Robustes Röntgengerät für Entwicklungsländer

Das Paul Scherrer Institut PSI ist an einem Projekt mehrerer Forschungsinstitute (unter Leitung der EPFL) beteiligt, ein Röntgengerät speziell für Entwicklungsländer zu entwickeln. Das Gerät soll mit tropischem Klima zurechtkommen sowie einfach zu reparieren und kostengünstig sein. PSI-Forschende konzentrieren sich dabei auf das Herstellen eines kostengünstigen Detektors, der für die Bildaufnahmen benötigt wird. Vergleichbar mit einem Chip in einer Digitalkamera registriert der Detektor das Röntgenlicht.

Das robuste, aber kostengünstige Röntgengerät GlobalDiagnostiX wurde in enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit mehrerer Institute entwickelt und soll Entwicklungsländern Zugang zu modernen Diagnosemethoden ermöglichen. (Foto: Alain Herzog/EPFL)
David Haberthür, Postdoktorand in der Gruppe Röntgentomografie am PSI, hat mehr als hundert Gerätekomponenten für ein robustes Röntgengerät getestet. Sie erzeugen digitale Röntgenbilder, die bei Bedarf auch per Mobiltelefon an Spezialisten versendet werden können. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Zwei Drittel der Weltbevölkerung haben keinen Zugang zu Röntgengeräten. Dabei gehören Röntgenbilder in der modernen Medizin zu den grundlegenden Diagnosewerkzeugen. Entwicklungsländer erhalten zwar immer wieder ausgemusterte Röntgengeräte aus Industrieländern. Diese lindern den Mangel jedoch nur kurzfristig, da sie nicht an die tropischen Bedingungen vor Ort angepasst sind. Sie vertragen keine Hitze, keine Luftfeuchtigkeit, keinen Staub, keine unregelmässige Stromversorgung. Die WHO schätzt, dass 70% aller gespendeten medizinischen Geräte im Empfängerland nie verwendet werden.

Harten Anforderungen gewachsen

Ein Konsortium unter der Federführung der ETH Lausanne EPFL1 hat nun mit GlobalDiagnostiX das erste digitale Röntgengerät speziell für Entwicklungsländer entwickelt. Auch das PSI hat seinen Beitrag geleistet. PSI-Postdoktorand David Haberthür erläutert: Moderne Film-Röntgengeräte kosten über zehn Jahre gerechnet inklusive Anschaffung, Betrieb und Verbrauchsmaterial an die 500‘000 Franken. Das Ziel des Projekts ist, diese Gesamtkosten auf ein Zehntel zu senken. Gleichzeitig soll das Gerät Temperaturen bis 40 Grad Celsius standhalten und Luftfeuchte bis 95% ebenso tolerieren wie die hohe Staubbelastung, die häufig ein Problem darstellt.

Stromausfälle überbrücken

Die Neuentwicklung verträgt instabile Stromversorgung. Der Prototyp kann bis zu fünf Stunden gänzlich ohne Stromversorgung funktionieren. Auch der hohe, plötzliche Stromverbrauch von Röntgengeräten stellt die Spitäler vor Probleme. Ein Röntgengerät benötigt für die Röntgenröhre sehr hohe elektrische Leistung in kurzer Zeit. Durch ein eigens entwickeltes Modul kann GlobalDiagnostiX diese bereitstellen, ohne ständig die Stromversorgung des Spitals zu überlasten.

Zudem ist das Gerät einfach zu bedienen. Das ist wichtig, denn das häufig stark eingespannte Personal kann oft nicht ausreichend an komplizierten Geräten geschult werden.

Aufgabe des PSI war es, ein Konzept für einen geeigneten Röntgendetektor zu entwickeln und diesen als Prototyp in Zusammenarbeit mit den Partnern aufzubauen. Er sollte so kostengünstig wie möglich sein und dennoch den gängigen medizinischen Standards entsprechen, was Bildqualität und geringe Strahlenbelastung für die Patienten angeht, erläutert Haberthür. Der digitale Detektor ersetzt im Röntgengerät den in Entwicklungsländern noch häufig gebrauchten Röntgenfilm. Wie eine digitale Kamera wandelt der Detektor die Röntgenstrahlen in ein Bild um.

