Mit einem mobilen Messportal führt das PSI regelmässig Radioaktivitätskontrollen bei Lastwagen durch. Im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit sollen so herrenlose Strahlenquellen entdeckt werden. Aber auch natürlich vorkommendes radioaktives Material kann Alarm auslösen und das PSI-Team überraschen.
Soeben fährt ein Lastwagen mit Zement durch das Portal, das Udo Strauch und Rouven Philipp vom PSI in dreistündiger Arbeit im Schwerverkehrszentrum in Erstfeld installiert haben. Im mitgebrachten Transportcontainer, der nun als Büro dient, können sie auf dem Computerbildschirm verfolgen, was die Detektoren in den sechs weissen Säulen links und rechts des LKWs messen: Gammastrahlen, die von radioaktivem Material ausgehen. Weil auch die natürliche Umgebung ständig leicht strahlt, kann es durchaus sein, dass der Strahlenpegel fällt, wenn ein Lastwagen das Messportal passiert, da er die Untergrundstrahlung teilweise abschirmt. Nicht so im Fall des Zementlasters. Dieser löst Alarm aus.
«Das kommt relativ häufig vor», erklärt Udo Strauch: «Zement kann wie alle Stoffe, die aus unserer Erdkruste gewonnen werden, geringe Anteile von natürlichen, sogenannten Radionukliden enthalten, die Gammastrahlung aussenden.» Zu solchen Transportgütern zählen beispielsweise auch Gesteine wie Granit, Schotter, Mineralsand oder Düngemittel, in denen es je nach Herkunft, Verarbeitungsprozess und Menge mehr oder weniger radioaktives Material gibt. Oft sind das nur verschwindend geringe Anteile, sodass sie nicht nachweisbar wären, wäre eine Ladung nur so gross wie der Inhalt eines herkömmlichen Turnbeutels. «Wenn aber ein LKW 22 Tonnen geladen hat, wird das bei unserem Portal dann messbar», erklärt Strauch.
Weil der Portalmonitor im Container einen Alarm meldet, wird der Zementwagen gestoppt. Mit einem Handmessgerät geht der PSI-Experte ums Fahrzeug herum und kontrolliert die Ladefläche. Der Strahlungspegel ist überall gleichmässig leicht erhöht. Würde Strauch irgendwo ein deutliches Strahlungsmaximum feststellen, nähme er ein weiteres Messgerät zur Hand. Damit lässt sich feststellen, welche Radionuklide die Gammastrahlung verursachen. Der Zementlaster überschreitet die Limite für natürlich vorkommende radioaktive Materialien aber nicht. Deshalb kann der Chauffeur seine Fahrt fortsetzen. «Die Alarmmeldungen zeigen, dass unsere Messgeräte funktionieren, auch wenn die Grenzwerte für natürliche Radionuklide bei der Kontrolle solcher Ladungen bisher noch nie überschritten wurden», sagt Strauch.
Strahlender Schrott
Doch es gibt durchaus erschreckende Beispiele für bedrohliche Warentransporte. So wurden in den Häfen von Hamburg und Rotterdam seit November 2018 viermal radioaktive Quellen entdeckt, wie sie in der Medizin oder der Lebensmittelindustrie für Bestrahlungen verwendet werden. Diese Kobalt-60-Quellen sind hoch radioaktiv. Sie steckten in Containern mit Altmetall und wurden dank Mess-portalen aufgespürt, wie die Internationale Atom-energie-Organisation IAEA berichtet. In Hamburg war der strahlende, zehn Zentimeter lange Metallzylinder in einem Stoffsack verpackt. Die Altmetall-Lieferung stammte aus Westafrika. Woher die Kobalt-60-Quellen in den Niederlanden kamen, liess sich nicht eruieren. Das extrem gefährliche Material konnte glücklicherweise sicher geborgen und eingelagert werden, ohne dass jemand zu Schaden kam.
Mit Kobalt-60 kontaminierte Edelstahlprodukte tauchten Ende 2008 auch in der Schweiz auf. Offenbar war eine entsprechende Quelle in Recycling-Material geraten, das ein Schmelzwerk in Indien verarbeitet hatte. Aus dem Stahl wurden unter anderem Liftknöpfe gefertigt. «Diese musste man als radioaktiven Abfall entsorgen, da die zulässige Freigrenze überschritten wurde», erzählt Reto Linder vom Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Dieses und weitere Ereignisse, wie mögliche Importe kontaminierter Waren nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, gaben den Anlass zur Einführung periodischer Schwerpunktmessungen.» Seit 2015 werden regelmässig Kontrollen auf Radioaktivität durchgeführt. Mit der Revision der Strahlenschutzverordnung 2018 wurde das BAG mit der Organisation periodischer Schwerpunktkontrollen bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren beauftragt.
