Aus Strom wird Gas wird Strom

Mit zunehmendem Ausbau der Photovoltaik- und Windkraftanlagen wird deren Integration in das bestehende Energiesystem zur Herausforderung. Auf der ESI-Plattform wird getestet, wie die Integration gelingen kann. Die Lösung: Überschüssige Energie wird in Form von Gas gespeichert.

Peter Jansohn (rechts), Leiter ESI, und Marcel Hofer, Koordinator ESI, auf der Plattform. (Bild: Scanderbeg Sauer Photography)

Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht einen Ausbau der neuen erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft vor. Doch Fotovoltaik-Anlagen und Windräder erzeugen bei schönem Wetter und kräftigem Wind oft schon zu viel Strom. Bei Windflaute, Nebel oder in der Nacht hingegen hat die saubere Energie Lieferschwierigkeiten. Diese beträchtliche Schwankung belastet die Stromnetze und erschwert den Netzbetreibern die Planung. Hinzu kommen erhebliche Kosten: Die Stromproduzenten erhalten eine Entschädigung für jede Kilowattstunde, die sie nur deshalb nicht produzieren konnten, weil das Netz bereits maximal ausgelastet war. So haben die deutschen Stromproduzenten im Jahr 2014 insgesamt 89 Millionen Euro an Entschädigungen für nicht erzeugten oder nicht eingespeisten Strom erhalten.

An der ESI-Plattform am PSI untersuchen Forschende unter anderem Methoden, um die schwankende Leistung von erneuerbaren Energiequellen auszugleichen und Energie in Form von Gas zu speichern – hier am Beispiel der Windenergie dargestellt. (Grafik: PSI / Mahir Dzambegovic)

Energie aus Sonne und Wind speichern

„Je mehr Solar- und Windkraftanlagen in Zukunft installiert werden, desto akuter wird das Problem ihrer Einbindung in die bestehende Infrastruktur“, sagt Peter Jansohn, der den Aufbau der ESI-Plattform am PSI leitet – wobei ESI für Energy System Integration steht. Die ESI-Plattform vereint mehrere Pilotanlagen, an denen Forschende von PSI und Industrie untersuchen, wie sich Ergebnisse aus der Energieforschung des PSI in die Praxis umsetzen lassen. Die Anlagen sind in mehreren Containern untergebracht; sie stehen auf einem gemeinsamen Fundament und unter einem gemeinsamen Dach.

Eine wichtige Frage ist dabei, wie der unregelmässig erzeugte Strom aus Wind und Sonne auch in der Schweiz optimal genutzt werden kann. Der Weg ist eigentlich klar: Es gilt, die überschüssige Energie zu speichern und bei Bedarf wieder verfügbar zu machen. Auf der ESI-Plattform wird eine der hierfür vielversprechendsten Speichertechnologien untersucht. Power-to-Gas heisst sie und die Idee dahinter verrät schon der Name: Ist zu viel Strom im Netz, stellt man mit seiner Hilfe ein energiereiches Gas her. Dieses Gas kann Wasserstoff sein, den man in einem sogenannten Elektrolyseur aus reinem Wasser gewinnt. Den Wasserstoff kann man in Tanks lagern und später wieder nutzen, etwa um in einer Brennstoffzelle Strom und Wärme zu erzeugen. So lassen sich Autos oder Busse antreiben, Räume heizen und man kann einen Teil des Strombedarfs von Häusern decken.

Noch gibt es die Infrastruktur für die Wasserstoffspeicherung aber nicht und in das bestehende Gasnetz kann Wasserstoff nur in kleinen Mengen eingespeist werden. Daher könnte sich noch ein weiterer Umwandlungsschritt lohnen: Mit Kohlendioxid – CO2 – kombiniert kann der Wasserstoff zu Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, weiterverarbeitet werden. Dann steht das umfangreiche Gasnetz mit seinen Speichermöglichkeiten zur Verfügung, um die in den Sommermonaten erzeugte überschüssige Energie bis zum Winter zu lagern. „Diese saisonale Speicherung ist ein wichtiger Vorteil der Power-to-Gas-Lösung, den keine andere Speichertechnik in der geforderten Grössenordnung bieten kann“, so Jansohn.

