Christian Wäckerlin hat schon einmal am PSI gearbeitet: Während seiner Masterarbeit und Promotion. Nach drei weiteren beruflichen Stationen ist er dank eines Eccellenza-Forschungsstipendiums des Schweizerischen Nationalfonds seit Anfang 2023 zurück am PSI und wird neuartige molekulare Ketten untersuchen. Es ist Grundlagenforschung zur Frage, ob diese metallorganischen Nanodrähte möglicherweise in einer zukünftigen Elektronik eingesetzt werden können.
Herr Wäckerlin, was für ein Gerät ist das hier?
Es ist ein scanning probe microscope
, zu Deutsch: ein Rastersondenmikroskop. Es liefert uns hochauflösende Bilder einer Probe, indem eine extrem feine Spitze Linie für Linie die Oberfläche abrastert und dabei feinste Höhenunterschiede feststellt. Mit dieser Art Mikroskop ist es seit etwa zehn Jahren möglich, Moleküle, die auf einer ansonsten glatten Oberfläche liegen, so genau abzubilden, dass man die Position der einzelnen Atome erkennt. Man kann also Chemie direkt sehen. Das ist schon faszinierend. Wir nutzen nun unser Rastersondenmikroskop, um sogenannte Molekülketten anzuschauen und dabei ihre elektronischen Eigenschaften zu vermessen.
Was sind diese Molekülketten?
Es sind im Grunde sehr lange Moleküle, bei denen sich eine bestimmte Anordnung von Atomen ständig wiederholt; ähnlich wie wenn Perlen eine Kette bilden. Unsere Molekülketten sind metallorganisch. Das heisst: Die sich wiederholende Einheit ist zusammengesetzt aus Metall-Atomen sowie Kohlenstoff-Atomen. Wir sind weltweit eine der Gruppen, die vorne dabei sind, solche molekularen Ketten herzustellen.
Und Sie haben nun ein Eccellenza-Stipendium für fünf Jahre erhalten, um diese Molekülketten zu untersuchen. Was verspricht man sich davon?
Wir haben mit diesem Stipendium die Möglichkeit, ganz ergebnisoffen zu forschen. Wir wollen diese Molekülketten, diese Nanodrähte charakterisieren, am besten bis zum letzten Atom. Wir können einerseits die Ketten auf der Oberfläche abbilden. Wir können aber auch das eine Ende mit der Rasterspitze aufheben. Dann hängt da eine vielleicht 50 Nanometer kurze Kette an der Spitze und berührt mit ihrem unteren Ende die Oberfläche. Wenn wir schliesslich eine elektrische Spannung anlegen, sehen wir, ob unsere Molekülkette elektrisch leitend ist oder elektrisch isolierend. Das sind fundamentale Untersuchungen, die für grosse Objekte schon längst gemacht und geklärt sind, aber in der Nanowelt eben noch nicht. Beispielsweise kann man bei Kupferdrähten und Magneten, die wir aus dem Alltag kennen, die elektrischen und magnetischen Eigenschaften noch sauber getrennt untersuchen. Wenn man aber hinunter auf die Ebene der einzelnen Atome geht, ist das miteinander verwoben und beeinflusst sich gegenseitig.
Also alles reine Grundlagenforschung?
Einerseits ja, aber andererseits gehen wir damit durchaus der Frage nach, ob diese Molekülketten das Potenzial haben, eine Rolle in einer neuartigen Elektronik der Zukunft zu spielen. Das Schöne ist, dass wir heutzutage die Chemie für die Herstellung dieser Ketten sehr gut beherrschen. Wir können wie beim Lego die Bausteine aneinandersetzen und vorhersagen, wie die Kette am Ende aussehen wird. Wir können verschiedene metallische Atome einsetzen: Kobalt, Nickel, Eisen und so weiter. Wir können kontrollieren, wie viele Metallatome in den Perlen
der Kette sitzen und dann vermessen, welche Auswirkungen das auf die Eigenschaften der Kette hat.
Wie kommt man von Nanoketten zur Elektronik?
