Sichere Endlagerung - Untersuchung spezifisch schweizerischer Gegebenheiten

Diffusionsmessungen in Handschuhboxen

In Versuchen, die zum Teil Jahre dauern, untersuchen Forscherinnen und Forscher des PSI das Diffusionsverhalten radioaktiver Substanzen in Gesteinen. Die Gesteinsproben stammen aus 600 Metern Tiefe, aus einem Gebiet, wo ein geologisches Tiefenlager entstehen könnte. Sogar die Salzlösung, mit der das Gestein im Labor durchtränkt wird, wurde derjenigen des Flachmeeres nachgebildet, in welchem sich vor 180 Millionen Jahren das untersuchte Tongestein namens Opalinuston ablagerte. (Foto: Scanderbeg Sauer)

Radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken sowie aus Medizin, Industrie und Forschung müssen über sehr lange Zeit von der Umwelt und insbesondere dem Lebensraum der Menschen ferngehalten werden. Das Gesetz sieht dafür die Lagerung dieser Abfälle tief unter der Erdoberfläche in geologischen Tiefenlagern vor. Fachleute am PSI befassen sich seit Jahren mit wissenschaftlichen Fragen zum Sicherheitsnachweis für geologische Endlager, für welche die NAGRA (Nationale Genossenschaft für die Endlagerung radioaktiver Abfälle) zuständig ist.

Die PSI-Forschung widmet sich vor allem den physikalisch-chemischen Vorgängen in Endlagersystemen. Sie will durch standortspezifische Informationen Unsicherheiten abbauen und zu einer realistischen Beschreibung der mit der Lagerung radioaktiver Abfälle verbundenen Risiken gelangen. Es geht um Fragen der Mobilität von Radionukliden in der konkreten Endlagerumgebung, um die Mechanismen, welche die Radionuklide an Gesteinen und an Zement festhalten sowie um den Transport der Radionuklide im Gestein, in den Tiefenwässern und im Zement. Die PSI-Fachleute untersuchen dieses komplexe Verhalten in eigenen Labors und in Felslabors in der Schweiz, eines davon im Jura im Mont Terri und eines im Grimselgebiet. Sie entwickeln Modelle und testen diese in speziell ausgelegten Versuchen und suchen dabei Antworten auf die Frage, wie sie die vergleichsweise kleinräumigen und kurzzeitigen Versuche auf die grossen räumlichen und zeitlichen Dimensionen eines Endlagers hochrechnen können. Diese Forschung geschieht in enger Zusammenarbeit mit der NAGRA sowie mit Universitäten und Forschungszentren des In- und Auslands.

Sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen in der Schweiz

Wie ist es möglich, die Sicherheit eines Endlagers für radioaktives Material über Tausende oder sogar Millionen von Jahren zu garantieren und dies mit Hilfe von Messungen, die nur wenige Jahre beanspruchen? So unverständlich dies scheinen mag - für genau definierte wichtige Prozesse, kann man Aussagen über derart lange Zeiträume wissenschaftlich erstaunlich genau erarbeiten. So beispielsweise für bestimmte Tonschichten (Opalinuston), die in einem Tiefenlager als natürliche Barrieren für radioaktives Material dienen sollen. Ton hat eine komplexe Struktur: Viele hauchdünne, nur wenige Wassermoleküle umfassende Schichten und auch grössere, mit Wasser gefüllte Poren verleihen ihm die Plastizität, die zum Beispiel beim Töpfern wichtig ist (die dünnen Wasserschichten wirken als Gleitmittel). Die Wassermoleküle kleben am Ton und werden deshalb nur sehr langsam ausgetauscht. Der Transport von radioaktivem Material durch eine Tonschicht kommt daher praktisch nur durch die thermische Bewegung der Wassermoleküle und der gelösten Stoffe, also durch Diffusion zustande. Es ist verständlich, dass dieser Prozess umso schneller abläuft, je höher die Temperatur (und je grösser damit die Bewegung der Moleküle) ist und je weniger die Moleküle an der Ton-Matrix haften (chemische Eigenschaften wie pH-Wert und Art oder mineralogische Zusammensetzung des Tones sind dafür wichtig).

Am PSI haben Wissenschaftlerinnen den Transport von Wasser durch Tonproben mit zwei unabhängigen Methoden untersucht:

  1. Durch makroskopische Tracer-Messungen im Zentimeter-Massstab
  2. Durch mikroskopische Untersuchungen mit Neutronenstreuung im Nanometer-Massstab (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter)

Die makroskopische Methode verwendet als Tracer HTO, das sind Wassermoleküle, bei denen ein Wasserstoffatom H durch radioaktives Tritium T ersetzt ist. Mit einer Radioaktivitätsmessung kann dann festgestellt werden, wie schnell die Wassermoleküle durch eine 1 cm dicke Tonprobe hindurchwandern.

Bei der mikroskopischen Methode mit Neutronenstreuung schickt man einen Strahl von Neutronen auf das untersuchte Material und beobachtet, wie sich die Geschwindigkeit (und damit die Bewegungsenergie) der Neutronen auf dem Weg verändert (inelastische Neutronenstreuung). Da die Neutronen ihre Bewegungsenergie am besten auf kleine Atome (Wasserstoff) übertragen können (Analogie: Die Geschwindigkeit einer Billardkugel verändert sich bei der Reflexion an der Tischwand nicht, wohl aber beim Zusammenstoss mit einer anderen, gleich grossen Kugel), liefert die Änderung vor allem Informationen über die Bewegung der Wassermoleküle und nicht über die der Ton-Matrix.

Den Wissenschaftlerinnen ist es gelungen, die Resultate der beiden völlig unterschiedlichen Methoden, deren Längenskalen sich um den Faktor 10 Millionen unterscheiden, in Übereinstimmung mit einer beide Methoden umfassenden Modellvorstellung zu bringen. Sie konnten zusätzlich die Temperaturabhängigkeit mit tiefer liegenden physikalisch-chemischen Prinzipien in Zusammenhang bringen (Aktivierungsenergie). Diese Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Transportvorgänge durch Tonschichten und damit zu sichereren Vorhersagen für das Verhalten eines Endlagers in einem weiten Temperaturbereich und über lange Zeiträume.