Sauberes Biogas für eine erfolgreiche Energiewende

In einer Biogasanlage bei Luzern haben PSI-Forschende ihr Lager aufgeschlagen. Zwischen Wiesen und riesigen Fermentern untersuchen sie, wie sie aus dem Biogas Verunreinigungen entfernen können, um diesen Energieträger noch besser nutzbar zu machen.

Ein Milchtankwagen rollt auf das Gelände der Swiss Farmer Power Inwil (SFPI), knapp zehn Kilometer nördlich von Luzern. Der Fahrer steigt aus, klemmt einen Schlauch an das Fahrzeug und beginnt, Molkereiabfälle in einen Lagertank abzupumpen. Gegenüber lagert ein Schaufellader frischen Schweinemist in einer Lagerhalle um. Dort häufen sich zudem Weizenspreu und Säcke mit abgelaufenem Milchpulver. Alles Futter für die wichtigsten Mitarbeiter der Biogasanlage in Inwil: die Mikroorganismen in den über tausend Kubikmetern grossen Fermentern. Sie verdauen das organische Ausgangsmaterial und produzieren daraus unter anderem Biogas. Der wertvolle Energieträger besteht zu einem Grossteil aus Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas.

Geschäftsführer Philip Gassner von Swiss Farmer Power Inwil hofft, durch die Zusammenarbeit mit dem PSI besser zu verstehen, warum die Zusammensetzung «seines» Biogases so stark schwanken kann.
(Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

In der Schweiz fallen jährlich über 1,3 Millionen Tonnen Bioabfälle an. In über hundert Biogasanlagen im Land entsteht daraus Biogas mit einer Leistung von jährlich über 400 Gigawattstunden. Swiss Farmer Power Inwil alleine produziert davon 30 Gigawattstunden. Über ein unscheinbares, zehn Zentimeter dickes Rohr wird das erzeugte Biomethan direkt ins Erdgasnetz eingeleitet. Zum Vergleich: 2018 hatte die Schweiz einen Gasabsatz von rund 37 000 Gigawattstunden.

Eingespeistes Biomethan unterliegt strengen Qualitätskriterien: In der Schweiz muss es beispielsweise zu mindestens 96 Prozent aus Methan bestehen, darf maximal 2 Prozent Wasserstoff und fünf Millionstel Teile Schwefelwasserstoff enthalten. Um einleitfähiges Biomethan zu machen, reinigt der Betrieb das Biogas daher zunächst mit Aktivkohle. Anschliessend wird Kohlendioxid entfernt, das immerhin 30 bis 50 Prozent des Rohbiogases ausmacht. Das geschieht mit einer sogenannten Aminwäsche: Eine chemische Waschlösung, durch die das Biogas geleitet wird, bindet das CO2 und trennt es so vom Rest.

Schwefel muss raus

Rohbiogas lässt sich in Zukunft noch wirksamer für die Energiewende nutzen, hoffen die PSI-Forschenden. Allerdings enthält das Biogas viele weitere Verunreinigungen, die für zukünftige Anwendungen von Bedeutung sind. Ziel ist es daher, das Rohbiogas genauestens auf seine Zusammensetzung zu analysieren und auch kleinste Mengen an Störstoffen effektiv und möglichst kostengünstig zu entfernen.

«Organische Schwefelverbindungen bereiten uns die meisten Kopfschmerzen», sagt Ingenieur und PSI-Gruppenleiter Serge Biollaz. Diese Verbindungen entstehen zusammen mit Schwefelwasserstoff, wenn Bakterien Proteine zerlegen, die Schwefelatome enthalten. Diese und andere Störstoffe verhindern bisher, dass sich Biogas beispielsweise in einer Brennstoffzelle nutzen lässt. Brennstoffzellen produzieren Strom aus energiereichen Gasen wie Wasserstoff oder Methan. Schwefelverbindungen aber sind für sie pures Gift. Mit Biogasen – wie in Inwil erzeugt – lassen sich deshalb momentan keine Brennstoffzellen betreiben.

«Wir wollen direkt vor Ort die Frage beantworten, wie wir Biogase sauber genug für verschiedene Endnutzungen bekommen», sagt Biollaz. «In diesem Fall soll es rein genug sein für eine Brennstoffzelle.» Dafür darf das Gas maximal 0,5 Millionstel Teile Schwefelverbindungen enthalten. Das ist gerade mal ein Zehntel von dem, was in dem Biomethan zugelassen ist, das die SFPI ins Erdgasnetz einleitet. Zu diesem Zweck wurde eigens ein Teil der ESI-Plattform, kurz für Energy System Integration, nach Inwil transportiert. Diese Versuchsplattform des PSI testet erneuerbare Energiealternativen in ihrem komplexen Zusammenspiel miteinander.

