Auf der Suche nach dem kleinsten Bit

Computerfestplatten speichern Daten als lange Folge von Nullen und Einsen – und zwar magnetisch. Für immer kompaktere Speichermedien der Zukunft müssen also diese magnetischen Bereiche – die Speicherbits – immer kleiner werden. Doch wie klein kann ein Magnet überhaupt werden? Gelangt man in den Nano-Bereich, verändern sich die Eigenschaften eines Materials manchmal ganz unvorhergesehen. Frithjof Nolting ist Nanowissenschaftler am Paul Scherrer Institut PSI. Gemeinsam mit seinen Kollegen geht er alltäglichen und skurrilen Phänomenen des Nanomagnetismus nach.

Innen Vakuum, aussen Kabel und Rohre: Frithjof Noltings Experimentierkammer an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Das silbern glänzende Monster hängt an unübersichtlich vielen Drähten, Rohren und Schläuchen. Ein unförmiges Ding, das aussieht wie ein kaputter Cyborg im Krankenhaus. Doch wir befinden uns in der Halle der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI und das silberne Ding ist weder ein Cyborg noch kaputt: Es ist die Experimentierkammer von Frithjof Noltings Forschungsgruppe.

Zu untersuchende Materialien, die in diese silbrige Vakuumkammer hineinkommen, werden dem starken Röntgenlicht der SLS ausgesetzt. Manchmal auch noch gleichzeitig einem ultrakurzen, intensiven Laserpuls. Das Röntgenlicht macht die Magnetisierung kleinster Partikel sichtbar – und darum geht es Nolting. Und was den Laserstrahl angeht – nun, das ist eine Spezialität Noltings. Der Physiker bezeichnet sich selbst als Nanowissenschaftler; oder genauer: Forscher im Bereich Nanomagnetismus. Ein Nanometer, das ist ein Milliardstel Meter oder auch ein Millionstel Millimeter und entspricht ungefähr dem Durchmesser unserer DNA.

Der Begriff nano hat in der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten eine steile Karriere hingelegt. Auch in den populärwissenschaftlichen Nachrichten macht sich nano in Schlagzeilen gut, wird aber nicht ganz einheitlich verwendet. Für Nolting ist daher eine Definition wichtig: Für mich bedeutet Nanowissenschaft, dass die Eigenschaften des Materials wegen der geringen Partikelgrösse anders sind. So hat Nano-Silber antibakterielle Eigenschaften, normales Silber dagegen nicht.

Wie klein kann ein Magnet sein?

In diesem Bereich, wenn also die Grösse die Eigenschaft mitbestimmt, beginnt Noltings Forschung: Da wird es für mich spannend. Er beschäftigt sich allerdings nicht mit edlem Silber, sondern mit schnödem Eisen – denn letzteres ist magnetisch. Viele von Noltings Fragen sind dabei grundsätzlicher Natur: Wie verändern sich die magnetischen Eigenschaften eines Materials, wenn es als Nanostruktur vorliegt? Wie klein lässt sich ein Magnet machen? Und liesse sich das nutzen, um eines Tages deutlich mehr Daten auf Computerfestplatten zu speichern?

Die Computerfestplatte ist für mich ein wunderbares Beispiel für Nanotechnologie, schwärmt Nolting. Denn Festplatten sichern Information als lange Folge von Nullen und Einsen, und zwar magnetisch. Eine Null entspricht dabei der Magnetisierung eines winzigen Bereiches in die eine Richtung, eine Eins in die entgegengesetzte Richtung. Ein Magnetkopf fährt – ähnlich wie die Nadel einer Schallplatte, allerdings rasend schnell – über die Festplatte, liest die Magnetisierungsrichtung der einzelnen Bits und damit die Daten aus. Eine heute handelsübliche Festplatte mit einem Terabyte Speicherkapazität hat mehrere Billionen solcher winziger magnetischer Bits. Derselbe Magnetkopf wird auch benutzt, um die Magnetisierung gezielt zu ändern und somit Daten zu speichern.

Von kleinsten Magneten zu Speicherbits

Doch Magnetismus ist ein Gruppenphänomen. In einem magnetischen Material ist jedes einzelne Atom eine Art unendlich kleiner Magnet. Sehr viele dieser atomaren Magnete richten sich jeweils aneinander gleich aus und bilden so ein winziges magnetisches Korn – Forschende sprechen von einer magnetischen Domäne.

Jedes magnetische Material – und damit auch die Bits der Festplatte – besteht aus vielen solcher Domänen. Und es braucht eine gewisse Anzahl gleich ausgerichteter Domänen, die sich gegenseitig stabilisieren. Eine einzelne, kleine Domäne würde ständig und unkontrolliert ihre Magnetisierungsrichtung ändern, die gespeicherten Daten gingen somit verloren. Sprich: Beliebig klein kann man einen Magneten nicht machen.