6000 Aufnahmen jährlich

Das Gerät ist darauf ausgelegt, mehr als 6000 Aufnahmen pro Jahr zu machen. Seine Hauptaufgabe wird sein, die am häufigsten vorkommenden Untersuchungen zu meistern. Es ist kein Spitzengerät für die Hochleistungsmedizin. Aber es kann 99% dessen, was im Spitalalltag im geplanten Umfeld gebraucht wird, so Haberthür weiter. Um die bestmögliche Bildqualität bereitzustellen, hat Haberthür Detektoren, die für die Bildaufnahme benötigt werden, mit verschiedenen Linsen und einem Szintillator kombiniert. Letzterer wandelt Röntgenlicht in sichtbares Licht um – denn nur dieses kann von den Bilddetektoren erfasst werden.

Im Prototyp sind zwölf baugleiche Module aus diesen drei Komponenten so angeordnet, dass mit ihnen eine 43 cm × 43 cm grosse Fläche geröntgt werden kann. Man kann sich das vorstellen wie eine Anordnung einzelner Fotoapparate, die ähnlich wie das Facettenauge eines Insekts funktionieren. Jeder bildet nur einen kleinen Teil des Gesamtbildes ab. Software setzt aus den Einzelbildern, gleich dem Insektengehirn, das komplette Bild zusammen. Die Herausforderung bestand darin, die beste Kombination an Komponenten zu bestimmen. Hierfür gab es zwei Kriterien. Zum einen mussten alle Komponenten am Markt erhältlich sein, zum anderen sollte das ganze Gerät vor Ort auch von dortigen Technikern repariert werden können.

Dutzende Kombinationen ausgetestet

Wir haben viele verschiedene Varianten durchgerechnet und teilweise Simulationen gemacht, um die ideale Komponenten- Kombination für die vordefinierten Bedürfnisse zu selektieren, erinnert sich Haberthür. Danach ging es daran, die als geeignet erachteten Komponenten in allen erdenklichen Zusammenstellungen zu prüfen und die beste herauszufiltern. Am Ende hat er gemeinsam mit dem Studenten Ivan Kasanzew im Labor 124 verschiedene Kombinationen verbaut und getestet.

Anschliessend musste noch eine Bauweise gefunden werden, die auch eine rauere Behandlung ohne Schäden übersteht. Das gelang in Zusammenarbeit mit der EPFL und dem Institut für Industrielle Automation der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) in Yverdon-les-Bains, so Haberthür: Unser Detektor ist deutlich massiver als marktüblich in einem stabilen Metallrahmen verbaut und übersteht auch Erschütterungen. Lässt man ein marktübliches Gerät fallen, ist der Detektor nicht mehr zu retten. Neben der massiven Bauweise trägt auch die modulare, facettenaugenähnliche Bauweise zur Robustheit des Gerätes bei.

Geht eins der zwölf Module des Detektors kaputt, liegt nicht gleich das ganze System lahm. Der Patient muss seine verletzte Hand vielleicht etwas anders platzieren. Man kann aber weiter Bilder machen, bis das Ersatzteil da ist. Der Prototyp des kompletten Röntgengerätes ist bereits funktionstüchtig. Nun muss sich das Gerät vor Ort im Testspital in Kamerun einer harten Evaluation unterwerfen. Nur wenn es sich unter den anspruchsvollen Bedingungen vor Ort bewährt, wird es auch seinen Markt finden.

1 Die Koordination lag beim EssentialTech-Team des Cooperation & Development Center der EPFL. Eine vollständige Liste der beteiligten Institutionen finden Sie auf der Webseite http://www.globaldiagnostix.org/ (in Englisch und Französisch).

Text: Paul Scherrer Institut/Alexandra von Ascheraden

Weiterführende Informationen

Webseite von GlobalDiagnostiX (in Englisch und Französisch)

Kontakt / Ansprechpartner
Dr. David Haberthür
Paul Scherrer Institut
5232 Villigen
Schweiz
Telefon: +41 56 310 31 80
E-Mail: david.haberthuer@psi.ch