Das Upgrade einer der Grossforschungsanlagen des Paul Scherrer Instituts PSI, der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, schreitet voran: Die Elektronen sind nun zurück im komplett neuen Elektronenspeicherring. Ein Bericht aus dem Kontrollraum der SLS.
Um eine grosse Maschine anzuschalten, reicht es meist nicht, nur einen Knopf zu drücken. Und die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS ist eine durchaus beachtliche Maschine: Eine Beschleuniger basierte Grossforschungsanlage, die am Paul Scherrer Institut PSI bald wieder hochintensives Röntgenlicht für rund zwanzig Experimentierstationen produzieren soll. Dank des Upgrades SLS 2.0 und einem deutlich schlankeren Elektronenstrahl wird dieses Licht um ein Vielfaches brillanter sein und somit bessere Forschung ermöglichen als je zuvor. Nun ist es Anfang 2025 und die Anlage wird nach fünfzehn Monaten aus dem Schlaf geweckt. Schrittweise und wohl überlegt.
«Den Linearbeschleuniger und den Booster haben wir bereits vor Weihnachten getestet und erfreulich schnell wieder zum Laufen bekommen», erzählt Jonas Kallestrup. Er ist Beschleunigerphysiker, war bereits für seine Promotion an der SLS, arbeitete dann einige Jahre an der Diamond Light Source in Grossbritannien und ist seit 2022 zurück am PSI. Hier ist er insbesondere für den von ihm erwähnten Booster zuständig: Nach dem Linearbeschleuniger ist dies der Teil der SLS, der die Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit bringt. Von dort aus müssen sie in den Elektronenspeicherring gebracht werden. Und ab hier wird es spannend.
Denn der 288 Meter Umfang messende Elektronenspeicherring ist brandneu. Im Zuge des Upgrade-Projekts SLS 2.0 wurde er ab Oktober 2023 ausgetauscht. Das bedeutet: eine neue Vakuumröhre, in deren Inneren die Elektronen beinahe ungestört herumsausen können; eine neue ausgeklügelte Anordnung von rund 1000 Hochleistungsmagneten, die entlang des Rings um die Vakuumröhre angeordnet sind und die Elektronen auf ihrem präzisen Kurs halten; neue zugehörige Leitungen, Kühlsysteme, Vakuumpumpen und insgesamt rund 500 Kilometer Kabel, die das alles verbinden.
Eine Landschaft aus Zahlenkolonnen und Diagrammen
Kallestrup ist Teil des Commissioning-Teams, das dieser Tage hoch konzentriert im Kontrollraum des PSI im Nachbargebäude der SLS arbeitet. Meist sitzen hier fünf bis zehn Personen; einige von ihnen waren bereits bei der ersten Inbetriebnahme der SLS im Jahr 2001 dabei. Achtzehn grosse Computerbildschirme sind hier im Halbrund aufgestellt, jeder davon mit einem Dutzend Applikationsfenster. Zusammen zeigen sie eine säuberlich angeordnete Landschaft aus Zahlenkolonnen und Diagrammen, die es dem Team ermöglicht, die relevanten Parameter der SLS im Blick zu behalten.
Masamitsu Aiba hat bereits vor 25 Jahren seine Masterarbeit über Teilchenbeschleuniger verfasst. Später arbeitete er am CERN, 2009 kam er ans PSI. Die Elektronen nun in den Ring einzuspeisen ist sein Spezialgebiet. «Jetzt werden wir sehen, ob all die neuen Komponenten so präzise zusammenpassen, wie wir es vorab geplant und berechnet haben.» Auch an diesen detaillierten Berechnungen war Aiba beteiligt – die Vorbereitungen für den Umbau begannen schon vor mehreren Jahren.
Am Dienstag, den 14. Januar, gelingt es dem Team, die Elektronen in den ersten Bereich des Speicherrings einzuschleusen. Sehr weit kommen die Teilchen zunächst noch nicht; und das ist auch nicht das erste Ziel. «Es würde nichts bringen, wenn wir die Elektronen gleich einen ganzen Kreis machen liessen, es aber ein schlechter Kreis wäre», erklärt Aiba. Denn die Teilchen sind so schnell, dass sie im SLS-Betrieb jede Sekunde eine Million Mal den gesamten Ring durchfliegen – da macht sich jede noch so kleine Störung bemerkbar. Die Elektronen im Speicherring tatsächlich zu speichern, funktioniert also nur, wenn die erste und damit auch alle weiteren Runden so perfekt wie möglich sind.
