Die WorldSkills sind die Weltmeisterschaften junger Berufstalente. Melvin Deubelbeiss, Elektroniker am Paul Scherrer Institut PSI, hat in diesem Jahr die Silbermedaille gewonnen. Der Lohn für eine akribische Vorbereitung.
Welcher Elektroniker kann von sich sagen, mal in eine voll besetzte Arena eingelaufen und dabei wie ein Fussballstar von über zehntausend Zuschauern bejubelt worden zu sein? Melvin Deubelbeiss hat genau das bei der Eröffnungszeremonie der WorldSkills 2024 im französischen Lyon Mitte September erlebt. «Es war ein unglaubliches Gefühl, zusammen mit dem Schweizer Block zu feiern. Der hat, abgesehen von den französischen Fans, definitiv am meisten Lärm gemacht.» Diesem ersten Gänsehautmoment folgte gleich der zweite, als Emmanuel Macron nur wenige Meter an Melvin vorbeilief. Der französische Staatspräsident hielt an diesem Abend eine kurze Rede.
Noch heute ist der PSI-Elektroniker erfüllt von den Eindrücken aus Lyon, als er sich in der Kategorie «Electronics» mit den Besten der Welt mass. Vier Tage dauerte der Wettbewerb – und jeden Tag gab es andere knifflige Aufgaben unter Zeitdruck zu lösen: Mit vorgegebenen Bauteilen eine Schaltung entwickeln, die Software für einen Glücksspielautomaten programmieren, einen defekten Kompass reparieren. Natürlich ging es auch um das zentrale Bauteil einer jeden elektronischen Anlage: die Leiterplatte, auf der die Anschlüsse für die Komponenten und deren Verbindungen befestigt sind. Melvin musste ein solches «Board» selbst designen und löten.
Ab aufs Podest!
Dann die Schlussfeier im Lyoner Fussballstadion. Hunderte Elektroniker, App-Entwicklerinnen, Kälte- und Klimatechniker, Mechatronikerinnen und Ingenieure aus aller Welt wuselten aufgeregt umher – gleich würde die Siegerehrung beginnen. Plötzlich nahm die Leiterin des 45-köpfigen Schweizer Teams Melvin zur Seite: Er solle sich bereithalten! «Und dann ging alles ganz schnell: Ich stand auf dem Podest und bekam die Silbermedaille überreicht.» Zweiter Platz bei den WorldSkills – ein grossartiger Erfolg!
Dieser war das Ergebnis harter Arbeit. Im November 2023 hatte die Vorbereitung begonnen, zehn Monate vor Lyon. Melvin trainierte mit einem vorgegebenen Leiterplattenlayout-Tool, einer Software, mit welcher man Leiterplatten layouten kann, und schrieb serienweise Karteikarten mit elektronischen Schaltungen, die er auswendig lernte, oft inklusive Formeln. Denn bei den WorldSkills geht es streng zu: Die Kandidatinnen und Kandidaten dürfen keine Formelsammlungen oder Code-Beispiele dabeihaben, alles muss im Kopf abgespeichert und schnell abrufbar sein.
Fachlich und mental top sein
Zur Vorbereitung gehörten auch die Medienschulungen von SwissSkills, die Stiftung der Schweizer Berufsmeisterschaften, und die von SwissMEM, dem Verband der Schweizer Tech-Industrie, organisierten Vorbereitungstests. Zwischendurch ging es auf Reisen, wie die Teilnahme an internationalen Trainings in China und Wien. Programmieren übte Melvin auch – denn sauberen Code schreiben gehört zum Elektronikerhandwerk wie geschicktes Hantieren mit dem Lötkolben. Hilfe dabei kam speziell von Mario Liechti, am PSI ausgebildeter Silbermedaillengewinner bei den WorldSkills von 2022. «Es war beruhigend, mit jedem denkbaren Problem zu ihm kommen zu können.» Grossen Anteil am Erfolg hat auch der Berner Elektroniker Markus Lempen, der Melvin von SwissMEM als Experte und Berater zur Seite gestellt worden war.
Für den Erfolg brauchte es diese akribische fachliche Vorbereitung, blickt Melvin zurück. «So tankst du Selbstvertrauen und erarbeitest dir das Gefühl, jede Aufgabe meistern zu können.» Neben dem Knowhow, dem Verinnerlichen von Abläufen, war aber auch eine gute Portion mentale Stärke gefragt – und dafür waren die Sitzungen mit einer Mentaltrainerin da. «Solch ein Wettkampf ist ja eine ganz spezielle Situation. Da muss ich das Drumherum komplett ausblenden und mich ganz auf meine Aufgabe konzentrieren können. Das habe ich trainiert – und es hat geklappt.»
Melvins Fazit? Er kann jeder und jedem nur empfehlen, bei einem solchen internationalen Event mitzumachen. Das letzte knappe Jahr sei eine strenge Zeit gewesen, aber auch eine schöne. «Die Teilnahme an solchen Events öffnet einem Türen und gibt der eigenen Karriere einen Boost.»
Kommunikatives Testmodul
Nach all den Strapazen und grossen Gefühlen ist wieder Alltag eingekehrt und Melvin geht seiner Arbeit in der Gruppe Elektronik für Messsysteme am PSI nach. Sein Spezialgebiet sind automatisierte Tests von Leiterplatten. Er baut Module, mit denen sich prüfen lässt, ob diese auch wirklich ihre Aufgabe erfüllen. Ob beispielsweise die Signale in der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS wie vorgesehen verarbeitet und gesteuert werden.
Ein Testmodul, das Melvin vor Lyon gelayoutet, programmiert und gelötet hat, gehört zum Typ QSFP – Quad Small Form Factor Pluggable – eine Art spezieller Sendeempfänger, welcher zum Verbinden von Netzwerkgeräten über Kupfer- oder Glasfaserkabel verwendet wird. QSFPs haben vier Highspeed-Kanäle, und jeder dieser Kanäle kann unabhängig Daten übertragen und empfangen. Die Tests damit laufen dann so ab: Der Prozessor in der Leiterplatte, das Gehirn der ganzen Anlage, kommuniziert mit den Aktoren und Sensoren, die Melvin auf das QSFP-Modul draufgesetzt hat. «So bekommen wir schnell heraus, ob alles richtig funktioniert.»
Melvin wird auch in Zukunft Module zum Testen von Leiterplatten bauen, die in Experimentieranlagen eingesetzt werden. «Daran können sich die Forschenden dann richtig austoben.» Neben dem Löten und Programmieren betreut Melvin jeweils im Frühlingssemester auch Lernende im 3. oder 4. Lehrjahr. Diese können bei ihren Projekten den einen oder anderen Tipp gut gebrauchen.
Was in seinem Beruf die Hauptmotivation für den frischgebackenen Silbermedaillengewinner von Lyon ist? Kurze und klare Antwort: «Ich möchte Spass an der Arbeit haben.»
Weitere Informationen
Melvin kannte schon vor Lyon das Gefühl, im Rampenlicht stehend den Lötkolben anzusetzen. Er hatte dreimal bei den SwissSkills mitgemacht – und 2022 sowie auch 2023 gewonnen.