Interview mit Oksana Zaharko
Neue wissenschaftliche Fragestellungen erfordern immer bessere Experimentieranlagen. PSI-Forscherin Oksana Zaharko berichtet im Interview über die Herausforderungen beim Aufbau eines neuen Instruments für die Forschung mit Neutronen.
Frau Zaharko, Sie bauen am Paul Scherrer Institut das neue Instrument namens Zebra. Was ist das für ein Instrument?
Es ist eine grosse Maschine. Ungefähr so gross wie ein Auto. Und damit kann man untersuchen, wie Materialien im Inneren aufgebaut sind. Man platziert eine Probe in der Maschine und schickt einen Strahl von Teilchen – Neutronen aus der Neutronenquelle des PSI – hindurch. Der Strahl, der aus der Probe rauskommt, enthält dann sehr viel Information darüber, wie das Material aufgebaut ist. Für Fachleute ist Zebra ein Einkristall-Neutronen-Diffraktometer.
Und wie kommt es zu seinem Namen Zebra?
So ein Instrument ist zum einen ein Arbeitspferd, das robust sein und zuverlässig arbeiten muss. Gleichzeitig ist es etwas Neues, und man hat Phantasie gebraucht, um es zu entwickeln. Und da hat Zebra gut gepasst: Es ist in der Schweiz exotisch, aber trotzdem eine Art Pferd.
Welche Dinge kann man damit herausbekommen?
Verstehen, wie der Stoff aufgebaut ist: Aus welchen Atomen – den Bausteinen der Materie – er besteht und wie diese Atome angeordnet sind. Manche Atome verhalten sich auch wie kleine Magnete, und da können wir sehen, wie sie ausgerichtet sind. Das Ziel ist, zu verstehen, wie die Eigenschaften der Materialien zustande kommen.
Welche Eigenschaften können das sein?
Wir können zum Beispiel untersuchen, warum manche Materialien Magnete sind. Oder Supraleiter, das heisst, warum sie Strom ohne Verlust leiten können. Solche Fragen stehen am Anfang vieler technologischer Entwicklungen, die am Ende in technischen Geräten genutzt werden: im Energiesektor, in elektronischen Bauteilen und vielen anderen Anwendungen.
Woher kommt die Idee, was für ein Instrument man bauen will?
Zum einen von den Nutzern, den Forschern von anderen Institutionen, die hierherkommen, um zu experimentieren. Sie kommen mit Ideen für Experimente und dann müssen wir schon mal sagen: Das ist interessant, aber mit dem Instrument, das wir jetzt haben, können wir das nicht.
Gleichzeitig sind wir hier selbst auch Wissenschaftler und haben Ideen und merken, dass wir sie nicht umsetzen können.
Und wenn die Idee dann da ist?
Dann müssen wir vom Laborleiter bis zum Direktor Kollegen auf allen Ebenen im Institut überzeugen, die einen besseren Überblick haben und einschätzen können, ob das Instrument in die Gesamtstrategie passt. Denn wir brauchen Geld. Der Schweizerische Nationalfonds betreibt zwar ein Programm mit dem Namen R'Equip, das Schweizer Institute dabei unterstützt, wissenschaftliche Anlagen zu erneuern. Aber das finanziert nur die Hälfte der Kosten. Der Rest muss aus dem PSI kommen. Und wir brauchen Manpower: also die Zeit von Kolleginnen und Kollegen hier am PSI, die an dem Projekt arbeiten werden.
Wo brauchen Sie die Unterstützung ihrer Kollegen?
Wir haben zum Beispiel Konstrukteure, die alle Teile von Zebra bis zum kleinsten Detail entwerfen. Für Teile, die man nicht kaufen kann, müssen sie genaue Pläne machen und wir geben die Teile in Auftrag. Zum Beispiel an die PSI-Werkstatt. Hier arbeiten dann Elektroniker und Mechaniker an dem Projekt. Oder wir geben es an eine spezielle Firma. Aber das sind wirklich sehr komplexe Dinge, und da muss man erst eine Firma finden, die das kann und es so billig wie möglich und so gut wie möglich macht. Da steckt eine Menge Arbeit drin.
Suchen Sie dann nach den Firmen, die das umsetzen können?
