Übersichtsartikel

Experimentieren mit Neutronen

Schema eines einfachen Neutronenstreuexperiments
Fotografie des oben dargestellten Neutronenstreuexperiments
Streudiagramm eines Neutronenexperiments (links). Die Kurve zeigt, in welche Richtung wie viele Neutronen gestreut wurden. Aus dieser Kurve kann man auf die Anordnung der Atome und die Ausrichtung der magnetischen Momente in der Probe schliessen (rechts).

Untersucht wurde die Substanz mit der chemischen Formel Nd3Pd20Ge6. In der Struktur sind nur die magnetischen Neodym (Nd)-Atome gezeigt.
Objekte, die man Wasserwellen in den Weg stellt, verändern die Form der Wellen. Aus dem Wellenmuster kann man auf die Form des Objekts schliessen.

Die meisten Neutronenexperimente folgen zunächst einem gemeinsamen Prinzip: Ein Strahl von Neutronen wird auf den Untersuchungsgegenstand – die Probe – gerichtet. Auf seinem Weg durch die Probe verändert sich der Strahl: Einzelne Neutronen verändern ihre Flugrichtung, ihre Geschwindigkeit oder werden in der Probe ganz absorbiert. Aus den Veränderungen des Strahls, der in Neutronendetektoren nachgewiesen wird, können die Forschenden auf Strukturen und Vorgänge in der Probe schliessen. Die Details der einzelnen Experimente hängen von der Fragestellung und den Proben ab, die untersucht werden sollen.

bilden das Innenleben der Objekte verschieden ab

Am PSI gibt es rund 15 Messplätze für unterschiedliche Experimente mit Neutronen. Dabei gibt es zwei wesentliche Typen von Neutronenexperimenten, die am PSI betrieben werden. Die Streuexperimente liefern Informationen über eine Probe auf atomarem Niveau: Sie zeigen die Anordnung der Atome, deren Bewegung oder auch magnetische Strukturen auf atomarer Ebene. Bildgebende Experimente erzeugen Bilder des Inneren von verschiedenen Objekten wie technsichen Bauteilen oder Kunstgegenständen. Die Untersuchungsobjekte bleiben dabei unbeschädigt.

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Einfachstes Neutronenstreuexperiment

Im einfachsten Beispiel eines Neutronenstreuexperiments wird die Kristallstruktur – also die räumliche Anordung der Atome – einer Substanz bestimmt, die in Form eines Pulvers aus kleinen Kristallen vorliegt. Von einem Kristall spricht man, wenn die Atome darin in einer regelmässigen Struktur angeordnet sind.

Schickt man nun einen Strahl von Neutronen auf dieses Pulver, fliegen die meisten Neutronen einfach geradeaus durch die Probe hindurch. Einzelne werden aber mehr oder weniger stark von ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt, und zwar unter ganz bestimmten Winkeln. Aus diesen Winkeln der gestreuten Neutronen kann man bestimmen, wie die Abstände zwischen den Atomebenen sind, und zwar wächst der Streuwinkel mit kleinerem Atomabstand. So kann man mit Hilfe der Neutronenstreuung sehr kleine Grössen (Atomabstände) in gut messbare (Ablenkwinkel) übersetzen.

Bei einem solchen Experiment muss man noch beachten, dass der Ablenkwinkel nicht nur von der Struktur der Probe abhängt, sondern auch von der Geschwindigkeit (bzw. Wellenlänge) der verwendeten Neutronen. Deswegen müssen für das Experiment aus dem Strahl der ankommenden Neutronen nur solche mit einer bestimmten Geschwindigkeit ausgewählt werden. Das geschieht mit einem Monochromator. Dieser ist selbst meistens ein Kristall und auch hier wird die Tatsache genutzt, dass ein Kristall Neutronen mit verschiedenen Geschwindigkeiten in verschiedene Richtungen ablenkt.

Möglich wird Neutronenstreuung dadurch, dass Neutronen sich wie alle anderen Elementarteilchen nicht nur wie Teilchen, sondern auch wie Wellen verhalten. Ihre Welleneigenschaften können sich überlagern, sich gegenseitig schwächen oder verstärken. So entsteht das Streumuster nach einem ähnlichen Prinzip wie das Muster auf einer Wasseroberfläche, wenn man zwei Steine gleichzeitig ins Wasser geworfen hat.

Auch wenn die Neutronenstreuinstrumente für unterschiedliche Fragestellungen in ihrem Aufbau voneinander abweichen, so folgen sie doch alle dem hier beschriebenen Prinzip.

Bildgebende Experimente

Die bildgebenden Verfahren mit Neutronen liefern unmittelbar Bilder des Inneren verschiedener Untersuchungsobjekte und ähneln so dem Verfahren, mit dem man medizinische Röntgenbilder aufnimmt – nur dass die Objekte hier nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit einem Strahl von Neutronen durchleuchtet werden.

Ob man sich im konkreten Fall für eine Untersuchung mit Neutronen oder mit Röntgenstrahlung entscheidet hängt stark von den Materialien ab, aus denen das Untersuchungsobjekt besteht. So kann man mit Neutronen Wasser oder organisches Material hinter einer dicken Metallschicht zeigen, weil eine Neutronenstrahl kaum verändert durch Metall fliegt, dafür aber von Wasserstoffatomen stark abgelenkt wird. Dies kann man etwa nutzen, um das Innere von Verbrennungsmotoren oder die Wasserverteilung in Brennstoffzellen sichtbar zu machen. Ein Beispiel für die Anwendung in der Kunstgeschichte ist die Untersuchung einer Tibetische Buddhastatue aus Messing: Hier zeigte die Neutronenabbildung deutlich, dass sich im Inneren der Statue Holzgegenstände und trockene Blumen befanden. Die Statue blieb bei der Untersuchung unbeschädigt, mit Röntgenstrahlung hätte man die entsprechenden Einblicke nicht gewinnen können.


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