LED-Lampen haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Wie es dazu kam, hat PSI-Forscher Michael Weinold untersucht. Eine Ursache sind sogenannte Spillover-Effekte. Sie beschleunigen Innovationen und sind wichtig für die Transformation des Energiesystems – und sie können gezielt gefördert werden.
Wie entstehen Innovationen? Wenn man das so genau wüsste, würden neue Technologien wie am Fliessband gelingen. Meist lässt sich der technische Fortschritt aber nicht planen oder er geht überraschende Umwege. Ein besonders gutes Beispiel dafür sind Leuchtdioden, kurz LEDs.
Michael Weinold, heute Doktorand im Labor für Energiesystemanalysen am PSI sowie am gleichnamigen Lehrstuhl an der ETH Zürich bei Professor Russell McKenna, hat in seiner Master-Arbeit an der Universität Cambridge und der ETH Zürich die rasante Entwicklung von LEDs untersucht. Ein wichtiger Faktor fand er in sogenannten Spillover-Effekten. «Spillover» bedeutet übersetzt so viel wie «überschwappen». Damit bezeichnet die Forschung Entwicklungen oder Technologien, die ursprünglich für ganz andere Branchen oder Produkte entwickelt wurden. Bei den LEDs ist das besonders frappierend, wie Weinold in seiner Publikation belegt. «Vor allem die wichtige Verbesserung der Lichtqualität geht zum grössten Teil auf das Konto von Spillover-Effekten», so Weinold.
Michael Weinolds Forschungsarbeit entstand während seiner Zeit als Gastwissenschaftler am Cambridge Centre for Environment, Energy and Natural Resource Governance (C-EENRG) in Zusammenarbeit mit Sergey Kolesnikov und Laura Diaz Anadon an der Universität Cambridge. Die Arbeit war Teil eines grösseren Forschungsvorhabens, das von der Alfred P. Sloan Foundation an der Universität Cambridge, der Harvard University und der University of Minnesota finanziert wurde. Ziel des Projekts war es, zu verstehen, wie Innovationen im Energiesystem entstehen und wie man diese mit Investitionen in die Grundlagenforschung gezielt beschleunigen kann, um den Energieverbrauch und die Emissionen neuer Technologien zu reduzieren.
Zufall und gezielte Förderung
LEDs fristeten jahrzehntelang als rote Anzeigelämpchen in Elektrogeräten ein Nischendasein. Bis Shuji Nakamura und sein Team 1992 die erste blaue LED entwickelten, die heute die Grundlage für weisse LEDs und damit für Leuchtmittel zur Allgemeinbeleuchtung ist. Dafür erhielten die Forschenden 2014 den Nobelpreis für Physik. Seitdem gab es rasante Verbesserungen bei den Produktionskosten, der Effizienz und vor allem der Lichtqualität. Das kalte LED-Licht der Anfänge ist einem angenehm warmen Licht gewichen, bei dem sich die Lichtfarbe jetzt beliebig justieren lässt.
Ein Beispiel für einen Spillover-Effekt für LEDs ist Indiumzinnoxid (ITO), ein Material, das elektrischen Strom leitet, aber gleichzeitig transparent ist. In der Luftfahrt wird das Material schon lange auf Cockpitscheiben verwendet, um die Scheiben zu erwärmen und so die Bildung von Eis zu vermeiden. Stromleitend und transparent – genau so ein Material benötigten auch die Entwickler von LEDs und so hielt ITO schnell Einzug in deren Produkte.
«Das Tolle an einem Spillover: Es ist gratis», sagt Weinold, denn die Technologie sei ja schon entwickelt und könne oft direkt in anderen Bereichen genutzt werden. Oft hilft bei einem Spillover der Zufall. LEDs erzeugen weisses Licht, indem sie blaues Licht mit einer dünnen Phosphorschicht umwandeln. In der Anfangszeit der LEDs waren aber nur Phosphormaterialien verfügbar, die ein kalt-weisses Licht erzeugten. Erst als sich zufällig zwei Professoren auf einer Konferenz unterhielten, wurde die Tür für ein Spillover beim Phosphor geöffnet. Seitdem können LEDs auch angenehm warm-weisses Licht erzeugen.
Der Haken: Wenn man Spillover nicht nur dem Zufall überlassen will, müssen Forschende genau wissen, wonach sie suchen. Wenn beispielsweise die grundlegenden physikalischen Effekte in der Diode noch nicht ganz verstanden sind, kann man auch nicht direkt gezielt nach Lösungen für höhere Effizienz suchen.
Daraus folgt laut Weinold eine Erkenntnis, die besonders die Forschungsförderung interessieren dürfte. Um durch Spillover-Effekte die Entwicklung neuer Technologien zu beschleunigen, sollte die Grundlagenforschung gezielt gefördert werden. Am besten dort, wo physikalische oder chemische Effekte noch nicht vollständig verstanden sind. Weinold erklärt: «Sind die Grundlagen einer neuen Technologie erst einmal richtig erforscht, so sind Spillover-Effekte fast unvermeidlich.»
Die Zukunft von LEDs
Interessant wird zu beobachten sein, wie die Entwicklung der LEDs weitergeht – und ob sie überhaupt weitergeht. Weinold hat in seiner Arbeit herausgefunden, dass fast alle physikalischen Prozesse, die bei der Lichterzeugung in LEDs eine Rolle spielen, in den letzten Jahren nahe an ihre theoretisch maximale Effizienz gestossen sind. Es könnte also sein, dass sich die Entwicklung traditioneller LEDs in den kommenden Jahren stark verlangsamen wird.
Nobelpreisträger Shuji Nakamura scheint das zu erahnen. Er hat sich aus der Entwicklung herkömmlicher LEDs verabschiedet und forscht nun zu Laser-LEDs, weil dort noch erhebliche Effizienzgewinne zu erwarten sind. Und grosse Hersteller wie Osram und Philips konzentrieren sich auf die Entwicklung von Spezialanwendungen wie Mikro-LEDs für Displays in Virtual-Reality-Brillen. Andererseits: In LEDs gibt es Prozesse, die durch quantenmechanische Effekte bereits eine Effizienz von über 100 Prozent erreichen. Weitere Überraschungen sind daher nicht ausgeschlossen.
Mit Investitionen Spillovers im Energiesektor fördern
Während sich PSI-Forscher Weinold mit den LEDs die Verbraucherseite vornahm, beschäftigten sich seine Kolleginnen und Kollegen in Cambridge mit der Erzeugerseite, also mit Photovoltaikanlagen und Lithium-Ionen-Batterien zur Energiespeicherung. Spillover-Effekte gab es in allen drei Technologien, wobei sie auf die Entwicklung der LEDs den grössten Einfluss nahmen.
Das Forschungsvorhaben zeige: «Man kann und darf angewandte Forschung und Grundlagenforschung nicht einfach trennen. Für die Energiewende sind beide nötig», findet Michael Weinold. «Wir haben gezeigt: Mehr Geld, an den richtigen Stellen in der Grundlagenforschung eingesetzt, fördert eindrucksvoll Innovationen und die wirtschaftliche Entwicklung.»
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Originalveröffentlichung
Rapid technological progress in white light-emitting diodes and its sources in innovation and technology spillovers
Weinold et al.
Nature Energy, 25.04.2025