Interview mit Bruce Patterson
Herr Patterson, Sie loten aus, welche Experimente die zukünftigen Nutzer am SwissFEL durchführen wollen und schauen mit den Beschleunigerexperten, was technisch möglich ist. Kein einfacher Job, könnte man sich vorstellen.
Ich finde, ich hab den besten Job am PSI. Schliesslich darf ich mich in der Ideenküche austoben. Ich erfahre sehr viel Unterstützung, auch vom Management. Und wenn es ein Problem zu lösen gibt, findet man hier am Institut garantiert jemanden, der einem weiterhilft. Am PSI gibt es die kritische Masse an hoch qualifizierten, motivierten Leuten.
Was ist für Sie das Spezielle am SwissFEL?
Der Sprung von der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, die wir seit gut einem Jahrzehnt am PSI mit grossem Erfolg betreiben, zum Röntgenlaser SwissFEL ist etwa so gross wie der vom Röntgenapparat, den Wilhelm Conrad Röntgen 1899 gebaut hat, zur SLS. Das ist ein Sprung an Intensität, der eigentlich ungeheuerlich ist. Der SwissFEL wird wie eine unvorstellbar präzise Schweizer Uhr sein. Die Röntgenlichtpulse, die er erzeugen wird, werden so ausserordentlich kurz und exakt sein, dass man chemische Reaktionen oder magnetische Vorgänge im Nanometerbereich zeitaufgelöst wird verfolgen können.
Woher bekommen Sie die Ideen für die Anwendungsmöglichkeiten des SwissFEL?
Es ist eine grosse Herausforderung zu erahnen, wohin der SwissFEL uns wissenschaftlich führen wird. Ich habe monatelang im Internet gesurft. Und ich reise viel – viel zu viel. Natürlich bin ich auch fleissig am Ideenklauen. Ich schaue immer: Wer hat zu einem Thema am meisten zu sagen? Den lade ich dann ein. Am Schluss haben Wissenschaftler von 27 Institutionen ihre Inspirationen beigetragen; darunter von 9 Institutionen aus der Schweiz.
Sie sagen gern, so ein Röntgenlaser sei ein riesiger Ideengenerator.
Schon einmal die SLS zu umrunden und zu sehen, welche Experimente laufen, ist, wie sich quer durch das „Spektrum der Wissenschaft“ zu lesen. Mit dem SwissFEL haben wir plötzlich nochmals ganz andere Möglichkeiten. Es braucht genug gut ausgebildete Leute am selben Ort, dann sprudeln die Ideen. Ein Projekt wie der SwissFEL, der an der Grenze des technisch Machbaren ist, führt zu völlig neuen Ideen. Es ist wie bei der Waldgrenze. Ein befreundeter Biologe hat mir erklärt, wie an dieser ökologischen Grenze Arten ihre Nische finden. Der Tannenhäher zum Beispiel kommt nur dort vor – er sammelt die Arvensamen und versteckt sie, auch oberhalb der Grenze. Da sind ihm seine Vorräte sicher.
Es geht das Gerücht von Kaffee-Gelagen zur Ideenfindung.
Ich habe regelmässig „Machine Science Coffees“ veranstaltet. Kaffee gab es da auch. Aber vor allem war es eine grosse Ideenwerkstatt in zwanglosem Umfeld. Die Projektleiter, Rafael Abela und Hans Braun, waren stets dabei. Sie schauten natürlich immer aufs Geld. Die Wissenschaftler wiederum klagten, es enge sie ein, wenn sie ständig das Budget genau im Auge behalten müssten.
Und, wer hat recht?
Ich habe es mehrmals gesehen: Wenn das Geld knapp ist, werden die Vorschläge besser, weil man nochmals neu nachdenken muss.
Wenn die Ideen fliessen – wie prüft man sie auf Machbarkeit?
Wir müssen immer schauen: Ist die Technik des SwissFEL für die vorgeschlagene Anwendung geeignet? Passen die Anforderungen zueinander? Könnte der SwissFEL hierfür nützlich sein? Wenn nicht – was könnte man tun, damit er es wird?
Es gab auch eine Reihe von Workshops, bei denen Sie zum Postersammler wurden.
Ja, dazu habe ich immer eine Reihe Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eingeladen. Alle mussten ein Poster mitbringen, wie Forschende sie anfertigen, um ihre Ideen auf Konferenzen zu präsentieren. Die Poster habe ich alle einbehalten. Wenn jemals jemand kommt und fragt, warum man für den SwissFEL einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen soll, kann ich die alle ausrollen. Da ist so viel Potenzial für Experimente, das muss einfach überzeugen.
Welche Fragestellungen haben sich herauskristallisiert?
Es wird drei grosse sehr anwendungsbezogene Themen am SwissFEL geben: IT, Gesundheit und Katalyse. Wir können mit unserer Forschung beitragen, schnellere Computer zu machen. Wir können helfen, die Dynamik und Struktur von Biomolekülen zu bestimmen, die für neue Medikamente benötigt werden. Und dann wäre da noch die Katalyse.
Die Katalyse ist ihr erklärtes Lieblingsthema. Was versteht man darunter?
Das ist der „Tanz der Atome an der Oberfläche“. Die bekannteste Reaktion ist das Haber-Bosch-Verfahren, mit dem Ammoniak für Kunstdünger produziert wird. Geheiztes Eisen wandelt Stickstoff in Ammoniak um. Das braucht extrem viel Energie. Der Assuan-Staudamm wurde extra dafür gebaut. 40 Prozent der Weltbevölkerung werden heute dank Kunstdünger ernährt. Aber das Verfahren ist bis heute nicht vollständig verstanden. Wenn wir es besser verstehen, können wir es effizienter machen und viel Energie sparen.
Nach jahrelanger Vorbereitung wird nun endlich gebaut.
Endlich – ja. Ursprünglich haben wir ja drei Laser konzipiert und sie nach den drei Musketieren benannt. Jetzt bauen wir erst einmal Aramis. Seine Beschleunigertechnik ist technisch am schwierigsten umzusetzen. Vielleicht können wir eines Tages auch noch Athos und Porthos bauen, wenn sich der SwissFEL erst einmal bewährt hat. Wir haben den Platz für alle drei eingeplant. Vielleicht dürfen die anderen beiden eines Tages kommen.
Was wäre ihre Traumanwendung für den SwissFEL?
Das wäre der SwissFEL als Fokuszentrum Europas für künstliche Fotosynthese. Hier könnten Methoden entwickelt werden, mit denen sich Sonnenlicht direkt in chemische Energie umwandeln lässt.
Man würde also Brennstoffe mit Sonnenenergie herstellen.
Ja, ich finde die Schweiz muss in ihrer Energiestrategie weiterdenken als nur bis 2050. Was wollen wir machen, wenn wir nicht mehr einfach Kohle und Erdgas verbrennen können? Wir brauchen chemische Brennstoffe, die CO2-neutral sind. Hier könnte man sie entwickeln.
Text: Alexandra von Ascheraden