Welcher Aromat darf es heute sein?

Aus Lignin, einem der Hauptbestandteile von Pflanzen, kann etwa durch thermische Zersetzung eine Art Bio-Öl gewonnen werden. Dieses Pyrolyse-Öl wiederum würde einen guten Kraftstoff abgeben, wenn es nicht korrosiv und somit schwer zu lagern und zu transportieren wäre. Wird aber aus dem Pyrolyse-Öl der beissende Sauerstoff entfernt, bleiben wertvolle organische Stoffe, Aromaten genannt, zurück. Wie man gezielt und direkt aus Lignin diese Aromaten herstellen kann, haben PSI-Forschende mit Hilfe einer breiten Palette von Katalysatoren untersucht.

Die Doktorandin Victoria Custodis hat die Versuche zur Gewinnung von Derivaten des Pyrolyse-Öls durchgeführt. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer.

Als einer der Hauptbestandteile von Pflanzen neben Cellulose und Hemicellulose macht das Biopolymer Lignin rund 20 Prozent der pflanzlichen Biomasse aus und ganze 40 Prozent der darin steckenden Energie. Der Energiegehalt eines Kilogramms Lignin ist vergleichbar mit jenem von Kohle. Doch während Kraftstoffe wie Bioethanol aus Cellulose seit Langem eine Realität sind, wird das energiereiche Lignin oft nur als lästiger Abfall betrachtet. So zum Beispiel in der Papierindustrie, wo Lignin am Ende der Herstellungskette üblicherweise einfach verbrannt wird.

Dabei gibt es durchaus Wege, aus Lignin hochwertige Energieträger und Grundchemikalien zu gewinnen. So ist Lignin heutzutage die einzige erneuerbare Quelle von aromatischen Kohlenwasserstoffen, auch Aromaten genannt, die sowohl als Energieträger wie auch als Rohstoffe für die Kunststoff- und Kunstfaserproduktion Einsatz finden. Der Weg von Lignin zu diesen Aromaten führt in der Regel über das sogenannte Pyrolyse-Öl.

Bei der Pyrolyse wird ein Material im Gegensatz zur Verbrennung bzw. Vergasung ohne Zugabe weiterer Substanzen umgewandelt. Pyrolyse-Öl wird also durch schiere Erhitzung aus Lignin gewonnen. Das so erzeugte Öl ist leider auf Grund seines hohen Sauerstoffgehalts stark korrosiv und somit schwer zu lagern und zu transportieren. Schon deshalb ist Pyrolyse-Öl in seinem rohen Zustand kaum als Kraftstoff einsetzbar. Ausserdem lässt es sich nicht gut mit anderen flüssigen Kraftstoffen mischen. Eine Anwendung als Energieträger setzt deshalb voraus, dass man den Sauerstoff aus dem Öl entfernt.

Bisher wird das Pyrolyse-Öl erst nach der Pyrolyse in einem aufwändigen Trennverfahren in seine sauerstofffreien Bestandteile, darunter auch die Aromaten, zerlegt. PSI-Forschende haben nun eine Reihe von Katalysatoren untersucht, mit denen sich die Derivate von Pyrolyse-Öl bereits während der Pyrolyse von Lignin, also in einem Schritt, gewinnen liessen.

Dank Katalyse in einem Schritt zum Ziel

Das Entfernen des Sauerstoffs während der Pyrolyse ist effizienter, es erfordert allerdings auch den Einsatz eines geeigneten Katalysators. Doch die Suche nach selektiven Katalysatoren für die Lignin-Pyrolyse, also Katalysatoren, die die Gewinnung eines spezifischen sauerstofffreien Produktes in möglichst reiner Form ermöglichen, ist bisher trotz der Anstrengungen zahlreicher Forschungsgruppen weltweit ohne merklichen Erfolg geblieben.

