Stresstest bestanden

Mit einer am Paul Scherrer Institut PSI entwickelten Technologie lässt sich aus Bioabfällen um 60 Prozent mehr Biogas erzeugen als mit herkömmlichen Verfahren. Doch bewährt sich die Technologie auch in der Praxis? Ein 1000-Stunden-Test im Vergär- und Klärwerk Werdhölzli in Zürich konnte diese Frage klar mit Ja beantworten. Er wurde in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Energieversorger Energie 360° durchgeführt. Nun liegt die Auswertung des Dauertests vor.

Die Testanlage Cosyma hat am Vergär- und Klärwerk Werdhölzli in Zürich einen 1000-Stunden-Dauertest absolviert. (Foto: Energie 360°)
Cosyma ist wieder zurück am PSI und bereit für neue Aufgaben: Projektleiter Serge Biollaz an der Testanlage. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
Wie die Direkt-Methanisierung funktioniert: schematische Darstellung des Prozesses. (Grafik: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Küchen-, Gartenabfälle und Klärschlamm: Bereits heute werden allein im Vergär- und Klärwerk Werdhölzli der Stadt Zürich pro Jahr rund 25'000 Tonnen Bioabfälle und 500'000 Tonnen Klärschlamm zu Biogas verarbeitet. Dazu werden die Bioabfälle und der Klärschlamm vergärt und aus dem entstehenden Rohbiogas wird Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, erzeugt. Dieses wird dann in das Zürcher Erdgasnetz eingespeist. Doch das bisher eingesetzte Verfahren hat einen Nachteil: Das Rohbiogas enthält nur etwa 60 Prozent Methan. Rund 40 Prozent besteht aus Kohlendioxid (CO2), das aufwändig abgetrennt werden muss, damit das erzeugte Biomethan nutzbar gemacht werden kann.

Eine Alternative zum bisherigen Aufbereitungsverfahren bietet die sogenannte Direkt-Methanisierung. Die Idee dahinter ist bestechend einfach: Statt das CO2 abzutrennen, wird Wasserstoff zugeführt. Dieser wird zu einer Reaktion mit dem CO2 angeregt, aus der wiederum Methan entsteht. Das erhöht nicht nur insgesamt die Methan-Ausbeute aus dem Rohbiogas. Auch ist das Methan von so guter Qualität, dass es ohne zusätzliche Aufbereitung in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Zudem kann das Rohbiogas fast vollständig verwertet werden.

60 Prozent mehr Methan

Dass sich diese Idee auch in der Praxis bewährt, konnte ein 1000-Stunden-Test mit einer am Paul Scherrer Institut PSI entwickelten Technologie zeigen. Der Praxistest wurde im Vergär- und Klärwerk Werdhölzli in Zürich durchgeführt und bildet den Kern eines Projekts, das das PSI in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Energieversorger Energie 360° mit Unterstützung des Bundesamtes für Energie BFE und dem Forschungsfonds der Schweizerischen Gaswirtschaft durchgeführt hat. Herzstück der eingesetzten Technologie ist ein sogenannter Wirbelschicht-Reaktor. In ihm wird ein Katalysator aus Nickel aufgewirbelt und mit dem zuvor gereinigten Rohbiogas und dem zugeführten Wasserstoff vermischt. Der Katalysator sorgt dafür, dass das CO2 mit dem Wasserstoff zu Methan umgewandelt wird.

Die nun vorliegenden Ergebnisse bestätigen, dass die am PSI entwickelte Technologie zu einer deutlich höheren Methan-Ausbeute führt: Wir konnten im Vergleich zu herkömmlichen Aufbereitungsverfahren um etwa 60 Prozent mehr Methan erzeugen, sagt Serge Biollaz, Projektleiter seitens des PSI.

