Kehrichtverbrennung: Der Reinheit letzter Schluss?

Haushaltskehricht landete früher ausnahmslos unbehandelt in Deponien, die Auswirkungen dieser Praxis sind bekannt: der Standort dieser Abfall-Endlager wurde nicht selten zur ökologischen Todeszone. Mit der städtischen Kehrichtverbrennung kam eine gewisse Entschärfung dieser Problematik: Die von Deponien beanspruchten Flächen sind in den letzten Jahrzehnten trotz der insgesamt zunehmenden Abfallmengen nur dank Recycling und Abfallverbrennung in Schranken gehalten worden. Noch dazu wird in den Kehrichtverbrennungsanlagen sowohl Strom als auch Heizwärme für Haushalte und Gewerbe produziert. Doch ein Allheilmittel ist die Abfallverbrennung noch lange nicht. Einige für die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädliche Verbrennungsprodukte können nicht vollständig verbrannt werden finden immer noch den Weg über die Kehrichtverbrennungsanlagen in die Endstation Deponie.

Mohamed Tarik, Postdoktorand in der Gruppe für chemische Prozesse und Materialien im Labor für Bioenergie und Katalyse, nimmt nötige Anpassungen am Plasma-Massespektrometer vor. Bild: Paul Scherrer Institut/ Markus Fischer.

Ein Forscherteam mit Beteiligung des Paul Scherrer Instituts PSI berichtete bereits vor einem Jahr im Fachjournal Nature Nanotechnology über das Schicksal von in immer mehr Konsumgütern eingebauten Nanopartikeln, welche am Ende ihres Lebenszyklus in die Abfallverbrennung gelangen. Obwohl diese Nanopartikel bei der Verbrennung nicht in die Atmosphäre ausgestossen werden, so bleiben sie doch in den festen oder flüssigen Rückständen der Verbrennungsanlagen unzerstört bestehen und landen schliesslich in einem Abfallberg. Aus der (Um-)Welt geschafft werden sie also nicht.

Deshalb sehen PSI-Forscher Handlungsbedarf, bevor die Verbreitung nanostrukturierter Produkte, die während oder als Überrest nach der Verbrennung in die Umwelt gelangen, ein unumkehrbares Ausmass annimmt. In Zusammenarbeit mit Kollegen der ETH Zürich und der Empa gehen sie zunächst der Frage nach, wie viele Nanopartikel welcher Grösse und chemischer Zusammensetzung tatsächlich eine Kehrichtverbrennungsanlage verlassen. Denn von diesen beiden Faktoren – Grösse und Chemie – hängt die Reaktionsfreudigkeit und somit die mögliche Biotoxizität von Nanopartikeln stark ab. Insbesondere das Wissen um die chemische Zusammensetzung wird es erstmals erlauben, die Herkunft der Nanopartikel festzumachen, also ob diese aus dem ursprünglichen Abfallgut stammen oder erst während des Verbrennungsprozesses entstehen.

Was tun?

Um der Gefahr Herr zu werden, muss man sie aber erst gründlich kennen. Und über den Nanopartikel-Ausstoss von Kehrichtverbrennungsanlagen sowie von anderen Anlagen zur thermischen Aufarbeitung von Abfall ist leider noch zu wenig bekannt. In diese Richtung tun die Forscher nun die ersten Schritte. Sie bauen zurzeit ein Instrument, mit dem die Nanopartikel-Emissionen aus Verbrennungsprozessen auf ihre chemische Zusammensetzung und Grössenverteilung untersucht werden können. Messgeräte, die entweder die Grösse von Nanopartikeln (Partikelzähler) oder ihre elementaren Bestandteile (Plasma-Massespektrometer) durchleuchten, gibt es bereits lange. Nicht aber solche, die beides gleichzeitig und dazu noch in Echtzeit tun. Für ein besseres Verständnis der Bedingungen, unter denen die Nanopartikel die Verbrennung überleben, sind solche zeitaufgelösten, dynamischen Messungen, essentiell, sagt Mohamed Tarik, Postdoktorand in der PSI-Forschungsgruppe für chemische Prozesse und Materialien im Labor für Bioenergie und Katalyse. Mit der heutigen Technik sind die Messungen nur zeitversetzt möglich. In Zukunft hingegen sollen zum Beispiel in Experimenten die Betriebsparameter einer Verbrennungsanlage angepasst und der unmittelbare Effekt auf die Nanopartikel-Emissionen überwacht werden. Das Ziel der PSI-Forscher ist deshalb, die beiden heute noch getrennten Funktionen (Bestimmung der Grössenverteilung mit einem Partikelzähler und der chemischen Zusammensetzung mit einem Plasma-Massespektrometer) in einem Gerät zu vereinen (für Details siehe Kasten ganz unten.

