Bedeutung der Strukturanalyse von Biomolekülen unterstrichen

Den Nobelpreis für Chemie 2017 erhalten für die Entwicklung der Strukturanalyse von biologischen Einzelmolekülen mittels ultragekühlter Elektronenmikroskopie der Schweizer Jacques Dubochet, der Deutsche Joachim Frank und der Brite Richard Henderson. Die Preisvergabe unterstreicht die fundamentale Bedeutung der Strukturanalyse von Biomolekülen für die moderne Biologie – ein Forschungsgebiet, auf dem das Paul Scherrer Institut PSI in der Schweiz eine führende Rolle einnimmt.

Prof. Dr. Gebhard Schertler, Leiter des Forschungsbereichs Biologie und Chemie am Paul Scherrer Institut. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Bei der ultragekühlten Elektronenmikroskopie, für die der Chemienobelpreis 2017 verliehen wurde, werden zunächst mit einem Elektronenmikroskop sehr viele Bilder gleicher biologischer Moleküle erzeugt. Dabei handelt es sich meist um grosse Proteine oder Proteinkomplexe – komplexe Moleküle, die für zahllose Lebensvorgänge in unseren Zellen verantwortlich sind – oder auch um grössere Viren. In einem aufwendigen mathematischen Verfahren werden diese einzelnen Bilder dann miteinander verglichen. Dabei entsteht am Ende ein Bild, das wesentlich feinere Strukturen zeigt, als es ein einzelnes Elektronenmikroskopbild könnte. Die Auflösung wird soweit verbessert, dass sogar die Anordnung einzelner Atome in dem Molekül sichtbar wird. Entscheidend ist dabei, dass die Messungen bei sehr tiefen Temperaturen von weniger als minus 150 Grad Celsius durchgeführt werden. Dazu müssen die Moleküle mit einem speziellen Verfahren, das vom Schweizer Forscher Jacques Dubochet entwickelt wurde, in einer Wasserlösung so schockgefroren werden, dass sich keine Eiskristalle bilden.

Die Preisvergabe unterstreicht die fundamentale Bedeutung der Strukturanalyse von Biomolekülen für die moderne Biologie. Das Paul Scherrer Institut PSI hat in der Strukturbiologie schweizweit eine führende Stellung. Seit fast 20 Jahren betreibt das PSI die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, die auf dem Gebiet der Strukturanalyse von Proteinkristallen mittels Röntgenstrahlen einen Goldstandard darstellt. Seit 2016 ist der Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL in Betrieb, der im Bereich der zeitaufgelösten Strukturanalyse gegenüber allen bekannten Methoden neue Massstäbe setzt. Mit Experimenten am SwissFEL werden Forschende nicht nur den Aufbau, sondern auch die Bewegung von Proteinmolekülen im Detail untersuchen können.

Aber auch in der Strukturanalyse mittels Elektronen gibt es wichtige Aktivitäten am PSI, seit Gebhard Schertler, einst langjähriger Mitarbeiter des diesjährigen Nobelpreisträgers Richard Henderson, im Jahr 2010 Leiter des Forschungsbereichs Biologie und Chemie wurde. Schertler führt aus: Die Bedeutung der Strukturanalyse mittels Elektronen ist mir seit vielen Jahren klar, und deshalb habe ich mich für den Ausbau einer modernen Elektronenmikroskopieplattform komplementär zur Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI engagiert. Mit Takashi Ishikawa für die Elektronenmikroskopie und Jan-Pieter Abrahams für die Strukturanalyse mittels Elektronen haben wir zwei ausgewiesene Experten ans PSI holen können. Abrahams hat in den Neunzigerjahren mit Richard Henderson an der Entwicklung neuer Detektoren gearbeitet. Heute entwickelt Abrahams am PSI, zusammen mit der Universität Basel, ein neuartiges Gerät zur Strukturanalyse von Biomolekülen mittels Elektronen. Dieses wird keine Bilder von Einzelmolekülen erzeugen, wie das heutige Geräte tun, sondern Beugungsmuster, die zeigen, wie die Elektronen auf dem Weg durch das Molekül abgelenkt wurden. Diese Methode hat das Potenzial, die Qualität der Einzelmolekülanalyse in den Biowissenschaften noch einen sehr grossen Schritt weiter voranzubringen und eine neue Dimension der Strukturanalyse mittels Elektronen zu ermöglichen, erklärt Abrahams. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das Gebiet in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Wer weiss, vielleicht wird der langjährige Traum der Strukturbiologen, die Struktur von einzelnen Biomolekülen direkt in einer lebenden Zelle oder im Gewebe sichtbar zu machen, ja eines Tages auch noch verwirklicht.

Text: Paul Scherrer Institut/Gregor Cicchetti

Kontakt/Ansprechpartner
Prof. Dr. Gebhard Schertler, Leiter des Forschungsbereichs Biologie und Chemie,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 42 65; E-Mail: gebhard.schertler@psi.ch

Prof. Dr. Jan Pieter Abrahams, Leiter des Labors für Biomolekulare Forschung
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 46 12; E-Mail: jan-pieter.abrahams@psi.ch

Dr. Gregor Cicchetti, Scientific Relations Manager,
Forschungsbereich Biologie und Chemie, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 53 82; E-Mail: gregor.cicchetti@psi.ch