«Die Forderung basiert unter anderem auf Empfehlungen der IAEA und Richtlinien der EU», erklärt Linder. Vor allem die USA hatten wegen der Terrorgefahr darauf bestanden. Schmutzige Bomben, die radioaktives Material enthalten, könnten eine verheerende Wirkung haben. Aber auch verloren gegangene Strahlenquellen, die durch den globalen Schrotthandel irgendwo auftauchen können, bedeuten eine Gefahr für Mensch und Umwelt. «Die Wahrscheinlichkeit, dass herrenloses radioaktives Material entdeckt wird, ist sicher höher; aber auch der Schmuggel von radioaktivem Material kann nicht ausgeschlossen werden, und dessen Entdeckung ist ebenfalls ein Ziel dieser Kontrollen», sagt Linder.
Mehrmals pro Jahr installieren Udo Strauch und Rouven Philipp im Auftrag des BAG das mobile Portal an verschiedenen Standorten, wie einem Grenzübergang oder in einem Kontrollzentrum für Schwerverkehr, und führen dort während einer Woche Radioaktivitätsmessungen durch, oft unterstützt durch einen Vertreter des BAG und mit der Hilfe der Eidgenössischen Zollverwaltung (EVZ) sowie der Polizei. «Wir führen eine Risikoanalyse durch, die zeigt, wo Kontrollen am sinnvollsten sind», erklärt David Marquis von der EVZ: «Gestützt auf diese Risikoanalyse koordinieren wir die Zusammenarbeit von unserem Personal auf den Zollstellen und Grenzwachtposten mit den Partnerorganisationen PSI und BAG, und wir unterstützen die Fachleute vor Ort bei den Kontrollen, beispielsweise durch das Anhalten von Fahrzeugen.» Insgesamt beteiligte sich das PSI bisher schweizweit bei Kontrollen an fünfzehn verschiedenen Stellen, unter anderem im Schwerverkehrszentrum Erstfeld oder an den Grenz-übergängen in Basel, Chiasso und Kreuzlingen.
Tabak löste Alarm aus
Udo Strauch freut sich jeweils über die Hilfsbereitschaft und das grosse Interesse der Zoll- und Polizeibeamten. Auch mancher Lastwagenchauffeur will wissen, warum er kontrolliert und was gemessen wird. «Das ist mitunter sogar für uns überraschend», sagt Strauch. So staunte das Team, als es bei einem Alarm einen LKW kontrollierte und dabei feststellte, dass dieser Tabak geladen hatte. Das Handmessgerät zeigte an, dass Kalium-40 den Alarm ausgelöst hatte. Das Element Kalium, das für alle Organismen lebenswichtig ist, enthält dieses radioaktive Isotop von Natur aus. Die grosse Menge an getrocknetem, pflanzlichem Material, die der Tabaklaster transportierte, machte den Kalium-40-Anteil deutlich messbar. «Gefährlich ist dies allerdings nicht, jedenfalls für Nichtraucher», versichert Strauch.
Radioaktive Altlasten wie Radium, das früher vor allem in der Uhrenindustrie für Leuchtfarben verwendet wurde, sind aber durchaus eine Bedrohung. Deshalb wird nicht nur der Gütertransport auf der Strasse kontrolliert. Ab 2021 müssen zudem alle Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) und Recyclingbetriebe in der Schweiz Eingangskontrollen durchführen. Was dabei zu erwarten ist, testete das PSI-Team bei einer KVA. Rouven Philipp erinnert sich noch gut an jenen Tag im Hochsommer, als ein Kehrichtfahrzeug mit zehn Tonnen Hausmüll bei der Durchfahrt durch das mobile Messportal Alarm auslöste. «Es war unser erster Fund mit einer Überschreitung des Grenzwerts», erzählt Philipp. «Die Ladung musste abgekippt und separiert werden, um die Quelle zu lokalisieren.» Nach einer Dreiviertelstunde hatte das Team den gesuchten Abfallsack entdeckt. Das Handmessgerät zeigte an, dass die Gamma-strahlung von einem radioaktiven Stoff aus der Medizintechnik stammt. Vermutlich hatte ein Patient nach einer nuklearmedizinischen Behandlung zu Hause Hygieneartikel weggeworfen, die immer noch Rückstände des Radionuklids enthielten und eine fachgerechte Entsorgung notwendig machten.
Text: Barbara Vonarburg