Protonen gegen Tumore

Interview mit Damien Charles Weber

Seit 1984 werden an Krebs erkrankte Patienten am heutigen Paul Scherrer Institut mit Protonen behandelt. Das Verfahren ermöglicht bei bestimmten Tumorarten ein besonders zielgenaues Vorgehen, bei dem das Tumorgewebe erfolgreich bekämpft und das umliegende Gewebe optimal geschont wird. Dass die Protonentherapie eine Erfolgsgeschichte ist, zeigt sich beispielhaft im Bereich Augen an der Quote von 98% aller Fälle, in denen das Tumorwachstum definitiv gestoppt wurde.
Leiter des Zentrums für Protonentherapie am PSI ist seit 2013 Damien Charles Weber, der ausserdem Professuren für Radio-Onkologie an den Universitäten Bern und Zürich inne hat. In dem folgenden Interview macht er unter anderem deutlich, was es bedeutet, ein medizinisches Behandlungszentrum an einem Forschungsinstitut zu betreiben. Ausserdem spricht er davon, dass in absehbarer Zeit die Protonentherapie auch zur Behandlung von Tumoren in bewegten Lagen, etwa im Oberbauch oder in der Umgebung der Lunge, eingesetzt werden kann. Zusätzlich steht eine Erweiterung des Zentrums an: Mit Unterstützung des Kantons Zürich wird 2016 ein zusätzlicher Platz für die Krebsbehandlung eingerichtet.

Herr Weber, ist die Tumorbehandlung mittels Protonentherapie am Paul Scherrer Institut eine Erfolgsgeschichte?

Der Radio-Onkologe Damien Charles Weber leitet das Zentrum für Protonentherapie am Paul Scherrer Institut. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)
Für eine effiziente Protonenbehandlung kommt es darauf an, dass der Patient aus verschiedenen Richtungen mit Protonen bestrahlt wird. Schwere Antriebsketten sorgen dafür, dass die rund 250 Tonnen schwere Gantry 2 des PSI, die den Protonenstrahl zum Patienten leitet, millimetergenau bewegt werden kann. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)
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Das kann man so sagen. Als hier in Villigen 1984 erstmals Augentumore mit Protonen bestrahlt wurden, verfügte das PSI damit über die erste Anlage europaweit. In den vergangenen 25 Jahren wurden mehr als 7000 Patienten hier behandelt. In 98 Prozent aller Fälle gelten unsere Augenpatienten als geheilt. An unseren Behandlungsplätzen Gantry 1 und Gantry 2 haben wir zudem tausend Patienten mit tief im Körper liegenden Tumoren therapiert. Hier haben wir ebenfalls sehr ermutigende Ergebnisse mit über 70–80 Prozent Tumorkontrolle bei einigen Indikationen.

Am PSI werden sehr viele krebskranke Kinder behandelt. Was macht die Protonentherapie für diese Patientengruppe so wichtig?

Kinder sind kleiner als Erwachsene und ihre Organe und der zu behandelnde Tumor liegen daher wesentlich näher beieinander. Aus diesem Grund ist es schwierig, das Tumorgewebe zu bestrahlen, ohne dabei gleichzeitig andere Organe zu treffen. Mittels konventioneller Radiotherapie verabreichte Strahlen können weniger genau gesteuert werden und haben auch eine grössere Streuung als die Bestrahlung mit Protonen, die ihre zerstörende Wirkung sehr präzise an den berechneten Stellen im Krebsgewebe entfaltet und nicht im gesunden Gewebe.

Sie führen als Chefarzt ein medizinisches Zentrum an einem Forschungsinstitut. Fühlen Sie sich manchmal ein wenig als Exot?

Ja und nein. Diese Doppelrolle hat Vorteile für die Forschenden am PSI und für die Patienten. Einerseits werden am Zentrum für Protonentherapie sehr wirksam Patienten behandelt. Andererseits treiben wir die klinische Forschung immer weiter voran. Hier werden Techniken entwickelt, die erst in fünf bis zehn Jahren in anderen Zentren der Protonentherapie implementiert werden. Da profitieren wir von der unmittelbaren Interaktion zwischen medizinischer Physik und Strahlentherapie. Sie bringt uns immer wieder spannende Diskussionen, da hier Leute mit völlig unterschiedlichen Hintergründen nach der bestmöglichen Lösung suchen.

Was macht die Aufgabe am Zentrum für Protonentherapie für Sie so reizvoll?

Zu uns kommen jene 5 bis 6 Prozent der Krebspatienten, die radiotherapeutisch behandelt werden und die in kein Schema der normalen Onkologie passen. Wir suchen für jeden einzelnen dieser speziellen Fälle die beste Strategie. Es sind Fälle, die in normalen Krebstherapiezentren mit traditioneller Röntgentherapie kaum vorkommen.

Wie kamen Sie selbst ans PSI?

In den Jahren 2003/04 arbeitete ich bereits hier am PSI, am Zentrum für Protonentherapie. So kannte ich das Aufgabengebiet und das Umfeld. Als sich 2013 die Möglichkeit bot, die Leitung des Zentrums zu übernehmen, konnte ich dieser Herausforderung nicht widerstehen.