Mehr Biogas, weniger CO2

Das Zürcher Unternehmen Energie 360° will diese Technologie zur Methanherstellung in einem Pilotversuch in einer Biogasanlage einsetzen. Biogas, das in Klärwerken oder bei der Vergärung von Bioabfällen entsteht, besteht zu einem grossen Teil schon aus Methan, enthält aber auch einen Anteil CO2, das bisher mit grossem Aufwand abgetrennt wird. Dieses CO2 will Energie 360° zukünftig durch Zugabe von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen in zusätzliches Methan umwandeln. „Damit erhöhen wir die Produktivität deutlich“, schwärmt Jansohn. Für diese Umwandlung wird eine am PSI erforschte Technologie zum Einsatz kommen, die sich bereits in Österreich in einer grossen Pilot-Anlage zur Methangewinnung aus Holzabfällen bewährt hat. Für den Betrieb dieser Anlage hat das PSI 2009 den Watt d’Or erhalten – die Auszeichnung für Bestleistungen im Energiebereich des Bundesamtes für Energie. Für die Anwendung in einer Biogasanlage muss die PSI-Technologie zwar angepasst werden, aber die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass dies für das neue Einsatzgebiet gelingen wird.

Die ESI-Plattform untersucht die Umwandlung von Strom in Wasserstoff sowie in Methan. „Das PSI hat bereits grosse Kompetenzen in allen Einzelteilen der Power-to-Gas-Technik. Nun wollen wir Erfahrungen über das komplexe Zusammenspiel dieser Technologien sammeln“, erklärt Marcel Hofer, Leiter Realisation der ESI-Plattform, das Ziel der Anlage. Die Kernfrage lautet: Wie flexibel, effizient und wirtschaftlich kann eine solche Power-to-Gas-Anlage zur Entlastung der Netze beitragen? Power-to-Gas lohnt sich besonders dann, wenn überschüssiger Strom günstig gekauft und bei einem späteren Bedarf teurer verkauft werden kann. „Wir rechnen damit, dass dies zukünftig regelmässig der Fall sein wird, wenn phasenweise viel erneuerbarer Strom im Netz ist“, so Jansohn. Dann wird es noch darauf ankommen, dass die Umwandlung von Strom in Gas möglichst effizient abläuft: 70 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie müssten nach der Speicherung im Wasserstoff stecken. Bei der Umwandlung in Methan gelten rund 60 Prozent als realistischer Richtwert. „Zusätzlich sollte solch eine Anlage idealerweise eine lange Betriebsdauer und einen geringen Wartungsaufwand haben“, sagt Jansohn.

Stromspitzen ausgleichen

Für einen weiteren Nutzen der Technologie interessiert sich der nationale Stromnetzbetreiber Swissgrid: In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit dem PSI will Swissgrid klären, ob sich Stromspitzen, die das Netz aus dem Gleichgewicht zu bringen drohen, mit Power-to-Gas schnell genug auffangen lassen – egal, ob es sich um Spitzen der Erzeugung oder des Verbrauchs handelt. „Zudem möchten wir klären, ob eine kluge Verteilung von Power-to-Gas-Anlagen in der Schweiz einige der teuren Investitionen in den Netzausbau überflüssig machen, die sonst insbesondere bei einem starken Ausbau erneuerbarer Energien notwendig werden“, ergänzt Jansohn. Mit der ESI-Plattform kommen die Projektpartner den Antworten auf solche Fragen ein gutes Stück näher.

Weiterführende Informationen
Überblick: Versuchsplattform ESI – neue Wege zum Energiesystem der Zukunft
Partner der ESI-Plattform
Kontakt/Ansprechpartner
Martina Gröschl, Abteilung Kommunikation
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI
Telefon: +41 56 310 52 13, E-Mail: martina.groeschl@psi.ch