Serge Biollaz, Ingenieur und Gruppenleiter am PSI, auf dem Weg zum PSI-Container mit der Gasreinigungsanlage auf dem Gelände der Biogasanlage in Inwil.
(Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Auf dem Gelände der SFPI wurde ein Container mit der Forschungsanlage Cosyma aufgestellt und daneben ein weiterer mit Gasanalyse-Messgeräten. «Das war von Anfang an Teil des Konzeptes der ESI», erklärt Biollaz. «Einzelne Elemente wurden genau deshalb in Containern untergebracht, damit man sie flexibel vor Ort einsetzen kann, wie schon 2017 beim Vergär- und Klärwerk Werdhölzli in Zürich.»

Wie die Biogasanlagen profitieren

Gemeinsam mit dem Start-up UniSieve, einem Spinoff der ETH Zürich, erproben die PSI-Forschenden in Inwil zudem eine neue Trennmethode, um Kohlendioxid aus dem Biogas zu entfernen: Eine neue Art von Membran von UniSieve soll CO2 und Methan aufgrund ihrer unterschiedlichen Molekülgrössen trennen – quasi wie ein Sieb. Funktioniert das auch im Praxiseinsatz, könnte das die Kosten für die Erzeugung von Biomethan weiter senken.

 Die Bakterien in den Fermentern bekommen viele verschiedene Substrate zur Vergärung vorgesetzt. Kein Wunder also, dass die Zusammensetzung des Biogases sehr variabel ist. «Oft kommt es zu unangenehmen Überraschungen», erzählt Philip Gassner, Geschäftsführer bei SFPI: Je nach Tagesform und Fütterung der Bakterien enthält das Biogas beispielsweise zu viel Kohlendioxid, dann wieder zu viel Schwefelwasserstoff.

«Ist die Qualität des Biomethans für die Einspeisung nicht gut genug, schliesst sich der Hahn automatisch und wir können nichts mehr ins Erdgasnetz einspeisen», sagt Gassner. «Die Biologie aber läuft weiter.» Dann bleibt SFPI nichts anderes übrig, als das wertvolle Biomethan zu verbrennen. Denn Methan darf keinesfalls in die Atmosphäre gelangen: Es ist noch viel klimaschädlicher als Kohlendioxid, das bei seiner Verbrennung entsteht. «Wir hoffen, mithilfe der PSI-Forschenden besser zu verstehen, was mit unserem Biogas im Laufe der Bildung und Verarbeitung passiert.» Das könnte letztendlich allen Biogasanlagen im Land nützen.

Vom Labor ins echte Leben

Serge Biollaz betritt den vorderen der zwei ESI-Container auf dem SFPI-Gelände. Hier strömt das Biogas hintereinander durch zwei Reaktoren. Im ersten Reaktor wird Schwefelwasserstoff entfernt sowie Terpene, das sind natürliche Kohlenwasserstoffe. Im zweiten Reaktor sollen organische Schwefelverbindungen eliminiert werden, darunter Dimethylsulfid, das laut Biollaz «besonders viele Probleme macht und schwierig abzuscheiden ist». Dimethylsulfid ist eine sehr häufige Verbindung auf der Erde, da sie auch von Phytoplankton im Meer gebildet wird. Für eine Brennstoffzelle ist auch diese Schwefelverbindung pures Gift.

Das Biogas soll sogar sauber genug werden für eine Brennstoffzelle.

Serge Biollaz, Ingenieur im Labor für Bioenergie und Katalyse am PSI

In ihren Laboren am PSI haben die Forschenden in jahrelanger Kleinstarbeit in Zusammenarbeit mit Industriepartnern nach potenziell geeigneten Sorptionsmaterialien gesucht, die Verunreinigungen besonders effektiv entfernen und auch eine möglichst grosse Bandbreite an Störstoffen abfangen. «Wir wollen nicht an jedem Standort wieder bei Null anfangen müssen», erklärt Biollaz. Was in Inwil funktioniert, sollte auch in anderen Biogasanlagen der Schweiz mit anderen Biogaszusammensetzungen wirtschaftlich funktionieren. Aktuell testen die Forschenden ein Zeolith, ein poröses silizium- und aluminiumhaltiges Material, das auch organische Schwefelverbindungen aufnehmen und festhalten kann.

Im Labor und auf der ESI-Plattform steht den Forschenden kein echtes Biogas zur Verfügung. Stattdessen mischen sie sich eine möglichst ähnliche Gasmischung aus Gasflaschen zusammen. «Das ist natürlich etwas anderes als das, was eine echte Biogasanlage im Betrieb hergibt. Gerade die Situation hier in Inwil ist besonders, weil die Anlage so viele verschiedene Substrate umsetzt», freut sich Julian Indlekofer, Mitarbeiter in der Gruppe von Biollaz, der vor Ort in Inwil mitmisst.

Anhand der erzielten Erkenntnisse wollen die PSI-Forschenden dann die Reinigung des Biogases optimieren – so lange, bis es selbst für eine Brennstoffzelle sauber genug ist.

Text: Brigitte Osterath

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