Massstabsgetreues Mikro-Matterhorn

Forschende des Paul Scherrer Instituts haben in grosser Zahl detaillierte Modelle des Matterhorns erzeugt, die jeweils weniger als ein Zehntel eines Millimeters gross sind. Damit führen sie vor, wie so feine 3-D-Objekte in Serie hergestellt werden könnten. Materialien, deren Oberfläche mit einem Muster aus solchen winzigen 3-D-Strukturen versehen ist, haben oft besondere Eigenschaften. Was sich die Natur schon lange zunutze macht, könnte für etliche Anwendungen in der Industrie lehrreich sein. So gleiten manche Schlangen über Sand, wobei 3-D-Strukturen auf deren Haut helfen die Reibung deutlich zu reduzieren. Analog liessen sich auch Maschinenbauteile mit einer vergleichbaren Struktur versehen, und damit deren Verschleiss minimieren.

Mit einem Elektronenmikroskop erstellte Aufnahme eines 3-D-Modells des Matterhorns. Der eingezeichnete Balken entspricht 10 Mikrometern, also einem Hundertstel eines Millimeters. (Abbildung: Paul Scherrer Institut)
Die PSI-Forscher Helmut Schift und Robert Kirchner in einem Reinraumlabor am Paul Scherrer Institut. Sie müssen hier spezielle Schutzanzüge tragen, damit kein Staub aus der Kleidung auf die zum Teil nur einige Nanometer grossen Strukturen gerät, mit denen hier gearbeitet wird. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
Der PSI-Forscher Robert Kirchner an dem Lasergerät, mit dem Modelle des Matterhorns hergestellt wurden, die jeweils nur rund sieben hundertstel Millimeter gross waren. Der Forscher trägt einen Schutzanzug, der das Gerät und die Proben vor Staub und Haaren schützt. Der Raum ist gelb ausgeleuchtet, weil die Modelle aus lichtempfindlichem Material hergestellt werden, das von dem gelben Licht aber nicht beeinflusst wird. (Foto: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
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Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben winzige und sehr detaillierte Modelle des Matterhorns hergestellt. Die Modelle sind jeweils nur rund sieben hundertstel Millimeter gross und damit nicht einmal so hoch, wie ein Blatt Papier dick ist. Die Modelle sind zudem so detailliert, dass die einzelnen Strukturen des Matterhorns klar dargestellt sind. Wie beispielsweise dessen Spitze, die im Modell einen Durchmesser von 100 Nanometern hat, und damit gerade einmal so gross ist wie ein Virus.

Diese Modelle herzustellen ist nicht nur Spielerei: Oberflächen, die mit tausenden solcher winzigen 3-D-Objekte bedeckt sind, haben oft besondere Eigenschaften, die sich vielfältig nutzen lassen. Man kann solche Eigenschaften schon in der Natur beobachten, erklärt Helmut Schift, Leiter des Forschungsprojekts am PSI. So können manche Schlangenarten über Sand gleiten, ohne dass sich ihre Haut wesentlich abnutzt. Die Haut dieser Schlangen hat Schuppen und Dornen, die wenige tausendstel Millimeter hoch sind. Dadurch wird die Reibung in eine Richtung stark vermindert. Man könnte sich vorstellen, so Schift weiter, Maschinenteile, die starker Belastung durch Reibung ausgesetzt sind, mit einer so strukturierten Oberfläche zu versehen. Das würde den Verschleiss der entsprechenden Bauteile deutlich reduzieren. Als Beweis, dass man so kleine Strukturen überhaupt gezielt und reproduzierbar präzise herstellen kann, wurden die Matterhörner angefertigt.

3-D-Druck im Nanomassstab

Um die Matterhornmodelle herzustellen, haben die Forschenden einen besonders detaillierten 3-D-Druck verwendet, der als 3-D-Fotolithografie bekannt ist (Fachleute sprechen von 2-Photonen-Lithografie). Wir stellen die Strukturen aus einem lichtempfindlichen Material her, erklärt Robert Kirchner, Wissenschaftler am PSI. An Stellen, an denen man es besonders intensiv belichtet, wird das anfänglich flüssige Material fest, das restliche Material kann man anschliessend wegwaschen. Zum Belichten verwenden wir einen besonderen Laser, dessen Strahl nur im Brennpunkt einer Linse intensiv genug ist, um das Material entsprechend zu verändern. Diesen Brennpunkt bewegen wir durch das Material hindurch. So können wir für jeden einzelnen nanometergrossen Punkt entscheiden, ob das Material am Ende weggewaschen wird oder stehenbleibt. Auf diese Weise können wir fast beliebig komplexe Objekte mit Details im Nanomassstab herstellen.

Dieses serielle Laserverfahren ist zwar recht aufwendig, muss jedoch nur einmal angewendet werden. Um die Kopien der einzelnen 3-D-Struktur – also beispielsweise des Matterhorns – herzustellen, wird mit Hilfe dieser ersten Urform eine Gussform erzeugt. Damit wiederum lassen sich die Strukturen beispielsweise in grossen Zahlen giessen und so in Grossserie replizieren.

Text: Paul Scherrer Institut/Paul Piwnicki


Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 1900 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 380 Mio.

(Stand 04/2015)

Weiterführende Informationen
Hintergrundartikel über Reinraumlabore am Paul Scherrer Institut: https://www.psi.ch/media/der-reinste-ort-des-paul-scherrer-instituts
Übersichtsartikel The ascent of high resolution and high volume 3D replication (in englischer Sprache) Microelectronic Engineering; Volume 141, 15 June 2015, Pages 243–244 doi:10.1016/j.mee.2015.04.082
Kontakt/Ansprechpartner
Dr. Helmut Schift, Forschungsgruppe Polymer-Nanotechnologie, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 28 39, E-Mail: helmut.schift@psi.ch

Dr. Robert Kirchner, Forschungsgruppe Polymer-Nanotechnologie, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 24 30, E-Mail: robert.kirchner@psi.ch