Herausforderung Gasgemisch

Zu den kritischsten Herausforderungen des 1000-Stunden-Tests zählte die Zusammensetzung des Rohbiogases. Denn dieses variiert je nach der zugrunde liegenden Biomasse. Das Rohbiogas kann zudem Verbindungen enthalten, die den für das Verfahren eingesetzten Katalysator schädigen und deshalb vor der Methanisierung abgetrennt werden müssen – wie zum Beispiel Schwefelverbindungen. Eines unserer wichtigsten Ergebnisse ist, dass die Anlage unseren Prognosen entsprechend mit diesen unterschiedlichen Zusammensetzungen des Rohbiogases zurechtkam und über den gesamten Testverlauf stabil lief, betont Biollaz.

Die Frage der Wirtschaftlichkeit

Neben der technischen stand auch die wirtschaftliche Machbarkeit auf dem Prüfstand. Denn letztendlich entscheidet diese darüber, ob ein Verfahren in einem industriellen Massstab umgesetzt wird. Um diese abzuschätzen, ging das Projektteam von derzeitigen Rahmenbedingungen aus, also von den aktuellen Kosten für den für das Verfahren benötigten Strom und den erforderlichen Anlagenkomponenten. Das Ergebnis ihrer Berechnungen: Die Kosten für die Direkt-Methanisierung sind in etwa gleich hoch wie bei herkömmlichen Biogasaufbereitungsanlagen. Ein wichtiger Kostentreiber ist die Investition für den Elektrolyseur, mit dem der für das Verfahren benötigte Wasserstoff hergestellt wird. Ein weiterer wesentlicher Kostentreiber sind die im Betrieb anfallenden Stromkosten. Um die wirtschaftliche Attraktivität von Direkt-Methanisierungs-Anlagen sicherzustellen, müssten Wege gefunden werden, diese zu senken. Zudem fallen nach den derzeit geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen hohe Stromnutzungsgebühren an. Um konkurrenzfähige Preise für das Biomethan zu erzielen, müsste der Strom direkt vor Ort erzeugt und der Elektrolyseur in unmittelbarer Nähe der Direkt-Methanisierungs-Anlage platziert werden, so der Schluss des Projektteams.

Aus Anwendersicht sind die Ergebnisse des 1000-Stunden-Tests in jedem Fall vielversprechend: Insbesondere für mittelgrosse Biogas-Anlagen sehen wir hier Potenzial, sagt Peter Dietiker, Bereichsleiter Erneuerbare Energien bei Energie 360°. Dazu zählen Anlagen, die pro Jahr zwischen 5 und 15 Gigawattstunden Biogas produzieren. Rund 40 Anlagen dieser Grössenordnung sind in der Schweiz derzeit in Betrieb.

Die nächsten Schritte

Die Testanlage namens Cosyma (Cosyma steht für Container-basiertes System für die Methanisierung) ist mittlerweile wieder ans PSI zurückgekehrt. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden untersuchen, ob ihr Verfahren auch mit Gülle funktioniert, wie sie in grossen Mengen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung anfällt. Derzeit wird die Testanlage an die zu erwartenden Anforderungen adaptiert. Diese betreffen insbesondere die Gasreinigung, die vor der eigentlichen Methanisierung durchgeführt wird. Denn das bei der Güllevergärung entstehende Rohbiogas setzt sich aus anderen Komponenten zusammen, als jenes, das bei der Vergärung von Bioabfällen aus Haushalten und Klärschlamm aus der Abwasserreinigung entsteht.

Die ESI-Plattform am PSI

Cosyma ist Teil der Energy-System-Integration-Plattform des PSI. Die ESI-Plattform hat im Herbst 2016 ihren Betrieb aufgenommen. Ihr Ziel ist es, in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Forschung und Industrie verschiedene Varianten der Power-to-Gas-Technologie auf ihre technische und wirtschaftliche Machbarkeit hin zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Der Testbericht Direct Methanation of Biogas ist auf der Webseite des Bundesamtes für Energie BFE abrufbar.

Text: Paul Scherrer Institut/Martina Gröschl

Weiterführende Informationen
Kontakt
Dr. Serge Biollaz, Leiter Thermochemische Prozesse, Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 29 23, E-Mail: serge.biollaz@psi.ch [Deutsch, Englisch, Französisch]