Forschende des PSI haben nun zu diesem Zweck eine Reihe von Katalysatoren auf der Basis von Zeolithen unter die Lupe genommen. Zeolithe sind hauptsächlich aus Aluminium, Silizium und Sauerstoff zusammengesetzte Mineralien, die von Chemikern als „feste Säuren“ bezeichnet werden. Die Bezeichnung kommt daher, dass Zeolithe, wie gewisse Säuren, dazu neigen, Wasserstoffkerne (Protonen) abzugeben, die sich leicht mit Sauerstoff kombinieren und Wasser bilden. Die Zeolithe helfen also, den Bestandteilen von Pyrolyse-Öl Sauerstoff zu entreissen und diesen Sauerstoff in Wasser neu zu binden.

Reine Aromaten mit Hilfe von Zeolithen gewonnen

Bei ihren Versuchen stellten die Forscher fest, dass die von Zeolithen katalysierte Pyrolyse von Lignin eine recht hohe Ausbeute an den erwünschten sauerstofffreien Substanzen, darunter flüssigen Aromaten, ergibt. Besonders hoch fiel die totale Ausbeute bei dem Zeolith H-USY (ultrastabiler Y-Zeolith) einem künstlich hergestellten Zeolith, der bei der Gewinnung von Benzin und Diesel aus Erdöl eingesetzt wird.

Auch wichtig für die Wissenschaftler war die Selektivität der katalytischen Umwandlung, das heisst, inwiefern der eingesetzte Katalysator zur selektiven Herstellung eines bestimmten Produktes taugt. Diese Selektivität ist von Bedeutung, weil sie die Gewinnung eines sehr reinen Produktes in einem Schritt ermöglicht. Das heisst, weitere Trennschritte bleiben weitgehend erspart. Auch in Sachen Selektivität bewährte sich der Zeolith H-USY. Mit ihm liess sich eine Gruppe wichtiger Aromaten namens BTX (Benzol, Toluol, Xylol) stark selektiv herstellen. Die gesamte Produktausbeute bestand in diesem Fall zu rund 40 Prozent aus den BTX-Aromaten.

Noch besser war die Selektivität für die wertvollen BTX-Aromaten, wenn man auf den Zeolithen Übergangsmetalle wie Nickel imprägnierte und dies als Katalysator verwendete. Mit dem künstlich hergestellten Zeolith namens H-ZSM5 als Träger für die Nickelatome erreichte die Selektivität für BTX-Aromaten rund 45 Prozent der Produktausbeute, dabei sank allerdings auch die totale flüssige Ausbeute.

Die Forschenden untersuchten ebenfalls die katalytische Wirkung von Übergangsmetalloxiden. Auch hier konnte man die Selektivität für wertvolle Produkte aus Lignin erhöhen. Zum Beispiel konnte man mit Molybdänoxid die Selektivität für Vanillin, den Hauptbestandteil von Vanille-Aroma, auf rund 30 Prozent hochgeschraubt werden.

Noch höhere Selektivität durchaus möglich

Über die Gründe für die zum Teil erhöhte Selektivität der studierten Katalysatoren sind sich die PSI-Wissenschaftler noch nicht im Klaren. Sie glauben aber, dass diese Selektivität mit Veränderungen an den künstlich hergestellten Zeolithen sogar noch weiter verbessert werden könnte. Hierbei spielt vor allem die Grösse der Poren in den Zeolithkristallen eine wichtige Rolle. Ist die Porengrösse auf die Grösse der bei den Reaktionen entstehenden Moleküle abgestimmt, erhöht sich die Selektivität für dieses Molekül erheblich.

Die bisherigen Arbeiten am PSI zeigen bereits, dass es grundsätzlich möglich ist, in einem einzigen Schritt reine, wertvolle Produkte aus Lignin zu gewinnen. Eines Tages könnte diese bisher unterschätzte Biomasse-Ressource also mehr als ein lästiger Abfall der Papierindustrie sein.

Text: Leonid Leiva

Kontakt / Ansprechpartner
Prof. Dr. Jeroen van Bokhoven, Leiter des Labors für Katalyse und nachaltige Chemie,
Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 50 46,
E-Mail: jeroen.vanbokhoven@psi.ch [Deutsch, Englisch]

http://www.psi.ch/lsk/