Argon ist die neue Luft

Einige Anpassungen an bestehenden kommerziellen Instrumenten sind jedoch notwendig. So erfordert ein kommerzielles Plasma-Massespektrometer (zur Bestimmung des chemischen Spektrums) die Verwendung von Argon für die Plasmaerzeugung. Luft oder gar Sauerstoff würden das Plasma instabil machen. Für das neue Gerät bedeutet dies, dass auch das Filtern und Zählen der Partikel im Klassierer mit Argon statt Luft als Schleiergas geschehen müssen. Weil die Gasflüsse hier genau definiert sein müssen und Argon anders fliesst als Luft (unterschiedliche Viskosität), müssen ein paar Betriebsparameter angepasst werden. Zudem verlangt das Plasma-Massespektrometer eine präzise definierte Eingangsmenge an Gas, um richtig zu funktionieren. Die Forscher schalten nun deshalb einen sogenannten Rotationsverdünner vor, der diese genaue Dosierung übernimmt. Eine weitere Herausforderung stellt die Verwendung des teuren Argons. Um die Kosten in Grenzen zu halten, arbeiten die Wissenschaftler deshalb an einem Konzept zur Reduktion des Argonverbrauchs in ihrem Instrument. Argon bringt eine weitere Schwierigkeit ins Spiel: Die Spannung, die man anlegen kann, ohne dass es zum elektrischen Durschlag kommt, ist bei diesem Edelgas kleiner als bei Luft. Da man zum Filtern grösserer Partikel auch höhere Spannungen benötigt, ist mit Argon die maximale Grösse der Partikel, die man noch messen kann, ebenfalls kleiner als bei Luft. Die Forscher wollen aber Partikel aller möglichen Grössenklassen vermessen, denn nur so erhalten sie ein vollständiges Bild der potenziellen Gefährlichkeit der Verbrennungsprodukte. Sie feilen deshalb auch an Tricks, mit denen sie die Beschränkung der maximal messbaren Partikelgrösse umgehen können.

Christian Ludwig, Leiter der Gruppe für chemische Prozesse und Materialien, ist trotz dieser Herausforderungen zuversichtlich, dass der Bau eines sehr empfindlichen und genauen Messgerätes zur vollständigen Charakterisierung der Nanopartikel aus der Abfallvebrennung gelingen wird. Ein erster Prototyp sei bereits gebaut und die bisherigen Testmessungen damit machten ihm Hoffnungen. Langfristiges Ziel ist der Bau eines mobilen Instrumentes, mit dem Messungen an den Anlagen vor Ort durchgeführt werden können.

Text: Leonid Leiva

Das neue Instrument im Detail

Die Grösse zählt – stimmt die Chemie?

