Van Swygenhoven die Forschungsgruppe „Materialforschung und Simulation” am Paul Scherrer Institut und ist Professorin an der ETH Lausanne (EPFL), wo sie das neue Labor „Neutrons et Rayons X en Mécanique des Materiaux“ leitet.

Text: Paul Piwnicki


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Prof. Dr. Helena Van Swygenhoven; Forschungsgruppe Materialforschung und Simulation, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz Telefon: +41 56 310 2931; E-Mail: helena.vs@psi.ch
Weiterführende Informationen
Webseite der Forschungsgruppe: http://www.psi.ch/mss/