Neutronen und Synchrotronlicht helfen bronzezeitliche Arbeitstechniken zu entschlüsseln

Kongress zu Antiken Bronzen tagt am PSI

Vor fast vier Tausend Jahren wurde in der Nähe des Thuner Sees einem Verstorbenen ein geschmücktes Beil ins Grab gelegt – eine in dieser Gegend und Zeit einzigartige Arbeit, aus Bronze und Kupfer gearbeitet und mit Gold geschmückt. Untersuchungen am Paul Scherrer Institut haben es nun möglich gemacht, zu bestimmen, wie das Beil hergestellt worden ist und so gewissermassen den bronzezeitlichen Handwerkern über die Schulter zu schauen. Zu verdanken ist das dem Verfahren der Neutronentomografie, mit der man ein genaues dreidimensionales Abbild des Inneren eines Gegenstandes erzeugen kann – ganz ohne den Gegenstand zu beschädigen. Aus den Bildern konnte man unter anderem schliessen, wie das Beil gegossen worden ist und wie die Goldverzierungen angebracht wurden. Um die Bilder zu erzeugen, hat man das Beil aus verschiedenen Richtungen mit Neutronen aus der Neutronenquelle SINQ des Paul Scherrer Instituts durchleuchtet. Dabei hat man ausgenutzt, dass Neutronen anders als Röntgenlicht gut Metalle durchdringen und so Einblicke in das Innere massiver metallischer Gegenstände erlauben. Die Untersuchungen wurden ergänzt durch Messungen mit Röntgenlicht an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des PSI, bei denen die genaue chemische Zusammensetzung an der Oberfläche des Beils bestimmt werden konnte. Die Untersuchungen wurden im Auftrag des Bernischen Historischen Museums durchgeführt. Seit einem Jahrzehnt kooperiert das PSI erfolgreich mit verschiedenen Museen und archäologischen Institutionen im In- und Ausland. Es ist ein deutliches Zeichen der etablierten Kooperation, dass der „18. Internationale Kongress über Antike Bronzen“, der vom 3. – 7. September 2013 an der Universität Zürich stattfindet, auch einen Tag am PSI tagt.

Mit Neutronentomografie erzeugte Bilder des Inneren des Bronze-Beils.
Oben – virtuelle Schnitte durch das Beil. Die Gaseinschlüsse sind als dunklere Bereiche zu sehen, die Goldverzierungen sind als helle Punkte erkennbar.
Unten – virtuelle Rekonstruktion – (a) Verteilung der Lufteinschlüsse, (b) Anordnung der Goldverzierungen.

Im Dezember 1829 wurde in der Nähe des Thuner Sees ein bronzezeitliches Grab eines Mannes entdeckt. Der Verstorbene hatte in seinem Grab reichhaltige Beigaben, darunter ein Beil, dessen Klinge auf beiden Seiten mit zwei Reihen goldener Rauten verziert war. Diese Verzierung ist für solche bronzezeitlichen Beile einmalig. Da ist klar, dass Archäologen zum einen verstehen möchten, wo und wie das Beil hergestellt wurde, dass es für sie aber zugleich undenkbar ist, das Stück zu beschädigen, um Einblick in sein Inneres zu gewinnen. So wusste man aus früheren Untersuchungen gerade einmal, dass die Klinge im Wesentlichen aus Bronze hergestellt ist, die Streifen auf denen die Goldverzierungen aufgetragen worden sind, aber aus Kupfer bestehen. Die Verzierungen selbst bestehen aus einer Legierung aus Gold und Silber, die so in der Natur vorkommt und auch unter dem Namen Elektrum bekannt ist.

Blasen liefern Hinweis auf Herstellungsverfahren

Den Blick ins Innere des Beils machten die Neutronen aus der Neutronenquelle SINQ des PSI möglich. Das Beil wurde dabei aus verschiedenen Richtungen mit Neutronen „durchleuchtet“. Jede dieser Durchleuchtungen liefert ein Radiogramm, also ein Durchleuchtungsbild ähnlich dem Röntgenbild beim Arzt. Aus der Gesamtheit dieser Bilder lässt sich dann die gesamte Materialverteilung im Inneren des Beils bestimmen und in einem 3D-Bild darstellen. So konnte man sehen, dass sich im Inneren des Beils viele Blasen befinden, die zum Schaft des Beils hin immer grösser werden. Daraus kann man schliessen, dass das Beil gegossen wurde und zwar mit dem Schaft nach oben, in dem sich dabei die Blasen sammeln konnten. Unklar ist, ob die Blasen entstanden sind, weil man beim Giessen die Luft nicht erfolgreich aus dem Metall entfernt hat oder weil Wasser aus der Gussform in das Metall eingedrungen ist. Die zweite Möglichkeit wäre ein Hinweis auf ein ungewöhnliches Gussverfahren mit einer Gussform aus Lehm oder Wachs, das aber erklären würde, wie es möglich war, die feinen Rillen für die Kupferstreifen herzustellen.