Das in Entwicklung befindliche Instrument soll aus der Kopplung eines Partikelzählers und eines Plasma-Massespektrometers hervorgehen. Der Partikelzähler, der nun vom Doktorierenden Adrian Hess an der Empa modifiziert wird, basiert auf einer etablierten Messtechnik und besteht wiederum aus zwei Geräten. Im ersten, dem sogenannten Partikelklassierer, werden die Nanoteilchen nach ihrer Grösse gefiltert. Dies geschieht, indem man die Aerosolpartikel in einen zylindrischen Kondensator einspeist, wo sie entlang der Aussenwand (die als positive Elektrode fungiert) fliessen. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung werden dann die geladenen Aerosolpartikel gegen die Innenwand (negative Elektrode) beschleunigt. Am oberen Ende der Innenwand befindet sich eine schmale Öffnung (Auslassschlitz), durch welche nur Partikel einer bestimmten Grösse hinaustreten können. Die Grösse der so herausgefilterten Partikel hängt direkt von der angelegten Spannung ab. Um sicherzustellen, dass die Partikel nur aufgrund der Spannung zur Innenwand gelenkt werden und durch die Öffnung gehen, wird in den Kondensator ein sogenanntes Schleiergas gefüllt, das die Aerosolschicht an der Aussenwand von der Innenwand trennt. Diese Gasschicht verhindert, dass Aerosolpartikel einfach zur Innenwand diffundieren. Als Schleiergas fungiert in der Regel Luft.

Im zweiten Teil werden die nun nach Grösse selektierten Partikel gezählt. Dazu werden die Nanopartikel einem mit Feuchte gesättigten, heissen Gas beigemischt. Durch anschliessende Kühlung wird das Gas übersättigt und kleine Tröpfchen bilden sich um die Aerosol-Nanopartikel, die hier also als Kondensationskeime dienen. Zur Detektion der Partikel verwendet man einen Laser, dessen Lichtkegel im Ausgangszustand (ohne Tröpchfenbildung) die Detektoren nicht erreicht. Erst die entstandenen Tröpchen lenken das Laserlicht so ab, dass dieses auf die Sensoren trifft. So entspricht jedem registrierten Lichtpuls ein Tröpchen und somit eine als Kondensationskeim darin befindliche Aerosolpartikel. Auf diese Art und Weise werden die Partikel einer Grössenklasse gezählt. Ein komplettes Inventar der Partikel aller möglichen Grössen erstellt man, indem man die Spannung jeweils neu einstellt und dadurch Partikel unterschliedlicher Grösse herausfiltert.

Die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Nanopartikel wird in einem ebenfalls kommerziell erhältlichen Plasma-Massespektrometer vorgenommen. Wie jedes Massespektrometer funktioniert auch dieses durch die Ablenkung von geladenen Teilchen (Ionen) in einem Magnetfeld. Die genaue Flugbahn der Ionen im Magnetfeld gibt Auskunft über deren Masse und somit über das chemische Element, aus dem sie bestehen. Das Plasma braucht man für die Erzeugung der Ionen. Hier werden nämlich einzelne Atome ionisiert, indem man das Eingangsgas auf rund 5000 bis 10000 Grad Celsius erhitzt. Die Plasma-Massespektrometrie ist eine der empfindlichsten und zuverlässigsten Methoden, um die elementare Zusammensetzung einer Aerosolprobe zu eruieren.

Kontakt / Ansprechpartner
Prof. Dr. Christian Ludwig, Leiter der Arbeitsgruppe Chemische Prozesse und Materialien, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 26 96, E-Mail: christian.ludwig@psi.ch
Originalveröffentlichung
Persistence of engineered nanoparticles in a municipal solid-waste incineration plant
Tobias Walser, Ludwig K. Limbach, Robert Brogioli, Esther Erismann, Luca Flamigni, Bodo Hattendorf, Markus Juchli, Frank Krumeich, Christian Ludwig, Karol Prikopsky, Michael Rossier, Dominik Saner, Alfred Sigg, Stefanie Hellweg, Detlef Günther & Wendelin J. Stark,
Nature Nanotechnology 7 (2012) 520–524
DOI: 10.1038/nnano.2012.64