Nach seinem Schulabschluss trat Rohat Sihyürek eine Lehre als Polymechaniker am PSI an. Hier fertigte der 20-Jährige hochpräzise Teile, die für die grösste Forschungseinrichtung der Schweiz unverzichtbar sind. Rohat Sihyürek erzählt, wie er seine Ausbildungszeit am PSI erlebte.
Rohat Sihyürek: «In der Schule habe ich mich nicht besonders für Naturwissenschaften interessiert. Aber als ich die Forschungseinrichtungen des PSI zum ersten Mal sah, war ich völlig fasziniert. Sie sind wirklich beeindruckend. Ich wusste, dass ich nicht nur mit den Händen, sondern auch mit dem Kopf etwas machen wollte, das zu konkreten Ergebnissen führt, auf die ich stolz sein kann. Was die Leute am PSI machen und welches Ziel sie verfolgen, hat mich überzeugt, hier meine Lehre als Polymechaniker zu machen.
Ich bin seit 2017 beim PSI. Ich fräse, drehe, bohre und schneide, um spezielle Metallteile herzustellen, die für den Unterhalt oder die Entwicklung der Grossanlagen des PSI gebraucht werden: SwissFEL, SINQ (Anm. d. Red.: Spallationsquelle zur Erzeugung von Neutronen) und Swiss Light Source. Meistens handelt es sich um einmalige Aufträge oder sehr kleine Stückzahlen. Die Qualitätsanforderungen sind sehr hoch: Die Teile müssen makellos, extrem glatt und millimetergenau gefertigt sein. Anfangs war dies eine Herausforderung. Aber beim PSI haben die Lernenden Zeit, sich weiterzubilden und sich zu verbessern – die Qualität der Arbeit ist entscheidend, nicht die Quantität. Durch das Feedback meines Lehrmeisters habe ich viel darüber gelernt, was ich verbessern und welche Techniken ich üben sollte.
Ich denke, unsere Arbeit ist wichtig, damit diese Forschungseinrichtungen funktionieren, aber wir haben wenig Kontakt zu den Forschenden: Die Aufträge kommen von den Herstellern. Ich verfolge das Geschehen beim PSI durch die Newsletter oder durch die Teilnahme an Präsentationen neuer Projekte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen in einer komplizierten Sprache, so dass es manchmal schwierig ist, ihnen zu folgen, aber im Allgemeinen erhält man ein grundlegendes Verständnis für das Projekt.
Um beim PSI eingestellt zu werden, hatte ich ein Vorstellungsgespräch und einen Eignungstest. Ich konnte meine Stärken zeigen: Mathematik, Geometrie und Englisch. Ich habe gesehen, dass die Lehre ernst genommen wird, und das hat sich bestätigt. Wir können viele Kurse belegen, zum Beispiel Technisches Zeichnen mit CAD, Spezialschweissen, Automatisierung oder pneumatische Steuerungen. Die Kurse am PSI sind nicht nur theoretisch, wie die an der Berufsschule, sondern auch sehr praktisch. Ich habe hier viel gelernt, auch über die menschlichen Aspekte – wie man seine Kolleginnen und Kollegen behandelt, wie man sich selbst motiviert, wie man sich verbessert. Mein Ausbilder sagt immer: Jetzt ist es an der Zeit, den Rucksack zu füllen und so viel wie möglich zu lernen.
Ich bin im vierten Jahr und mache diesen Sommer meinen Abschluss (Anm. d. Red.: Das Gespräch wurde vor den Sommerferien geführt.). Danach möchte ich in grossen Industriebetrieben arbeiten, in der Automobilindustrie oder in der Fertigung von Präzisionsuhren. Oder, warum nicht, weiterhin in einer Forschungseinrichtung. Ich habe meine Zeit hier sehr genossen.»
Die Berufslehre – das verborgene Gesicht der Schweizer Forschung
Lernende spielen eine wenig bekannte, aber wichtige Rolle in der Schweizer Wissenschaft. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf junge Menschen, die in den Institutionen des ETH-Bereichs ausgebildet werden.
Vom Labor bis zum Bau, von der Elektronik bis zur Polymechanik: Rund zwanzig Berufe werden in den Institutionen des ETH-Bereichs ausgebildet. Diese verschiedenen Berufe spielen eine Schlüsselrolle bei den wissenschaftlichen Fortschritten, die die Schweizer Forschung international bekannt gemacht haben. «Unsere Lernenden arbeiten an ganz konkreten Forschungsprojekten», erklärt Stefan Hösli, Leiter der Lehrlingsausbildung an der Empa. «Einige führen gemeinsam mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Experimente durch, andere fertigen komplexe Teile für alle Arten von Geräten und Anlagen. Sie sind auch Akteure in der Schweizer Forschung, aber sie sind nicht sehr sichtbar.»
