An der Schnittstelle

Stefan Janssen leitet das Nutzerbüro am Paul Scherrer Institut PSI. Im Interview erklärt er, warum die Grossforschungsanlagen des PSI bei externen Forschern so beliebt sind, wie er die vielen Antragstellungen bearbeitet und in welcher Weise er die Nutzer unterstützt.

Herr Janssen, jährlich kommen mehr als 2500 Forschende ans Paul Scherrer Institut PSI, um hier an den Grossforschungsanlagen zu experimentieren. Warum nehmen diese die Mühen auf sich – sie haben doch selbst Labore für ihre Experimente?

Stefan Janssen, Leiter des Nutzerbüros, nimmt externen Forschenden Organisatorisches ab, damit sie sich voll auf ihre Experimente am PSI konzentrieren können. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)
Das beeindruckende Gebäude der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS ist einer der Orte am PSI, an denen auswärtige Forscher Experimente durchführen. Das PSI beherbergt mehrere, weltweit führende Grossforschungsanlagen. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)
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Natürlich haben sie die. Die universitären Labore stossen bei vielen Experimenten jedoch an ihre Grenzen. Dann braucht es spezielle Geräte, die so aufwendig zu betreiben sind, dass einzelne Universitäten das nicht leisten können. Dafür werden Grossforschungsanlagen benötigt, wie sie das Paul Scherrer Institut betreibt.

Demnach betreibt das PSI Anlagen vor allem, damit andere daran experimentieren können? Was bietet das PSI den Forschenden, die hierherkommen?

Zunächst wird am PSI hochrangige eigene Forschung betrieben. Eine wichtige Aufgabe des Instituts ist aber tatsächlich, unsere Grossanlagen einer breiten Wissenschaftsgemeinde zur Verfügung zu stellen. Wir bieten etwa vierzig verschiedene Experimentierplätze und jeder verfügt über andere, hochspezialisierte Möglichkeiten für anspruchsvolle Experimente, die in der Regel zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen dauern können.

Sie leiten das Nutzerbüro, das anreisende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler organisatorisch bei den Experimenten unterstützt. Was ist Ihre Aufgabe?

Wir vom Nutzerbüro empfinden unsere Arbeit als Dienstleistung für die Wissenschaftler am PSI und die Nutzer, also unsere Gäste aus aller Welt. Es geht vornehmlich darum, beiden Seiten den organisatorischen Teil soweit abzunehmen, dass sie sich auf das Wesentliche, nämlich ihr Experiment, konzentrieren können.

Worum kümmern Sie sich dabei üblicherweise?

Wir sind für die Nutzer zentrale Anlaufstelle, sowohl elektronisch, telefonisch als auch persönlich vor Ort. Sie müssen hier alles vorfinden, was sie für ihr Forschungsprojekt brauchen. Die PSI-Wissenschaftler wiederum, die die Experimentierstationen für sie einrichten und betreuen, sollen sich auf diese Arbeit konzentrieren können. Wir nehmen beiden Seiten den Grossteil der Organisation ab. Das geht vom Messzeitantrag über die Bereitstellung der Zutrittsberechtigungen bis hin zum Busfahrplan oder einem Leihvelo. Etwa die Hälfte unserer Nutzer kommt aus der Schweiz, aber bei ausländischen Forschungsgruppen helfen wir zum Beispiel auch, deren Arbeitsbewilligungen zu beantragen. Wir betreiben auch ein Gästehaus für die auswärtigen Forscher. Es hat eine Auslastungsquote von fast 90 Prozent. Davon können die meisten Hotels nur träumen.

Kann jeder, der möchte, anreisen, um seine Experimente durchzuführen?

Bei weitem nicht. Wir bekommen deutlich mehr Anträge, als überhaupt Kapazitäten zur Verfügung stehen. Im Durchschnitt sind unsere Anlagen etwa zweifach überbucht. Bei manchen Experimentierplätzen, etwa der Proteinkristallographie, die auch für die Pharmaindustrie interessant ist, gibt es bis zu viermal mehr Wünsche nach Messzeit, als Kapazität zur Verfügung steht. Es gibt daher für alle Experimentierstationen ein strenges und genau geregeltes Auswahlverfahren.

Wie funktioniert dieses Auswahlverfahren?