Es stellt sich derzeit die Frage, ob die Elektronik der Zukunft weiterhin auf Silizium basieren muss. Es gibt da zwei grosse Trends: das eine sind Quantencomputer, ebenfalls Forschungsthema am PSI, und das andere ist die Suche nach energieeffizienterem Rechnen. Für Letzteres sucht man nach neuen Materialien oder Systemen zur Informationsverarbeitung. In dieser Hinsicht könnten unsere molekularen Ketten interessant sein.
Zuletzt war ich für ein Jahr in Prag und habe dort neue experimentelle Techniken der Rastersondenmikroskopie kennengelernt. Dort haben wir auch erste Untersuchungen mit Molekülketten gemacht und wir konnten sehen, dass sie zunächst elektrisch leitend sind. Wenn man dann aber Licht darauf scheint, kommen sie immer wieder in einen isolierenden Zustand. Wenn man elektrischen Transport durch Licht ein- und ausschalten kann, hat man eine Basis für sogenannte optoelektronische Elemente. Nun wollen wir unter anderem herausfinden, ob verschiedene Lichtfarben unterschiedliche Einflüsse haben könnten. Und auch, wie schnell diese Schaltung in den Molekülketten passiert. In Prag hatten wir dafür nicht die richtigen Gegebenheiten. Das PSI dagegen ist für zeitaufgelöste Messungen hervorragend ausgestattet, sowohl an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS als auch am Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL. Daher freuen wir uns, hier nun dieser Frage nachzugehen.
Wer genau ist wir
?
Das Eccellenza-Stipendium finanziert nicht nur meine Stelle, die übrigens zwischen der ETH Lausanne EPFL und dem PSI aufgeteilt ist, sondern hat es mir auch erlaubt, drei Promotionsstudierende einzustellen. Ich konnte ein gutes Team finden: Einer dieser Doktoranden ist Chemiker, der nun Oberflächenforschung machen möchte. Der zweite ist Physiker mit einer Affinität für Computer. Und die dritte Doktorandin ist ebenfalls ursprünglich Chemikerin, aber mit Fokus auf Magnetismus, sodass sie zwischen der Physik und der Chemie zu Hause ist. Und ich selber bin ein bisschen gar nichts (lacht).
Das nehme ich Ihnen nicht ganz ab.
Ursprünglich habe ich in Basel Nanowissenschaften studiert, das beinhaltete Physik, Chemie und auch Biologie. Denn gerade in der Nanowelt ist es oft hilfreich, diese nicht als getrennte Bereiche zu betrachten.
Meine Master- und die Doktorarbeit habe ich dann am PSI gemacht und bin hier zu den Molekülen auf Oberflächen gekommen. Als kleines Seitenprojekt haben wir damals schon angefangen, metallorganische Nanosysteme chemisch herzustellen. Wir waren da eine der ersten Gruppen, die das gemacht haben, sozusagen in der Steinzeit dieses Forschungsfeldes.
Anschliessend bin ich an die EPFL gegangen, wo wir den Magnetismus von metallorganischen Systemen untersucht haben und der Frage nachgegangen sind, ob ein einzelnes Atom ein stabiles magnetisches Speicher-Bit sein könnte. Wir haben gezeigt, dass das prinzipiell geht – aber nur bei extrem tiefen Temperaturen.
Danach bin ich an die Forschungsanstalt Empa gegangen, die wie die EPFL eine Schwesterninstitution des PSI im ETH-Bereich ist. An der Empa haben wir uns die chemische Synthese von organischen und anorganischen Nanomaterialien auf Oberflächen angeschaut. Und schliesslich kam mein Jahr in Prag.
Also können Sie doch etwas.
Ja, ich habe jetzt sozusagen alle Puzzleteile zusammen, um dieses fünfjährige Projekt anzugehen. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass die drei Promovierenden, die ich gefunden habe, jeweils einen anderen Hintergrund haben als ich und daher aus anderen Richtungen auf die Dinge schauen. Genau das wollte ich und darum freue ich mich sehr auf diese Zusammenarbeit.
Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann
Kontakt
Dr. Christian Wäckerlin
Forschungsgruppe für molekulare Nanowissenschaft
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 52 44, E-Mail: christian.waeckerlin@psi.ch [Deutsch, Englisch, Französisch]
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