Diese Grenze wollten Nolting und seine Kollegen austesten. Dafür untersuchten die Forschenden die magnetische Ausrichtung von Eisen-Nanopartikeln unterschiedlicher Grösse. Im Inneren der silbernen, unförmigen Experimentierkammer machen die Synchrotronlicht der SLS den Magnetismus sichtbar. So entsteht ein Bild der Probe, auf dem das Material weiss erscheint, wenn es in die eine Richtung magnetisiert ist, und schwarz, wenn die Magnetisierung in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Ihre Eisen-Nanopartikel, auf einer Oberfläche verteilt, betrachteten die Forschenden über einen gewissen Zeitraum hinweg. So in etwa müssen auch die Anfänge des Kinos ausgesehen haben: grobe Umrisse, ein verwaschenes Bild, keine Farben und natürlich kein Ton.

Was als Unterhaltung kaum taugen würde, brachte den Wissenschaftlern doch eine erstaunliche Erkenntnis. Zwar wechselten wie erwartet etliche Partikel ständig ihre Magnetisierung und erschienen darum auf den Bildern grau – eben als Mischung aus schwarz und weiss. Andere Partikel jedoch blieben über mehrere Minuten hinweg stabil: entweder schwarz oder weiss. Und noch überraschender: Dieses Ergebnis war unabhängig von der Grösse der Nanoteilchen, die zwischen 8 und 20 Nanometer im Durchmesser betrug. Selbst, wenn ein Nanopartikel aus einer einzelnen Domäne besteht – dies ist ungefähr unterhalb von 12 Nanometern der Fall – kann es also in einen Zustand geraten, in dem seine Magnetisierung aus bisher ungeklärten Gründen für eine Weile stabil ist. Dennoch: Wirklich auf Dauer liessen sich damit erst einmal keine Daten speichern.

Frithjof Nolting leitet das Labor für Synchrotron-Strahlung – Physik der kondensierten Materie am PSI. Sein Spezialgebiet ist der Nanomagnetismus. (Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)

Kleinere Bits müssen stabiler sein

Der nächste konsequente Schritt für kleinere Bits wäre demnach ein magnetisch beständigeres, stabileres Material. Solche Materialien nennt man magnetisch härter. Die magnetische Härte jedes Materials lässt sich bestimmen.

Zunächst experimentierten Nolting und seine Kollegen mit einer Legierung aus Eisen, Gadolinium und Cobalt. Dies ist zwar magnetisch weicher als reines Eisen, bietet jedoch interessante Möglichkeiten. Im Eisen-Gadolinium-Cobalt gibt das starke magnetische Moment des Eisens die magnetische Ausrichtung des gesamten Bits vor. Das Gadolinium hat eine schwache gegenläufige Magnetisierungsrichtung. Zusammen bestimmt dieses System die besonderen magnetischen Eigenschaften von Eisen-Gadolinium-Cobalt.

Aus diesem Material fertigten die Forschenden am PSI kleinste, flache Quadrate in regelmässiger Anordnung auf einem glatten Untergrund. Die Quadrate waren noch nicht ganz im Bereich von Nanometern, aber mit Mikrometer-grossen Quadraten liess sich gut experimentieren.

Stabilere Magnetisierung erfordert stärkere Schaltung

Um die Magnetisierung von magnetisch härteren Bits gezielt zu schalten, braucht es ein stärkeres Mittel als den Magnetkopf einer handelsüblichen Festplatte. Also wollten Nolting und seine Kollegen alternative Methoden testen. Und die Mikro-Quadrate waren ihre ersten Versuchstiere.

Hier kommt nun der bereits erwähnte Laser ins Spiel. Denn Nolting und seine Kollegen stiessen auf ein Forschungsergebnis aus dem Jahr 2007: Wissenschaftler aus den Niederlanden und Japan hatten gezeigt, dass sich auch mit Licht die Magnetisierung ändern lässt, konkret mit kurzen Pulsen von zirkular polarisiertem Laserlicht. Bei solchem Licht dreht sich die Polarisation, also die Richtung des elektrischen Lichtfeldes, ständig im Kreis.

Nolting und seine Arbeitsgruppe versuchten zunächst, das Ergebnis der Niederländer und Japaner nachzubauen. Zirkular polarisiertes Licht lässt sich zwar relativ einfach erhalten, ist aber im Experiment komplex zu handhaben. Weil wir von den Schwierigkeiten frustriert waren, haben wir halb im Spass einmal normal polarisierte Laserpulse auf unsere Probe geschossen, erzählt Nolting. Die grosse Überraschung: Auch damit gelang das Experiment, das heisst, die magnetische Ausrichtung der Probe liess sich gezielt ändern.

