Kleiner, schneller und vor allem energieeffizienter soll die Elektronik werden. Auch in mehreren Forschungsgruppen am Paul Scherrer Institut PSI sind diese Themen präsent. Von schrittweisen Verbesserungen bis zum kompletten Umdenken – wer tüftelt derzeit woran?
Yasin Ekinci hält eine Siliziumscheibe in der Hand. Anschaulich erklärt der Leiter ad interim des PSI-Labors für Mikro- und Nanotechnologie, wie daraus Computerchips entstehen. Seit ungefähr sechzig Jahren verwenden die Hersteller dazu Fotolithografie. Das heisst, man schreibt mit Licht auf Stein
, übersetzt Ekinci: Der Stein ist ein Silizium-Wafer wie dieser hier und zum Schreiben benutzt man ultraviolettes Licht.
Um Chips mit immer dichteren Leiterbahnen und mehr Transistoren herzustellen, musste man immer kleiner schreiben. Dies wiederum geht nur, indem man zu Licht mit noch kürzerer Wellenlänge wechselt. Der Standard seit fünfzehn Jahren ist ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 193 Nanometer – ein Nanometer ist ein Millionstel eines Millimeters. Nun steht in der Chipherstellung ein Wechsel auf extrem ultraviolettes Licht (EUV) mit nur noch 13,5 Nanometer bevor. Dazu braucht es eine völlig neue Technik, zu deren Entwicklung wir einen Beitrag leisten
, sagt Ekinci. Zum besseren Verständnis holt der Fachmann aus: Bei der Chipherstellung wird das Silizium mit Fotolack beschichtet. Darauf werden die Leiterbahnen und Transistoren mit dem UV-Licht projiziert. Dann entwickelt man diese lichtempfindliche Schicht wie eine alte Fotografie.
Yasin Ekinci: Ein neuer Lack für kleinere Strukturen
Um mit extrem ultraviolettem Licht noch kleinere Strukturen herzustellen, braucht es einen neuen Fotolack. Die Firmen, die diesen entwickeln, kommen zu uns ans PSI, um ihr potenzielles Produkt zu testen: Mit EUV-Licht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS schreiben sie in ihren neuen Lack
, erzählt Ekinci und ergänzt stolz: Die bislang kleinste, mit Fotolithografie hergestellte Struktur wurde am PSI gemacht.
Der Weltrekord von Ekincis Team: Ein regelmässiges Muster aus nur 7 Nanometer breiten parallelen Linien, erzeugt mit EUV-Licht an der SLS. Das entspricht einer sechzehn Mal dichteren Anordnung der Komponenten als in heutigen Computerchips. Erste, mit EUV-Licht hergestellte Chips sollen 2019 oder 2020 auf den Markt kommen. Die EUV-Lithografie soll helfen, dass auch weiterhin das sogenannte mooresche Gesetz eingehalten werden kann: Eine Faustregel aus den 1960er-Jahren, nach der sich in der Computerbranche bislang alle ein bis zwei Jahre Kennzahlen wie die Speicherdichte und die Rechenleistung verdoppeln. Doch Fachleute sind überzeugt, dass es auf lange Sicht nicht genügen wird, einfach alles immer kleiner zu machen.
Hans Sigg: Laser auf dem Chip
Originelle Ansätze sind gefragt
, sagt daher Rolf Allenspach, Manager am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon. Zudem habe für die Chips in Mobiltelefonen und Laptops nicht mehr die Leistung oberste Priorität, sondern die Energieeffizienz. Das ist ein Paradigmenwechsel, der die Chipentwicklung verändert hat
, sagt der IBM-Forscher, der immer wieder mit PSI-Forschenden zusammenarbeitet. Allenspach betont: Es braucht das PSI. Der Forschungsplatz Schweiz profitiert stark von den hiesigen Grossforschungsanlagen und von der High-Tech-Kultur, die hervorragend ausgebildete Leute anzieht.
Es braucht das PSI. Der Forschungsplatz Schweiz profitiert stark von den hiesigen Grossforschungsanlagen und von der High-Tech-Kultur.
Eine Idee, wie sich die Kommunikation innerhalb eines Chips beschleunigen liesse, verfolgt Hans Sigg, Leiter der PSI-Forschungsgruppe für Quanten-Technologien: Wir wollen winzige Laser auf dem Chip einbauen. Damit könnte die Elektronik noch viel effizienter funktionieren, denn auch Licht kann Daten übermitteln. Es ist schnell und die Strahlen lassen sich kreuzen, was einen neuen, dichteren Aufbau der Elemente auf dem Chip ermöglicht.
In Glasfasernetzen werden Lichtsignale heute praktisch verlustfrei über lange Strecken transportiert, doch die Integration von Licht im Chip ist bisher noch nicht geglückt. Wir versuchen es unter anderem mit Germanium unter Zugspannung
, erklärt Sigg. Zieht man Germanium auseinander, kann man es zum Leuchten bringen. Allerdings funktioniert dies bis jetzt nur bei tiefen Temperaturen. Noch wissen wir nicht, ob wir erfolgreich sein werden
, meint Sigg. Aber das liegt in der Natur der Forschung.