Das duale Bildungssystem der Schweiz sei bei den zahlreichen ausländischen Forschenden, die hier arbeiten, nicht sehr bekannt, sagt Céline Henzelin-Nkubana, Leiterin der Lehrlingslaborschule am Institut für Chemie und Ingenieurwissenschaften der EPFL: «Sie unterschätzen oft die Fähigkeiten der jungen Leute, die wir ausbilden. Jedes Jahr suche ich nach Forschungsgruppen, die die acht neuen Auszubildenden betreuen, die zu uns kommen, und manchmal beobachte ich eine gewisse Zurückhaltung bei den Professorinnen und Professoren. Aber dann sagen sie, dass sie sehr überrascht seien, wenn sie die Qualität der geleisteten Arbeit sehen. Unsere Auszubildenden verbringen eineinhalb Jahre damit, die Labortechniken zu perfektionieren und sind oft sehr schnell, effizient und sorgfältig.»
Die Welten der Lehre und der Forschung verstünden sich nicht immer gut, so die Chemikerin weiter. Ein Gruppenleiter hatte eine Auszubildende bei den wöchentlichen Treffen monatelang ignoriert, doch schliesslich integrierte er sie: Nachdem er einmal allein mit ihr gesprochen hatte, stellte er fest, dass sie viel mehr wusste, als er gedacht hatte. Um diese beiden Welten besser miteinander zu verbinden, hat die EPFL die Leitung der Laborschule einem Duo anvertraut: «Ich habe eine Karriere in der akademischen und industriellen Forschung hinter mir, während mein Kollege eine Lehre absolviert hat, gefolgt von einem Studium an einer Fachhochschule und einer Zeit in der Privatwirtschaft.»
Lernende als Autoren eines wissenschaftlichen Artikels
Einige Berufe – wie z. B. Laborassistentinnen und -assistenten in der Chemie, Physik und Biologie – sind gut in Forschungsgruppen integriert. Die Lernenden bereiten Experimente vor und führen sie unter der Aufsicht von Doktorierenden durch. Diese Beiträge werden im Allgemeinen gewürdigt, zum Beispiel in den Danksagungen am Ende wissenschaftlicher Artikel oder bei Vorträgen. Manchmal werden Auszubildende sogar als Mitautorinnen und -autoren aufgeführt, was eine schöne Anerkennung ihres Beitrags zur Forschung darstellt.
Andere Berufe haben einen geringeren Bezug zur akademischen Welt. «Wir erhalten die Aufträge in der Regel von den Herstellern der Maschinen und Anlagen, und sie sind es, die mit den Forschenden sprechen», sagt Markus Fritschi, Polymechanik-Ausbildner am PSI. Aber auch das Forschungsumfeld beeinflusse diese Ausbildungen: «Unsere Lernenden arbeiten an sehr speziellen Teilen in kleinen Stückzahlen – im Gegensatz zur Industrie, die in der Regel grosse Mengen standardisiert produziert», so Stefan Hösli von der Empa, «wir haben grosse Freiheiten bei der Gestaltung des Unterrichts, und natürlich arbeiten wir mit modernster Technik, die in Berufsschulen nicht immer zur Verfügung steht. Tatsächlich sind wir in Gesprächen mit den Berufsverbänden, um die Berufsbildung unter Einbeziehung moderner Werkzeuge wie dem 3-D-Druck schneller zu entwickeln.»
Neugierige, aufgeschlossene und talentierte junge Menschen
Die Jugendlichen, die ihre Lehre in den Forschungsinstitutionen des ETH-Bereichs absolvieren, haben ein besonderes Profil, stellen die Ausbildnerinnen und Ausbildner fest: neugierige Menschen, die sich sowohl für handwerkliche Arbeit als auch für das Denken interessieren und Herausforderungen nicht scheuen. «Es gibt eine kleine, aber wachsende Zahl von Frauen», stellt Cornel Andreoli, Ausbilder von Physiklaborantinnen und -laboranten an der ETH Zürich fest.
Das Paradoxe daran ist, dass diese jungen Talente oft ihren Grundberuf aufgeben, um eine höhere Ausbildung zu absolvieren. «Einerseits freue ich mich, dass die Lernenden ihre Ausbildung an einer Hochschule fortsetzen. Andererseits handelt es sich um talentierte Menschen, die in unserem Beruf dann fehlen», sagt Stefan Hösli. Ein echter «Hand Drain», um an den berühmten «Brain Drain» von Forschenden zu erinnern, die ihr Herkunftsland verlassen. Nur ein Viertel der Chemielaborantinnen und -laboranten bleibe im Beruf, bestätigt Céline Henzelin-Nkubana, wobei ein Viertel sich leicht umorientiere und gut die Hälfte eine Hochschulausbildung absolviere. «Am Anfang sagen die meisten, dass sie arbeiten und nicht studieren wollen. Aber die Forschungserfahrungen führen oft zu einem Richtungswechsel – und zu einer neuen Berufung.»