Experimente in der Wolke – Wie Russ das Klima beeinflusst

PSI-Forscher Martin Gysel erhält angesehene europäische Förderung (ERC Consolidator Grant) für Untersuchungen zur Rolle von Russ für Wolkenbildung und Atmosphärenerwärmung.

Russpartikel, die etwa bei der Verbrennung von Holz oder Dieselkraftstoff entstehen, beeinflussen das Klima. Wie gross deren Rolle dabei ist wird ein Forschungsteam des Paul Scherrer Instituts PSI um den Umweltphysiker Martin Gysel in einem neuen Projekt untersuchen, das durch einen ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates mit 2 Millionen Euro gefördert wird. Das Projekt soll zum Beispiel untersuchen, wie Russ die Entstehung verschiedener Wolken beeinflusst. Werden die Eigenschaften der Wolken durch menschengemachte Partikel verändert, dann wirkt sich das auch auf das Klima aus. Für ihre Untersuchungen werden die Forschenden auf dem Jungfraujoch direkt die Eigenschaften echter Wolken untersuchen, in die die Berge oft gehüllt sind. Die Ergebnisse sollen helfen, Computermodelle zu verbessern, mit denen Entwicklungen in der Atmosphäre vorausgesagt werden. Korrekte Voraussagen sind wichtig, wenn man einschätzen will, welche Massnahmen gegen die Klimaerwärmung nötig und besonders wirksam sind.

Russ und Klima: 2 Millionen Euro für Forschung am PSI

Martin Gysel kalibriert ein hochsensitives Aerosolspektrometer mit Partikelgrössen-Standards. Dieses Gerät wird zum Zählen und zur Grössenbestimmung von Kondensations- und Eiskeimen in den Wolken eingesetzt.(Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)
Der Umweltphysiker Martin Gysel erhält eine angesehene europäische Förderung (ERC Consolidator Grant) für Untersuchungen zur Rolle von Russ für Wolkenbildung und Atmosphärenerwärmung. (Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)
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Wenn man Holz, Kohle oder Dieseltreibstoff verbrennt, entsteht Russ, der oftmals ungefiltert in die Atmosphäre gelangt. Dort stellt er zum einen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar und beeinflusst zum anderen das Klima. Dabei ist der Einfluss von Russ bis heute wenig verstanden. Dem soll ein neues Forschungsprojekt am Paul Scherrer Institut PSI abhelfen, in dem untersucht werden wird, wie Russ die Eigenschaften verschiedener Wolkentypen beeinflusst und wie er die Atmosphäre aufheizt, indem er Sonnenstrahlung absorbiert. Das Projekt wird von dem Umweltphysiker Martin Gysel geleitet, der für die Durchführung eine Förderung des Europäischen Forschungsrates in Höhe von 2 Millionen Euro erhält (ERC Consolidator Grant). Die Ergebnisse der Experimente sollen helfen, den Einfluss der Russpartikel korrekt in Rechenmodellen zu berücksichtigen, mit denen Vorgänge in der Atmosphäre beschrieben werden. Möglichst genaue Modelle sind wichtig, damit man die Beiträge unterschiedlicher Substanzen zur Klimaerwärmung korrekt abschätzen und so zielgerichtete Massnahmen ergreifen kann. Die Ergebnisse könnten aber auch unmittelbar Hinweise liefern: „Ein Russpartikel bleibt nur rund zwei Wochen in der Atmosphäre. Damit stellt sich die Frage wie stark man die Klimaerwärmung vorübergehend etwas abschwächen kann, wenn man die Russemissionen reduziert“, erklärt Gysel.

Wie sich Russ auf Wolken auswirkt

Wolken spielen für die Temperaturen auf der Erde eine zentrale Rolle, weil sie einen Teil des Sonnenlichts reflektieren, das so die Erde nicht erwärmen kann. Wassertröpfchen, aus denen Flüssigwasserwolken bestehen, können sich nur bilden, wenn in der Atmosphäre Partikel vorhanden sind, die als Kondensationskeime wirken, d.h. an denen sich Wasserdampf absetzen kann. Die Wechselwirkungen von Russpartikeln mit Wolken sind aus zwei Gründen wichtig. Zum einen können diese Partikel, die aus menschenverursachten Emissionen stammen, die Anzahl der Wolkentröpfchen erhöhen. Dadurch reflektieren die Wolken mehr Sonnenlicht und kühlen so die Atmosphäre. Wenn, zum anderen, Wolkentröpfchen in Form von Regen auf die Erde fallen, verkürzt das die Lebensdauer der Partikel, die als Kondensationskeime wirkten. Die Forschenden des PSI wollen in ihrem Projekt unter anderem klären, inwiefern Veränderungen, denen die Russpartikel in ihrer Zeit in der Atmosphäre unterliegen, ihre Eigenschaften als Kondensationskeime für Wolkentröpfchen verändern.