Schalten mit dem Laserpuls

Da musste ein neues Erklärungsmodell her. Nolting und seine Kollegen lieferten ein solches – wenngleich es wissenschaftlich noch nicht ganz vollständig ist. Ihre vorläufige Erklärung lautet: Der Effekt ist ein Zusammenspiel des speziellen Materials Eisen-Gadolinium-Cobalt, aus dem Noltings Mikro-Strukturen sind, und der Verwendung von einem ultrakurzen Laserpuls. Letzterer heizt das Material extrem schnell auf. Die Hitze leitet ein Umklappen der Magnetisierung ein: Im Zusammenspiel der drei Metalle wechselt zunächst das Eisen etwas schneller seine Magnetisierung als das Gadolinium und kippt seine Magnetisierung um. Da im Grundzustand die beiden gegenläufig magnetisiert sind, sind sie also nach Eintreffen des Laserpulses kurzzeitig parallel ausgerichtet. Um den stabileren Grundzustand wieder zu erreichen, kippt nun schliesslich die Magnetisierung des Gadoliniums um. Und weil die Magnetisierung des Eisens für die Gesamtverbindung dominiert, hat sich nun die Magnetisierung der Mikro-Struktur umgekehrt – allein durch eine punktuelle, schnelle Hitze.

So jedenfalls das theoretische Modell. Aber das letzte Wort ist hier noch längst nicht gesprochen, das weiss auch Nolting und gibt zu: Ich wäre nicht überrascht, wenn die richtige Erklärung am Ende eine ganz andere wäre.

Bilder einer magnetischen Mikrostruktur - von einem Einzelbild zum nächsten wurde die Magnetisierung der zwei Mikrometer kleinen Magnete mit Hilfe eines kurzen Laserpulses umgekehrt. Dieser Prozess lässt sich beliebig oft wiederholen. Dabei steht die Farbe - schwarz oder weiss - für die Magnetisierungsrichtung (die entsprechende Richtung ist in der unteren Bildreihe angedeutet). Die Bilder wurden mit dem Röntgenmikroskop an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des Paul Scherrer Instituts aufgenommen.

Der Laserpuls hinterlässt skurrile Muster

Um der Sache auf den Grund zu gehen, gingen die Forschenden am PSI noch einen Schritt weiter: Sie wollten in Zeitlupe eine Art Film aufnehmen, während sich die Magnetisierung ihrer Mikro-Quadrate aufgrund des Laserpulses ändert.

Die Forschenden wussten, dass in ihrem Experiment der Durchmesser des Laserstrahls viel grösser war als ihre Eisen-Gadolinium-Cobalt-Quadrate; der Laserpuls würde also viele der winzigen Quadrate gleichzeitig bestrahlen.

Darum waren Nolting und seine Kollegen über das Messergebnis verblüfft: Die Magnetisierung hatte sich nicht flächendeckend in den einzelnen Mikro-Quadraten umgekehrt. Stattdessen bildeten sich innerhalb der beleuchteten Quadrate magnetische Substrukturen aus. Schwarz auf weissem Grund bedeuteten diese Muster, dass die Hitze des Laserpulses in einzelnen Teilen der winzigen Quadrate offenbar stärker aufgenommen wurde als in anderen. Skurril war zudem das Muster selbst: Es erinnerte an das Fledermaus-Logo von Batman.

Wo ein Muster ist, sind auch andere Formen möglich

Diese Laune der Natur brachte die Forschenden zum Schmunzeln. Doch tatsächlich verbirgt sich dahinter auch echte Wissenschaft. Denn wenn sich ein Fledermaus-Logo erschaffen lässt, dann sind auch andere magnetische Formen möglich; das jeweilige Muster entsteht in einem komplexen Wechselspiel aus Mikro-Struktur und Laserpuls. Das Wesentliche ist: Nur ein Teilbereich der Mikro-Struktur ändert die Magnetisierung. Damit liesse sich also nicht nur jedes einzelne Mikro-Quadrat als Speicherbit nutzen, sondern jeder Teilbereich könnte eines Tages ein Bit sein. Kurz gesagt: Daten liessen sich noch enger packen, als die Forschenden zu Beginn ihrer Experimente dachten.

Und die Wissenschaftler am PSI haben schon erste Hinweise, dass ihre Experimente nicht nur mit Mikro- sondern auch mit Nano-Strukturen funktionieren. Die Zukunft wird immer kleinere Speicherbits bringen. Und auch Nolting und das silberne Monster am PSI haben ihren Anteil daran.

Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann


Weiterführende Informationen (Medienmitteilungen)
Mit Hitze Daten speichern
Batman zeigt den Weg zu kompakter Datenspeicherung
Kontakt
Prof. Dr. Frithjof Nolting
Labor für Synchrotron-Strahlung – Physik der kondensierten Materie
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 51 11, E-Mail: frithjof.nolting@psi.ch