In der Halle der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS wird derzeit ein neuer Brückenkran eingebaut. Mit ihm wird das Upgrade zur SLS 2.0 zügig vonstattengehen. Aber wie schafft man ein 42 Meter langes und 40 Tonnen schweres Ungetüm ins Innere eines Gebäudes? Da bleibt nur der Weg von oben: durch das Dach.
Auf der Hauptstrasse neben dem kreisrunden Gebäude der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS hat ein Sattelzug mit einer nicht alltäglichen Last geparkt: Ein blauer, etwa 42 Meter langer Metallkoloss prunkt da auf dem Auflieger. Das Bauteil ist die Brücke des neuen Krans und damit das grösste und schwerste von allen Komponenten, die unter dem Dach der SLS eingebaut werden. Es ist bereits mit vier Schlingen an dem über 80 Meter hohen Pneukran befestigt, der neben dem Ufo-förmigen Gebäude in den Himmel ragt.
Die Strasse ist kurzzeitig gesperrt, auf dem Veloweg und auf dem PSI-Gelände haben sich Dutzende Schaulustige versammelt. Gebannt beobachten sie, wie der riesige Kran das blaue Ungetüm hochhebt und langsam in die Höhe zieht. Schliesslich schwebt es über einer Öffnung im Dach des SLS-Gebäudes.
Die Sonne brennt, und Projektleiter Bau Oliver Dirr ist erleichtert, dass das Wetter tatsächlich so gut ist wie vorhergesagt. Für das Unterfangen wäre Regen verheerend gewesen: Um den neuen Brückenkran einzubauen, war es nötig, das Dach des SLS-Gebäudes zu öffnen. «Ein Dachsegment mussten wir komplett rückbauen, sprich die Isolation entfernen und die Holzstruktur aufschneiden», erzählt Dirr. «Es gab schlicht keine andere Möglichkeit, den riesigen Kran in die Halle zu bringen.»
Wenn es eine App gibt, die das Projektteam in den vergangenen Tagen so gut wie ständig geöffnet hatten, war es die Wetter-App. Eigentlich war das Vorhaben schon für die Woche zuvor geplant, musste wegen schlechten Wetters aber verschoben werden.
Mit doppeltem Einsatz zur SLS 2.0
40 Tonnen wiegt der neue Hallenkran insgesamt, seine Brücke alleine knapp 33 Tonnen. Der SLS-Zuwachs ist eine Million Schweizer Franken wert, finanziert durch Gelder für das Upgrade zur SLS 2.0. Denn eben zu diesem Zweck findet der Einbau statt. Zwar ist der in der Halle bereits installierte Kran kräftig genug, um die Arbeit auch alleine zu schaffen, aber «dann würden sich die Umbauarbeiten zur SLS 2.0 zu sehr in die Länge ziehen», erklärt Dirr. «Mit zwei Kränen können wir gleichzeitig in zwei verschiedenen Sektoren arbeiten. Ausserdem müssen die Arbeiten dann nicht komplett stillstehen, wenn einer der beiden Kräne mal ausfallen sollte.» Ziel ist es, die Bauarbeiten möglichst schnell abzuschliessen, damit wenig Messzeit ausfällt.
Mit dem Modernisierungsprojekt SLS 2.0 soll die Synchrotronquelle so umgebaut werden, dass sie für die Forschung noch besseres Röntgenlicht liefert. Unter anderem werden die Magnetsysteme ersetzt, die die Elektronen auf eine Kreisbahn zwingen. Auch die Vakuumröhre im Speicherring wird ausgetauscht.
«Ohne Kräne sind die Umbauarbeiten zur SLS 2.0 nicht möglich», sagt Dirr. Die Magnete, die Deckensteine vom Tunnel – eine einzelne Last wiegt schon mal schnell ein paar Tonnen und lässt sich ohne Kran nicht von der Stelle bewegen. Ein einzelner Brückenkran kann Objekte von bis zu 16 Tonnen heben, der neue Kran in Einzelfällen sogar bis zu 18 Tonnen. Seine lange Hauptbrücke ist mit Kopfträgern an Schienen im Zentrum und an der Innenseite der Aussenwand des kreisrunden Gebäudes angebracht; der Brückenkran reicht also über den gesamten Radius der Halle. Oben drauf ist eine bewegliche Laufkatze installiert, an welcher die Lasten befestigt werden.
Auch der bereits bestehende Kran wird umgebaut – «ertüchtigt», wie Oliver Dirr es nennt. Er bekommt analog zum neuen Kran ein Positionierungssystem, «damit er immer weiss, wo er gerade ist.» Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die beiden Kräne sich nie zu nahe kommen dürfen. «Es muss immer genügend Abstand zwischen ihnen sein», erklärt Dirr. «Denn beide Kräne nah beieinander verträgt die Statik des Gebäudes nicht.»
Shutdown abgepasst
Langsam dreht der Pneukranführer die blaue 33-Tonnen-Last und senkt sie durch die Öffnung im Dach der SLS. Führungsseile an beiden Enden stellen sicher, dass sie in richtiger Position in der Halle ankommt. Viel Vorsicht ist geboten, damit der Koloss nicht gegen Lampen oder andere Teile stösst. Zentimeter für Zentimeter nähert sich die Kranbrücke dem Ort unter der Hallendecke, wo sie an den Kopfträgern montiert wird.
Gemessen wird heute nicht an der SLS, viele Bereiche sind sogar mit Flatterband abgesperrt. Den Kraneinbau hat man mit dem jährlichen Sommershutdown zusammenfallen lassen, erzählt Oliver Bunk, Leiter des PSI-Labors für Makromoleküle und Bioimaging sowie Anlagenverantwortlicher der SLS. «Wir haben es so koordiniert, dass für den Kraneinbau nicht zusätzliche Messzeit ausfällt. Auch im Laufe der Umbauarbeiten zur SLS 2.0 werden viele Absprachen nötig sein», fügt er hinzu. «Kranfahrten stören aufgrund von Vibrationen den Betrieb der SLS.»
Nachdem die Hauptbrücke des Krans erfolgreich montiert ist, tritt bei allen Verantwortlichen Erleichterung ein. Dieser knifflige und nicht ungefährliche Teil des Projekts ist vollendet. Ausruhen ist trotzdem nicht angesagt. Oliver Dirrs Wetter-App zeigt für den übernächsten Tag schon wieder Gewitter an. Vorher muss unbedingt das fehlende Dachsegment erneuert und mit Bitumen versiegelt sein.
Text: Paul Scherrer Institut/Brigitte Osterath
Kontakt/Ansprechpartner
Oliver Dirr
Projektleiter Bau AIB
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 25 34, E-Mail: oliver.dirr@psi.ch [Deutsch, Englisch]
David Reinhard
Sektionsleiter Gebäudetechnik AIE
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 54 48, E-Mail: david.reinhard@psi.ch [Deutsch, Englisch]
Dr. Oliver Bunk
Leiter des Labors für Makromoleküle und Bioimaging
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 30 77, E-Mail: oliver.bunk@psi.ch [Deutsch, Englisch]
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