Macht Russ Eiswolken?

Bei tiefen Temperaturen wird es noch etwas komplexer. Wolkentröpfchen können zu Eis gefrieren, tun das aber normalerweise erst bei rund minus 38 Grad Celsius, also weit unter dem üblichen Gefrierpunkt von Wasser. Bestimmte (wasser-)unlösliche Partikel, können schon bei höheren Temperaturen als Eiskeime wirken – also dazu führen, dass die Tröpfchen um sie herum gefrieren. Damit leiten sie dann die Umwandlung einer Flüssigwasserwolke in eine Eiswolke ein. Eine Eiswolke reflektiert viel weniger Sonnenlicht und wandelt sich eher in Niederschlag um. Dadurch können menschengemachte Eiskeime eine wärmende Wirkung auf das Klima ausüben. Natürliche Eiskeime sind feine Sandkörner, die der Wind aufgewirbelt und verfrachtet hat, z.B. Saharastaub, oder auch Bakterien. Russpartikel, die vorwiegend aus menschlichen Aktivitäten stammen, spielen möglicherweise auch eine Rolle als Eiskeime in Wolken. „Dazu gibt es verschiedene teils widersprüchliche Ergebnisse aus früheren Labor- und Feldmessungen. Die Russpartikel sind keine ausgezeichneten Eiskeime, kommen dafür in der Atmosphäre in grosser Zahl vor. Wir wollen diese Frage mit In-situ-Wolkenmessungen endgültig beantworten, so dass man den Einfluss von Russ auf die Bildung von Eiswolken zukünftig in Rechenmodellen korrekt berücksichtigen kann, mit denen die Entstehung von Wolken beschrieben wird“, so Gysel.

Labor in der Wolke

Die Wechselwirkungen der Russpartikel mit den Wolken werden in einem Labor auf dem Jungfraujoch untersucht, in dem das PSI schon seit vielen Jahren Atmosphärenforschung betreibt. Die Forschenden wollen dabei ausnutzen, dass sich das Jungfraujoch rund 40% der Zeit in eine Wolke gehüllt ist, so dass man Proben unmittelbar aus der Wolke entnehmen und untersuchen kann. Dazu bauen die Forschenden ein ausgeklügeltes „Einlasssystem“, das die Wolkenprobe in ihre Bestandteile trennt – Eiskristalle, Wassertröpfchen und interstitielle Partikel, also solche, die weder Tröpfchen noch Eiskristalle gebildet haben. So können die Forschenden dann bestimmen, welcher Art die Keime sind, um die sich die Eiskristalle bilden, und insbesondere erfahren, ob Russpartikel dabei sind.

Wie heizt Russ die Atmosphäre auf?

Russ beeinflusst das Klima nicht nur indirekt über die Veränderung von Wolken, sondern auch direkt. Da Russ schwarz ist, erwärmt er die Atmosphäre: er absorbiert Sonneneinstrahlung, heizt sich dadurch auf und gibt die Wärme dann an die Luft ab. Wie stark dieser Effekt ist, hängt u.a. von den physikalischen und chemischen Eigenschaften des Russes ab. Deshalb wollen die Forschenden in Laborexperimenten am PSI atmosphärische Alterungsprozesse des Russes simulieren, und so bestimmen, wie stark Russpartikel verschiedener Grösse, Form und Zusammensetzung das Sonnenlicht absorbieren. Diese Resultate werden dann mit Umweltmessungen an echten Russpartikeln unterschiedlichen Alters verglichen.

Europäisch gefördert

Mit einem ERC Consolidator Grant, wie ihn Martin Gysel für das Projekt erhält, fördert der Europäische Forschungsrat hervorragende Forschungsprojekte von Wissenschaftlern, die nach Abschluss der Doktorarbeit bereits einige Jahre Erfahrung als eigenständige Forscher gesammelt haben. Gysel selbst hat an der ETH Zürich Physik studiert und dort im Jahr 2003 am Departement für Umweltnaturwissenschaften doktoriert. Nach einem Forschungsaufenthalt in England arbeitet er seit 2005 am Paul Scherrer Institut, wo er zum Anfang 2014 auch die Leitung der Forschungsgruppe Aerosolphysik übernehmen wird. Mit den Mitteln aus dem Grant werden vor allem junge Wissenschaftler eingestellt – Postdocs und Doktorierende sowie die Labor- und Feldmessungen finanziert werden.

Text: Paul Piwnicki


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. Martin Gysel
Forschungsgruppe Aerosolphysik,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Tel: +41 56 310 41 68; E-Mail: martin.gysel@psi.ch
Weiterführende Informationen:
Webseite von Martin Gysel: http://www.psi.ch/lac/martin-gysel
Webseite des Labors für Atmosphärenchemie: http://www.psi.ch/lac