Vorbereitet für den SwissFEL

Seit Jahren testen PSI-Forschende Experimentiermethoden, die am Röntgenlaser SwissFEL Einblicke in neuartige Materialien für elektronische Geräte ermöglichen werden. Mit einem besonderen Trick bringen sie dafür die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI dazu, Licht zu erzeugen, das ähnliche Eigenschaften hat, wie dasjenige des SwissFEL. So konnten die Forschenden zeigen, dass die geplanten Experimente im Grundsatz möglich sind und den Bau des entsprechenden Messplatzes am SwissFEL vorschlagen.

Gerhard Ingold und Paul Beaud bauen eine der Experimentierstationen für den SwissFEL auf. Dabei kommt ihnen die Erfahrung von Experimenten an der SLS zugute. Hier in der Laserhütte des FEMTO-Experiments an der SLS. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Am PSI entsteht derzeit der Röntgenlaser SwissFEL. Der grösste Teil der mehr als 700 Meter langen Anlage wird das besondere Licht erzeugen, in dem bisher Ungesehenes aus der Welt der Atome und Materialien sichtbar werden soll. Doch so wie der Fotograf mit einem Blitzgerät alleine keine Bilder machen kann, reicht auch den Forschenden für ihre Untersuchungen das Licht des SwissFEL nicht aus. Sie brauchen noch ein Pendant zu Fotostudio und Kamera. Am SwissFEL übernehmen diese Rollen die sogenannten Experimentierstationen. Hier durchleuchtet das Licht des SwissFEL die Materialprobe, die die Forschenden untersuchen wollen. Und ein Detektor registriert – ähnlich dem Chip einer Digitalkamera – das Licht, das von der Probe gestreut wurde und nun Informationen über ihren Aufbau in sich trägt.

Zurzeit sind am SwissFEL drei Experimentierstationen geplant. Die PSI-Physiker Gerhard Ingold und Paul Beaud sind für die Experimentierstationen ESB verantwortlich. An ihnen wollen Forschende dem Verhalten von Materialien auf den Grund gehen, die den elektronischen Geräten der Zukunft zu unerwarteten Fähigkeiten verhelfen könnten. Für ihre Aufgabe sind die beiden Forscher gut gerüstet. Schon seit 2006 führen sie zusammen mit Steven Johnson, heute Professor an der ETH Zürich, Experimente durch, die denen am SwissFEL ähneln. Und das, obwohl erst 2009 die weltweit erste mit dem SwissFEL vergleichbare Anlage in Betrieb ging. Denn mit einem Trick können sie für den Messplatz FEMTO an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI Licht erzeugen, das ähnliche Eigenschaften hat, wie dasjenige des SwissFEL.

Kurze Blitze aus der SLS

Wie der SwissFEL erzeugt auch die SLS Röntgenlicht. Doch während das SwissFEL-Licht in extrem kurzen und intensiven Blitzen aufscheinen wird, strahlt die SLS vergleichsweise lange Röntgenblitze ab. Der Trick bringt die SLS nun dazu, für den FEMTO-Messplatz Lichtblitze zu erzeugen, die zwar nicht annähernd so intensiv sind wie die des SwissFEL, aber fast genauso kurz. Damit können die Forschenden ausprobieren, was eine der Hauptaufgaben des SwissFEL sein wird: Einzelne Schritte sehr schneller Veränderungen abbilden – vergleichbar der Fotografie mit kurzer Belichtungszeit.

Wobei die kurze Belichtungszeit nur ein Teil der Herausforderung ist: Die Forschenden wollen insbesondere die allerersten Augenblicke dieser Veränderungen beobachten. Zur Illustration kann man an einen Tropfen Tinte denken, der in ein Glas Wasser fällt. Zunächst bildet die Tinte im Wasser hübsche Muster, nach einer gewissen Zeit verteilt sie sich und färbt das Wasser blau. Das geschieht noch schneller, wenn man das Wasser umrührt. Doch warum ist das so? Sind etwa die kleinen Wirbel, die der Löffel im Wasser erzeugt, dafür verantwortlich? Um das herauszubekommen hilft es, die Muster zu fotografieren. Dafür braucht man natürlich eine kurze Belichtungszeit, damit die Bilder nicht verwaschen erscheinen. Und eine ganze Serie von Fotos: das erste, aufgenommen kurz nachdem der Tropfen ins Wasser gefallen ist, die nächsten in kurzen Zeitabständen, sodass genau sichtbar wird, wie sich die Wirbel entwickeln.

Am FEMTO-Messplatz und an der Experimentierstation ESB ist das Prinzip des Experiments ähnlich, auch wenn die Zeiten, um die es geht, billionenmal kürzer sind, und die Forschenden sich nicht für Tintentropfen interessieren. Ihr Interesse gilt etwa den Phasenübergängen, bei denen sich die Eigenschaften eines Materials unter äusserem Einfluss fundamental verändern. Zum Beispiel gibt es Materialien, die zunächst keinen Strom leiten, aber zu einem Metall werden, wenn man sie erwärmt. Ein solches Material könnte in elektronischen Geräten als Schalter dienen – der Strom würde durch Erwärmung eingeschaltet, erklärt Paul Beaud. Doch Erwärmen ist nicht der einzige Weg, diese Veränderung herbeizuführen. Je stärker das Material erwärmt wird, umso heftiger bewegen sich die atomaren Bausteine in seinem Inneren. Diese scheinbar chaotische Bewegung ist in Wirklichkeit eine Kombination aus sehr vielen verschiedenen Bewegungsformen – die Fachleute sprechen hier von Moden.

Veränderung gezielt anregen

Für die Veränderung vom Isolator zum Metall ist aber womöglich nur eine einzelne Mode verantwortlich. Um zu untersuchen, wie die Veränderung zustande kommt, müsste man nur diese eine anstossen. Das wollen wir erreichen, indem wir die Probe mit einem besonders eingestellten Laser beleuchten. Mit dem Licht des SwissFEL könnten wir dann verfolgen, was im Inneren des Materials geschieht, so Ingold. In sehr kurzer Zeit verteilt sich die Energie, die der Laser in die eine Bewegungsmode eingebracht hat, auf alle Moden – so wie der anfangs konzentrierte Tintentropfen sich über das ganze Gefäss verteilt. Damit die Forschenden den Einfluss des Lasers genau studieren können, müssen also die Blitze aus dem SwissFEL, die die Probe durchleuchten, sehr eng aufeinanderfolgen und sehr kurze Zeit nach dem Laserblitz beginnen. Sehr kurz heisst hier einige hundert billiardstel Sekunden.

Dass solche Experimente im Grundsatz möglich sind, haben wir am FEMTO-Messplatz gezeigt. Ohne diese Vorbereitungen wäre es für uns sehr viel schwieriger gewesen, einen Entwurf für die Experimentierstation ESB vorzulegen, erklärt Ingold. An FEMTO können wir aber nur bestimmte Aspekte der zeitlichen Vorgänge untersuchen. Oft mussten wir Kollegen, die hier messen wollten erklären, dass ihr Experiment hier nicht durchgeführt werden kann. Am SwissFEL werden wir sehr viel mehr Möglichkeiten haben, die zeitlichen Abläufe in komplexen und technisch interessanten Materialien nahezu komplett zu erfassen.

Text: Paul Scherrer Institut/Paul Piwnicki

Aktuelle Publikationen
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