«Es ist wichtig, weiter zu forschen»

Die Protonentherapie ist aufwendig und teurer als die herkömmliche Strahlentherapie, doch ihre Treffsicherheit bei Tumoren ist unübertroffen. Davon ist nicht nur Damien Weber, Leiter und Chefarzt des Zentrums für Protonentherapie ZPT am PSI, überzeugt. Europaweit entstehen neue Zentren, um mehr Krebspatienten damit behandeln zu können. Das hilft nicht nur den betroffenen Kindern und Erwachsenen, sondern trägt auch zur Sicherheit bei.

Herr Weber, wie kommt es, dass am PSI Patienten behandelt werden?

Die grössten und erfahrensten Protonentherapiezentren weltweit sind aus Forschungsinstituten hervorgegangen. Das hat historische Gründe. Man braucht eine riesige Infrastruktur und das PSI, wie auch andere Zentren, hatte diese. Das ermöglichte es überhaupt erst, die Methode zu entwickeln, sie patiententauglich zu machen und kontinuierlich zu verbessern. Die Protonentherapie braucht grosse Erfahrung, insbesondere für die Patientensicherheit und für noch bessere Ergebnisse.

Das PSI hat das einzige Protonentherapie-zentrum in der Schweiz. Reicht das, um alle Patienten zu versorgen?

Das ist eine heikle, aber wichtige Frage in einem Land, das die Gesundheitsversorgung auf kantonaler Ebene reguliert. Wenn man sich die Zahlen anschaut, reicht es im Moment, denn nicht alle Patienten, bei denen eine Protonentherapie angezeigt wäre, bekommen sie auch. Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat eine Liste an Krebserkrankungen festgelegt, bei denen die Protonentherapie angewendet werden darf. Diese Liste umfasst derzeit zehn Indikationen bei Erwachsenen sowie sämtliche Tumore im Kindes- und Jugendalter bis achtzehn Jahre. In der Schweiz haben wir mit zwei Gantrys bereits mehr als doppelt so viele Bestrahlungsplätze pro Einwohner wie beispielsweise Grossbritannien. Ein Protonentherapiezentrum muss eine kritische Masse an Patienten aufweisen, um gut zu sein. Wenn es nur eine begrenzte Anzahl von Patienten hat, fehlt die Erfahrung.

Wie werden die Indikationen zur Protonentherapie festgelegt?

Das ist in jedem Land anders. Die Liste in der Schweiz wurde vor zwanzig Jahren aufgestellt, als die Protonentherapie noch am Anfang war. Seitdem wurden keine neuen Krankheiten hinzugefügt. Auch wenn ich als Arzt von der Protonentherapie überzeugt bin: Wir müssen Daten liefern, die beweisen, dass die Protonentherapie der herkömmlichen Strahlentherapie überlegen ist und weniger Komplikationen macht, oder eben nicht. Doch die Patientenzahl in der Schweiz ist klein, deshalb muss man international zusammenarbeiten, um für die einzelnen Krankheitsbilder genügend zuverlässige Daten zur Protonentherapie zu bekommen.

Wie wollen Sie den Nachweis erbringen?

Die Zahl der Protonentherapiezentren in Europa steigt. Im Jahr 2024 werden es ungefähr dreissig sein. Einige von ihnen haben sich in einem Netzwerk, dem European Particle Therapy Network, zusammengeschlossen, um gemeinsam klinische Studien mit dreihundert und mehr Patienten durchzuführen. Das PSI war einer der Gründer dieses Netzwerks. Ausserdem ist das PSI assoziiertes Mitglied im amerikanischen NRG-Oncology-Netzwerk. Es ist geplant, dass das PSI in nicht allzu ferner Zukunft an ein bis zwei randomisierten Studien der Phase 3 teilnimmt. Bei einer wird es um Lungenkrebs gehen.

Die Lunge bewegt sich beim Atmen. Kann man Lungenkrebs denn überhaupt so genau bestrahlen wie Tumore in anderen Körperregionen?

Wir haben eine Technik entwickelt, mit der das möglich ist. Vor Kurzem haben wir eine 17-jährige Frau erstmals damit behandelt. Es ist sehr ungewöhnlich, dass Kinder oder Jugendliche Lungenkrebs bekommen, unter dem sonst Erwachsene leiden. Jetzt ist sie krebsfrei. Das zeigt, wie wichtig es ist, auf diesem Gebiet zu forschen und die Methoden weiterzuentwickeln.

Interview: Sabine Goldhahn

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