Thorsten Schmitt: Wie Elektronen fliessen
Ähnlich sieht es auch Thorsten Schmitt: Nur wenn wir an fundamentalen Fragestellungen arbeiten, kann es neue Entdeckungen geben
, sagt der Leiter der PSI-Forschungsgruppe für Spektroskopie neuartiger Materialien. Er steht im kreisrunden Gebäude der SLS in einem Experimentierbereich, in dem der Röntgenstrahl an zwei Stationen endet – in einem komplexen, fünf Meter langen Instrument sowie in einer grossen Halbkugel. Damit konnten die Forschenden zeigen, wie sich ein Bauelement aus Galliumnitrid, das bereits in Smartphones verwendet wird, weiter verbessern lässt. Denn hier kann man in Materialien hineinblicken und den Elektronen beim Fliessen zuschauen, also Experimente am lebenden Transistor
durchführen. Schmitts Spezialgebiet sind exotische Materialien, die sich zwischen Isolator und elektrisch leitendem Metall hin- und herschalten lassen. Sie bestehen aus bestimmten Metallatomen und Sauerstoff. Solche sogenannten Übergangsmetalloxide sind gute Kandidaten für besonders verlässliche Transistoren
, sagt Schmitt.
Ekaterina Pomjakushina: Masselos durch neue Materialien
Für ihre Untersuchungen benötigen die Forschenden Materialproben höchster Qualität. Ekaterina Pomjakushina züchtet mit ihrem Team perfekte Kristalle. Die Leiterin der PSI-Forschungsgruppe für Festkörperchemie öffnet die Tür zu ihrem Labor: Hier steht unser Monster
, meint sie lachend und zeigt auf den grossen, schneeweissen Spezialofen. Dessen Inneres ist mit blitzblanken Spiegeln ausgekleidet. Der Ofen arbeitet optisch
, erklärt Pomjakushina. Das Licht einer Xenon-Lampe wird durch die Spiegel fokussiert, sodass die Temperatur 3000 Grad erreicht. Hier wachsen die Kristalle aus verschiedenen Ausgangsmaterialien heran, die zuvor in kleineren Öfen zusammengefügt wurden. Dazu braucht es neben dem chemischen Wissen viel Fingerspitzengefühl. Es ist wie in der Küche
, sagt die Wissenschaftlerin: Will man eine komplizierte Suppe zubereiten, muss man die Zutaten in der richtigen Reihenfolge in den Topf geben und am Schluss die passenden Gewürze hinzufügen. Dann erhält man etwas Wunderbares.
Was die Forschenden begeistert, wirkt unscheinbar: Ein schwarzes, mattes, wenige Zentimeter langes, dünnes Stäbchen. Pomjakushina erklärt: So sehen die meisten Kristalle aus, die wir wegen ihrer interessanten elektronischen oder magnetischen Eigenschaften züchten.
Dazu gehört auch das Material, das Pomjakushinas Mitarbeiter Pascal Puphal studiert: ein sogenanntes Weyl-Halbmetall. Darin verhalten sich die Elektronen, als ob sie keine Masse hätten – also wie Licht
, erklärt Puphal. Das wäre ideal für schnelle Transistoren. Doch der Physiker weiss: Von einer Anwendung sind wir noch weit entfernt.
Um nun die physikalischen Vorgänge besser zu verstehen, sind weitere Untersuchungen an der Neutronenquelle SINQ des PSI geplant.
Jonathan White: Skyrmionen als Bits der Zukunft
Neutronen kommen in der Natur in Atomkernen vor. An der SINQ werden sie aus Blei herausgeschlagen, abgebremst und auf Proben gelenkt. Will man Magnetismus studieren, sind Neutronen hervorragend geeignet
, sagt Christof Niedermayer, Gruppenleiter im Labor für Neutronenstreuung und Imaging. Vor allem für die Speicherung grosser Datenmengen wird es auch in Zukunft magnetische Festplatten brauchen. Darauf sind die Informationen gespeichert als Folge von kleinen Bereichen, deren Magnetisierung in die eine oder die entgegengesetzte Richtung weist – eine Reihe von Nullen und Einsen. Vielleicht werden winzige magnetische Wirbel, genannt Skyrmionen, dereinst die Rolle dieser Speicherbits übernehmen. PSI-Forscher Jonathan White beschäftigt sich intensiv mit den kleinen Strudeln und erzählt, dass kürzlich an einer Tagung auch die Industrie Interesse am Thema gezeigt habe. Derzeit sucht White nach einem Material, in dem sich auch bei Raumtemperatur deutlich kleinere Skyrmionen realisieren lassen als bisher.
Marisa Medarde: Speichern dank gekoppelter Eigenschaften
Ein anderes, aktuelles Zauberwort heisst: Multiferroika. Marisa Medarde, Leiterin der PSI-Forschungsgruppe für Physikalische Eigenschaften von Materialien, forscht an diesen besonderen Verbindungen, deren magnetische und elektrische Eigenschaften aneinandergekoppelt sind. Auf Multiferroika liessen sich daher magnetische Daten einfach mittels elektrischer Spannung speichern. Das wäre schneller und würde weniger Energie benötigen als die derzeitigen magnetischen Schreibköpfe.
Frithjof Nolting: Bits mit Laserlicht anknipsen
Oder man nutzt auch für diesen Zweck Laserlicht. Wir haben herausgefunden, dass man die magnetischen Bits auch mit einem Laserpuls umschalten kann
, sagt Frithjof Nolting, Leiter des Labors für kondensierte Materie am PSI. Der Vorteil wäre auch hier: schnelleres Speichern bei geringerem Energieverbrauch. Momentan versuchen Nolting und seine Forschungsgruppe, theoretische Vorhersagen zu bestätigen oder zu widerlegen. Als ich begann, mich für Magnetismus zu interessieren, wollte ich eigentlich nur Grundlagenforschung machen und verstehen, was auf dieser kleinen magnetischen Skala passiert
, sagt der Nanowissenschaftler: Dennoch könnte unsere Forschung nun dazu beitragen, Festplatten weiter zu verbessern.
Text: Barbara Vonarburg