Entstehung der Goldverzierungen geklärt

Mit den Neutronenuntersuchungen liess sich auch die Entstehung der Goldverzierungen klären. So zeigten die Bilder deutlich, dass die Verzierungen nur an der Oberfläche angebracht waren und nicht aus goldenen Nägeln bestanden, die durch die ganze Klinge hindurch gingen. Offenbar haben die Handwerker für die Verzierungen Löcher in die Kupferstreifen in der Klinge gebohrt und dort kleine Goldstücke hineingeklopft, die sie vorher von einem dünnen goldenen Stab abgeschnitten haben. Die Neutronenaufnahmen zeigen sogar deutlich, dass das Gold das Loch nicht vollständig ausfüllte, so dass am Boden der Löcher immer ein kleiner Hohlraum um das Gold herum blieb.

Röntgenlicht zeigt Zusammensetzung

Die chemische Zusammensetzung an der Oberfläche des Beils wurde mit Synchrotronlicht an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des PSI untersucht. Synchrotronlicht ist eine besondere Form von Röntgenlicht, die gegenüber dem Licht gewöhnlicher Röntgenlichtquellen viele Vorteile bringt – sie ist deutlich intensiver und lässt sich in ihren Eigenschaften genau an die Bedürfnisse des Experiments anpassen. In diesem Fall wollten die Forscher mit dem Synchrotronlicht nicht nur bestimmen, welche chemischen Elemente in dem Beil enthalten sind, sondern auch einzelne chemische Verbindungen nachweisen. Sie haben dazu das Beil an verschiedenen Stellen mit Synchrotronlicht beleuchtet und beobachtet, in welche Richtungen besonders viel Licht reflektiert wurde. Daraus konnten sie unter anderem die Bestandteile der Korrosionsschicht bestimmen, die sich auf der Bronze gebildet hat. Für historische Objekte ist das Verfahren in dieser Form, bei der man die Probe nicht durchleuchtet und stattdessen das Licht reflektieren lässt, neuartig. Dieses Experiment hat gezeigt, dass es bei den Untersuchungen archäologischer Objekte wichtige Informationen liefern kann.

Natur- und Geisteswissenschaften sollen sich kennenlernen

„Seit dem Jahr 2003 arbeiten wir erfolgreich mit Museen, Universitäten sowie archäologischen Ämtern zusammen und haben seither unterschiedlichste archäologische und kunsthistorische Objekte untersucht“, erklärt Eberhard Lehmann, der die Neutronentomografie am Paul Scherrer Institut leitet. Dass das PSI als Partner Respekt erworben hat zeigt sich auch darin, dass der 18. Internationale Kongress über Antike Bronzen einen ganzen Tag am PSI tagen wird. „Es ist ungewöhnlich, dass ein geisteswissenschaftlicher Kongress an einem naturwissenschaftlichen Forschungszentrum tagt. Für uns ist es eine Gelegenheit genauer zu verstehen, wie die Geisteswissenschaftler ihre Wissenschaft betreiben und welche Fragestellungen sie beschäftigen. So können wir sehen, wie wir sie mit unseren Untersuchungsmethoden unterstützen können“, betont Lehmann „Und die Kollegen bekommen Gelegenheit, zu sehen, was unsere Untersuchungsmethoden leisten können. Der eine oder andere könnte erkennen, dass er hier seine Objekte untersuchen kann.“ Daniel Grolimund, Wissenschaftler an der SLS betont: „Ein Vorteil am PSI ist, dass das Institut mehrere komplementäre Untersuchungsverfahren anbietet. So kann man mit Neutronentomografie das Innere eines Gegenstands erkunden, während Untersuchungen mit Synchrotronlicht die chemische Zusammensetzung an der Oberfläche und die Natur einer eventuellen Beschichtung zeigen.“

Text: Paul Piwnicki

Weiterführende Informationen
"Der Kriegsgott aus Oberweningen" – Artikel auf der Webseite der Universität Zürich präsentiert ein Beispiel für die Untersuchung einer antiken Bronze-Statue mit Neutronen http://www.news.uzh.ch/de/articles/2013/ein-mars-in-oberweningen-.html

Gruppe Neutronenradiographie und Aktivierung NIAG: https://www.psi.ch/niag/

Strahllinie Micro XAS an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz: https://www.psi.ch/sls/microxas/

18. Internationaler Kongress über Antike Bronzen: http://www.prehist.uzh.ch/bronzekongress2013.html
Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Eberhard Lehmann, Leiter der Gruppe Neutronenradiographie und Aktivierung,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Tel: +41 56 310 2963. E-Mail: eberhard.lehmann@psi.ch

Dr. Daniel Grolimund, Strahllinienverantwortlicher microXAS,
Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Tel: +41 56 310 4782. E-Mail: daniel.grolimund@psi.ch
Originalveröffentlichung
New insights into early bronze age damascene technique north of the Alps
Daniel Berger, Katja Hunger, Sabine Bolliger Schreyer, Daniel Grolimund, Stefan Hartmann, Jan Hovind, Felix Müller, Eberhard H Lehmann, Peter Vontobel and Marie Wörle
The Antiquaries Journal, Published online: 04 June 2013
DOI: 10.1017/S0003581513000012