Wenn der Strahl nicht gut genug weiterkommt, sieht Aiba an seinen Bildschirmen genau, welcher Magnet wie nachjustiert werden muss. «Dann schalten wir die Maschine ab, besprechen die Lage mit den Leuten von der Gruppe Vermessung, sie gehen in den Beschleunigertunnel und korrigieren die Magnete.» Ganz analog mit Schraubendrehern wird dann an einzelnen Permanentmagneten feinjustiert, bis sie noch besser eingestellt sind.
Diese neuen Hochleistungsmagnete sind ein entscheidender Teil des Projekts SLS 2.0: Statt der vorherigen Elektromagnete befinden sich nun 70 % Permanentmagnete entlang des Rings, was die SLS zu einer weltweit einzigartigen Anlage macht. Im Vergleich zu vorher spart dies 60 % Energie. Zudem reduziert sich dank der Permanentmagnete das Rauschen, das sich auf den Elektronenstrahl auswirkt. Alles in allem wird durch das Upgrade der Elektronenstrahl um den Faktor 40 besser als zuvor.
Von einer Viertelrunde auf eine Million Runden
Am Mittwoch, den 15. Januar, kommen die Elektronen schon durch das erste Viertel des Rings. Auf dem zweiten Bildschirm von rechts sieht man in einem der Software-Fenster eine Grafik mit einer Reihe von 130 grünen Punkten wie Perlen auf einer Kette. Sie zeigen die Messwerte der sogenannten Strahllagenmonitore, die entlang des Rings die Position und Intensität des Elektronenstrahls registrieren. Die ersten rund 30 Punkte sind hochgerutscht, alle dahinter liegen noch auf der Nulllinie – so weit also kommt der Strahl bis jetzt. Um es weiter zu schaffen, sind nun wieder einige technische Anpassungen notwendig.
Am Freitagnachmittag, den 17. Januar, gelingt dann der erste volle Kreis der Elektronen. Es ist noch keine geschlossene Bahn, also noch kein «gespeicherter Elektronenstrahl». Aber es ist ein wichtiges Zwischenergebnis, das ein kurzes Durchatmen und eine freudige E-Mail an alle Beteiligten wert ist.
Nun steht die zweite Phase der Strahl-Optimierung an. Auf dem Bildschirm ganz rechts zeichnet sich auf leuchtend blauem Grund ein roter Fleck ab. «Dieses Bild erhalten wir von einem fluoreszierenden Schirm, den wir in den Speicherring eingefahren haben», erklärt Felix Armborst, der im Kontrollraum der Einsatzleiter für die SLS ist. Armborst ist Beschleunigerphysiker, er hat am Synchrotron BESSY II in Berlin promoviert und arbeitet nun seit 2021 am PSI, zählt also wie Kallestrup zur jüngeren Generation. «Der Schirm ist fast durchsichtig für die hochenergetischen Elektronen, sie fliegen also durch ihn hindurch, und wenn sie eine ganze Runde schaffen, werden wir das als einen zweiten roten Fleck neben dem ersten sehen.» Ab dann wird sich das Commissioning-Team weiter vorarbeiten: zu einer dritten Runde, einer vierten und so weiter.
Dienstag, 21. Januar: Vierunddreissig relativ stabile Runden macht der Elektronenstrahl inzwischen. Die Strahllagenmonitore zeigen den Erfolg an. Aber in den späteren Runden nimmt die Strahlintensität deutlich ab. Aiba zeigt auf die rote Kurve, die diesen Abfall deutlich zeigt. Es ist noch ein Stück bis zur ersten Million.
Und schliesslich, am späten Vormittag des 23. Januar, gelingt es: «Gespeicherter Strahl! Wir haben einen stabilen gespeicherten Elektronenstrahl im Ring!», ruft jemand aus dem Team – und dann rufen es alle gemeinsam für Erinnerungsfotos und -videos. Grosse Erleichterung im Kontrollraum. «So etwas erlebt man vielleicht alle zwanzig Jahre mal!», sagt Kallestrup mit einem breiten Lächeln.
So schaltet man also eine aussergewöhnliche Maschine an – erfolgreich und im Zeitplan.