Mehrmals im Jahr können Forschende beim Nutzerdienst elektronisch einen Antrag auf Messzeit einreichen. Wir sichten diese und verteilen sie an externe Gutachter. Jeder Antrag wird von zwei bis drei Gutachtern unabhängig voneinander auf seine wissenschaftliche Qualität hin bewertet. Anschliessend treffen sich die Gutachter am PSI und vergeben zusammen für jeden Antrag eine endgültige Note, die es erlaubt, eine Rangliste zu erstellen.

Und wer darf am Ende tatsächlich anreisen?

Die Messzeit wird streng nach dieser Rangliste zugeteilt. Wer zu weit hinten auf der Liste gelandet ist, wird diesmal leer ausgehen, kann es aber später natürlich nochmal versuchen. Falls ein Antrag allerdings auffallend schlecht aufgesetzt war, geben wir auch ein entsprechendes Feedback, wie man es beim nächsten Mal besser machen könnte. Sowieso erhalten alle Antragsteller, denen wir eine Absage erteilen, einen Kommentar, damit sie wissen, woran ihr Antrag gescheitert ist. Für Drängendes, etwa wenn ein neues hochinteressantes Material eine schnelle Veröffentlichung verlangt oder falls ein Doktorand seine Arbeit ohne eine bestimmte Messung nicht abschliessen kann, halten alle Anlagen ein kleines Zeitpolster vor.

Es werden zu jeder Deadline hunderte Anträge eingereicht. Wie können Sie eine solche Menge bewältigen?

Da bin ich sehr froh über unser Digital User Office, kurz DUO, eine Software, die mein Mitarbeiter Markus Knecht speziell für unsere Bedürfnisse am PSI entwickelt hat. Sie erleichtert unsere Arbeit sehr. DUO ist so gut, dass es mittlerweile auch schon an anderen Forschungsanlagen in aller Welt benutzt wird. Das kommt auch daher, dass wir ein sehr gutes Verhältnis zu den Nutzerbüros der anderen Grossforschungsanlagen in Europa pflegen und uns gegenseitig unterstützen.

Was kann dieses digitale User Office?

DUO hilft, den Prozess der Antragstellung sehr effizient zu begleiten. Ich mag gar nicht an die Zeiten zurückdenken, als kurz vor der Deadline jeweils hunderte Emails mit Word-Dateien kamen. Im DUO laden die interessierten Forscher ihre Messanträge selbst hoch. Wir können dann gleich die Gutachter elektronisch zuweisen. Sie geben ihre Bewertungen ein und wir benachrichtigen per DUO die Nutzer. Und das Beste: Die wissenschaftlichen Publikationen, die anhand der am PSI gewonnenen Daten entstehen, können wir auch gleich im DUO erfassen. Das ist für unsere Wissenschaftler und das Institut enorm wichtig als Nachweis für die Qualität unserer Arbeit.

Unter den Grossforschungsanlagen herrscht grosse Konkurrenz. Wie erklären Sie sich, dass die Anlagen des PSI so begehrt sind?

Die Leute schauen einerseits natürlich auf die technischen Voraussetzungen, also auf die Qualität der angebotenen Instrumente, der Probenumgebung und die Stabilität der Beschleuniger. Mindestens genauso wichtig ist aber auch die wissenschaftliche Betreuung der Nutzer durch die PSI-Mitarbeiter vor Ort. Je besser die wissenschaftliche Betreuung ist und je besser jemand seine Experimentierstation beherrscht, um das Maximum herauszuholen, desto besser sind auch die Ergebnisse. Wenn möglich wollen wir erreichen, dass in vielen Fällen eine wirklich wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Nutzern und den PSI-Forschern zustande kommt und nicht nur eine reine Betreuung des Experimentes.

Interview: Paul Scherrer Institut/Alexandra von Ascheraden

Zur Person
Stefan Janssen (50) ist Physiker und hat 1994 an der RWTH Aachen und am Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich promoviert. Seit 1995 ist er am PSI, wo er einen der Experimentierplätze an der Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ aufbaute und betreute. Seit 2004 leitet er das Nutzerbüro, seit 2010 auch das PSI-Gästehaus. Er ist verheiratet und Vater von drei Söhnen. Seine Freizeit gehört seiner Familie, seinem Labrador sowie seiner Leidenschaft, dem Fussball.