Nein, ich bin die wissenschaftliche Managerin; in dem Projekt gibt es einen technischen Manager, der das macht. Früher haben wir probiert, Instrumente so zu entwickeln, dass der Wissenschaftler alles gemacht hat. Das war nicht sehr effizient, man musste zwei, drei Jobs parallel machen und hatte dabei zunächst nicht das nötige Knowhow. Jetzt bin ich der Antrieb, aber um die Umsetzung kümmern sich dann die technischen Kollegen. Sie geben die Dinge in Auftrag und schauen dann am Ende auch, ob alle Details da sind. Dafür ist jetzt die Kommunikation zwischen den Beteiligten noch wichtiger geworden. Denn es reicht oft nicht, dass ich die technischen Angaben durchgebe. Die Bauteile sind so komplex, dass sich die Kollegen voll auf die technischen Details konzentrieren und schon mal das grosse Ganze aus dem Blick verlieren. Deswegen muss ich dabei sein und notfalls eingreifen und sagen Stopp, Stopp. Nicht vergessen, dass wir am Ende Wissenschaft damit machen wollen.
Sind es mehrheitlich Schweizer Firmen, mit denen Sie zusammenarbeiten?
Wir versuchen, die meisten Teile in der Nähe zu beschaffen und in der Regel funktioniert das auch. Ich habe nicht gewusst, dass es so viele gute Firmen hier in der Nähe gibt. Das ist wirklich Hightech. Nur manchmal bestellen wir Komponenten weit weg im Ausland, wenn es dort eine Firma gibt, die genau die Teile baut, die wir brauchen, und wir sie so nicht selbst entwickeln müssen.
In welchem Stadium ist Zebra jetzt?
Mitte Mai geht die Neutronenquelle des PSI nach einer mehrmonatigen Pause wieder in Betrieb, da wird das Instrument fertig sein, und wir können anfangen, es zu testen. Anfang Juni sollen die ersten Nutzer kommen. Damit das klappt, mussten wir einen sehr strengen Zeitplan umsetzen. Eine ziemliche Herausforderung bei so einem komplexen Gerät. Auch weil man nicht immer einschätzen kann, wie viele Probleme es geben wird. Einmal haben wir bei einer Firma zwei identische Teile bestellt. Eines passte dann perfekt, das zweite nicht. Da mussten wir entscheiden: Was machen wir damit? Müssen wir es zurückschicken? Was aber Zeit kostet. Oder versuchen wir es erstmal selbst anzupassen?
Wird Zebra das beste Instrument seiner Art weltweit sein?
Das kann man nicht so einfach sagen. Wir wollen eine Nische für uns finden und in der Nische die Besten sein. Zum Beispiel wollen wir führend sein, wenn es um Experimente geht, bei denen man nur kleine Proben des Materials hat, das man untersuchen will, und bei denen sich die Probe während der Messung in einem starken Magnetfeld befindet. Da ist es zum Beispiel wichtig, dass wir auch die entsprechenden Magnete haben. Es kommt also nicht nur auf das Instrument selbst an. Wenn wir sagen, es gibt 100 Sachen, die die Leistungsfähigkeit unserer Maschine ausmachen, dann steht das Instrument an sich vielleicht für 20. Zu den anderen 80 gehören zum Beispiel die Neutronenquelle, die Probenumgebung – also die Magnete oder Geräte, mit denen wir die Proben während des Experiments stark kühlen können – oder die Software. Und wir am PSI müssen auch dafür sorgen, dass alles zusammenpasst und den Bedürfnissen der einzelnen Nutzer entspricht. Manchmal fühle ich mich wie eine Fluglotsin, die alles koordinieren muss, damit wir am Ende genau da landen, wo wir wollen.
Für Sie ist es das erste technische Projekt dieser Art. Haben Sie Gefallen daran gefunden?
Ich finde es sehr interessant, weil ich hier Menschen zusammenbringe, die sehr verschieden denken – Wissenschaftler, Techniker, Finanzfachleute. Und es hilft mir, Dinge realistisch zu sehen. Als Wissenschaftlerin denkt man an die Forschung, die man machen möchte, und stellt sich vor, welche Geräte man dafür bräuchte. Hier sehe ich die Realität: was die Dinge kosten, wie aufwändig es ist, die Sachen aufzubauen. Das finde ich interessant und sehr nützlich.
Interview: Paul Scherrer Institut/Paul Piwnicki