Was sind Ihre Ziele in den nächsten Jahren?

Es ist in der Protonentherapie wie überall – alles altert. Unsere Geräte und die Software sind alle in den 1990er-Jahren am PSI inhouse entwickelt worden. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Entstehung wegweisend und gehören bis heute zum Besten, was es in diesem Bereich gibt. Man kann aber nicht darüber hinwegsehen, dass es immer aufwendiger wird, sie zu warten und funktionstüchtig zu halten. Wir müssen diese Systeme modernisieren und in eine moderne IT-Infrastruktur integrieren, Dabei werden wir zum Teil auf Technologien umstellen, die auf dem Markt erhältlich sind. Das gilt etwa für Systeme, mit denen wir die Behandlung planen.

Ist der Behandlungsplatz Gantry 3 ein solcher Fall, bei dem Sie auf dem Markt einkaufen statt selber zu entwickeln?

Müssten wir die Gantry 3 selber bauen, würde dies viel zu lange dauern. Da der Kanton Zürich 20 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds für dieses Projekt zur Verfügung stellt, will er auch zügig mit der Behandlung von Patienten beginnen. Daher entsteht dieser Behandlungsplatz erstmals in Zusammenarbeit mit einem kommerziellen Entwickler solcher Geräte. Dabei wurden die sehr genauen Gerätespezifikationen als Auflage für den Entwickler vom PSI bestimmt.

Wohin wird der Weg in der Behandlung mit Protonen in den nächsten Jahren gehen?

Wir wollen künftig auch Tumore behandeln können, die durch ihre Lage im Oberbauch oder in der Lunge beim Atmen unweigerlich bewegt werden. Dazu muss der Protonenstrahl in der Lage sein, diesen Bewegungen präzise zu folgen. Wir könnten in ungefähr einem Jahr so weit sein.

Und was ist die nächste Stufe, in die die Entwicklung der Protonentherapie führen wird?

Wir entwickeln eine noch schonendere Scanning-Technologie, die wir als repainting strategy bezeichnen. Dabei streichen wir mit unzähligen kleinsten Strahlenmengen wieder und wieder über den Tumor.

Das sind ehrgeizige Pläne. Sie sind nicht nur am PSI tätig, sondern haben auch noch Professuren an den Universitäten Bern und Zürich. Wie bringen Sie das alles zeitlich unter einen Hut?

Am Berner Inselspital habe ich ein klinisches Projekt in einem 10-Prozent-Pensum. In Zürich arbeite ich ebenfalls 10 Prozent. Man muss extrem gut organisiert sein und exzellente Mitarbeiter haben. Ich hatte auch das Glück, eine sehr gute Assistentin zu finden, die mir den Rücken frei hält. Ich versuche mit meinen Mitarbeitern einen guten Kontakt auf nicht konventionellen Wegen zu pflegen, denn ich bin ja nicht 100 Prozent vor Ort. Wenn es die Zeit erlaubt, gehen wir zusammen essen oder Kaffee trinken, um die soften Informationen auszutauschen.

Interview: Alexandra von Ascheraden

Zur Person
Der Romand Damien Charles Weber ist seit September 2013 Leiter und Chefarzt des Zentrums für Protonentherapie (ZPT) am PSI. Er ist Professor für Radio-Onkologie an den Universitäten Zürich und Bern. Nach seinem Medizinstudium in Genf und seiner Facharztprüfung in Onkologie/Radio-Onkologie hat Damien Weber am Harvard Laboratory Cyclotron und am North East Proton Therapy Center in den USA im Bereich der Protonentherapie gearbeitet. Nach seiner Rückkehr aus den USA war er am PSI tätig und wiederum in Genf als stellvertretender Chefarzt. Weber ist auch Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Schweizer Radio-Onkologen. Seine Frau ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit geht Weber segeln und Ski fahren.
Protonentherapie am PSI
Das PSI führt das einzige Zentrum für Protonentherapie der Schweiz. Hier steht ein Behandlungsgerät für Augentumore – OPTIS – zur Verfügung. Ausserdem verfügt das Therapiezentrum über zwei Bestrahlungsgeräte – Gantry 1 und Gantry 2 – zur Bestrahlung tief liegender Tumore. Im Bau befindet sich derzeit eine dritte Gantry, die ab 2016 für den Patientenbetrieb bereitstehen soll. Anders als die sonst in der Radiologie eingesetzten Bestrahlungsverfahren schonen Protonen das umliegende gesunde Gewebe optimal und stoppen das Tumorwachstum dennoch erfolgreich. Mit der am PSI entwickelten Spot-Scanning-Technik können tiefliegende Krebstumore zielgenau bestrahlt werden. Das Verfahren ist nur für bestimmte Tumorerkrankungen geeignet, eine Liste findet man unter: www.psi.ch/protontherapy/indikationen.
Weiterführende Informationen
Zentrum für Protonentherapie