Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS soll ein Upgrade erhalten, um auch in den kommenden Jahrzehnten exzellente Forschung möglich zu machen. Hans Braun, Leiter des ehrgeizigen Projektes SLS 2.0, erklärt, auf welche Herausforderungen er und sein Team dabei stossen und wie sie diese gemeinsam bewältigen.
Herr Braun, im Dezember 2020 stimmt das Parlament über die Finanzierung der SLS 2.0 ab – ob also die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI ein Upgrade bekommen kann oder nicht. Wie wird trotzdem schon jetzt an dem Projekt gearbeitet?
Hans Braun: Die offizielle Ausführungsphase des Projekts SLS 2.0 kann tatsächlich erst 2021 beginnen, also nach dem hoffentlich positiven Beschluss des Parlaments. Aber natürlich haben wir schon lange vorher die Planungsphase begonnen – nur so konnte ein Projektplan entstehen, über dessen Finanzierung das Parlament abstimmen kann.
Wird die Corona-Pandemie zu einer Verzögerung des Projekts führen?
Wir hoffen alle, dass wir trotz Corona im Dezember 2020 grünes Licht für SLS 2.0 bekommen.
Was planen Sie bereits jetzt konkret?
Wir planen beispielsweise genau, welche Beschaffungen nötig sind, damit wir – im Fall, dass wir im Dezember das Okay bekommen – sofort mit der Umsetzung starten können. Wir planen jetzt, wo zukünftig welcher Experimentierplatz aufgebaut werden soll. Die SLS wird durch den Umbau nicht grösser, aber der zentrale Elektronenspeicherring, der das Röntgenlicht für die Experimente liefert, wird komplett neu gemacht. Daher müssen wir ganz genau hinschauen, wo welches Experiment seinen neuen Platz finden kann.
Also eine komplexe Angelegenheit.
Absolut. Wir müssen den neuen Elektronenspeicherring in das schon existierende Gebäude einpassen. Dabei müssen wir zum Beispiel darauf achten, dass alles mit der schon bestehenden Infrastruktur zusammenpasst. Das ist ein Diskussions- und Entscheidungsprozess, der schon seit vielen Monaten läuft und nur in Zusammenarbeit von vielen Mitarbeitenden mit unterschiedlichsten Kompetenzen bewältigt werden kann. Darin haben wir am PSI aber sehr viel Erfahrung und es ist immer wieder erstaunlich und erfreulich zu sehen, wie so viele Menschen an einem gemeinsamen grossen Ziel arbeiten.
Sie spielen damit auf das Projekt SwissFEL an, einer weiteren Grossforschungsanlage des PSI?
Genau. Ich selbst war zuvor Projektleiter beim Aufbau des SwissFEL. Der ist ja nun fertig gebaut und wird dennoch weiter optimiert. Die Erfahrungen, die wir mit dem SwissFEL gesammelt haben, kommen nun also dem Projekt SLS 2.0 zugute.
Haben Sie diesbezüglich ein konkretes Beispiel?
Ja. In Sachen Datenverarbeitung haben wir dazugelernt. Beim SwissFEL hatten wir anfangs das Problem, dass wir die riesigen Mengen an Messdaten der Experimente nicht schnell genug speichern und verarbeiten konnten. Diese Lücke konnte dank des grossen Einsatzes der beteiligten Fachgruppen inzwischen gelöst werden.
Beim Projekt SLS 2.0 hat dieser Aspekt nun ein eigenes Teilprojekt bekommen. Wir wollen von Anfang an ein massgeschneidertes und tragfähiges Konzept zur Datenverarbeitung entwickeln.
Erklären Sie uns bitte nochmal, warum das Upgrade überhaupt nötig ist? Die SLS ist doch im weltweiten Vergleich eine der Top-Anlagen unter den Quellen für Synchrotronlicht?
Das ist richtig – aber das soll eben auch so bleiben. Die Wissenschaft entwickelt sich weiter. Die Fragen von gestern sind beantwortet. Und die Fragen von morgen gehen eben weiter ins Detail oder in eine neue Richtung. Das sind Fragen, die sich mit den bisherigen Anlagen nicht beantworten lassen. Wir müssen also mit der Forschung Schritt halten – sonst sind wir irgendwann überholt. Wir sorgen also vor und machen die SLS zukunftsfähig.
Was wird das Projekt SLS 2.0 genau bringen?
Beim jetzigen Upgrade geht es darum, dass wir die Dichte der Röntgenstrahlung erhöhen. Daraus wird folgen, dass wir mehr Experimente in derselben Zeit werden machen können beziehungsweise mehr Daten in derselben Zeit bekommen werden. Ein Experiment, das bisher 40 Minuten gedauert hätte, wird dann nur noch eine Minute dauern.
Wir werden auch grössere Bereiche einer Probe abbilden können als bisher. In anderen Experimenten wird die Auflösung unserer Bilder höher sein, wir werden also noch kleinere Strukturen sehen und erkennen können.
Das eröffnet viele neue Möglichkeiten, gerade wenn es darum geht, komplexe Systeme zu untersuchen. Das können biologische Proben sein, zum Beispiel aus dem Gehirn. Dessen einzelne Funktionsblöcke kennen wir zwar, wie die aber auf kleinster Ebene verschaltet sind, versteht man bisher nur ansatzweise.
Wie wird die SLS nach dem Upgrade im internationalen Vergleich dastehen?
Natürlich vergleichen wir uns international. So war das Max-IV-Projekt in Lund in Schweden eines unserer Vorbilder. Dort wurde das erste Mal ein Synchrotron mit Multibend-Acromat-Magneten gebaut – also dem Magnetsystem, das auch die SLS 2.0 bekommen wird. Max IV ging 2016 in Betrieb und setzte international einen neuen Standard. Die Planung der SLS 2.0 begann direkt im Jahr darauf.
Gerade vor Kurzem ist die ESRF-Anlage im französischen Grenoble nach ihrem Upgrade wieder in Betrieb gegangen, ebenfalls mit einer ähnlichen Technologie. Weltweit planen viele Synchrotronlichtquellen ihre Technik in diese Richtung weiterzuentwickeln. Wir haben hier am PSI die Chance, dass wir sehr früh sehr weit vorne mitspielen. Dabei können wir auf die Erfahrungen von Max IV und ESRF zurückgreifen. Das ist der Vorteil, wenn man ein kleines bisschen später kommt.
Wir werden voraussichtlich nach Max IV und der ESRF die dritte Anlage weltweit sein, die auf diese Technologie zurückgreift.
Was ist Ihre Aufgabe als Projektleiter?
Meine Arbeit hat viele Aspekte. Ich organisiere die Kommunikation aller Beteiligten. Bei einem so grossen Projekt ist das ganz entscheidend, denn am Ende muss es als Gesamtes funktionieren.
Dann sind wichtige Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungsprozesse koordiniere ich. Kürzlich haben wir beispielsweise beschlossen, dass der neue Elektronenspeicherring bei einer Energie von 2,7 Gigaelektronenvolt betrieben wird statt den bisherigen 2,4. Was das einerseits für die Planung für Konsequenzen hat und was das andererseits für Vorteile bei den Experimenten bringen wird, das muss alles bedacht und abgestimmt werden.
Drittens muss man aufpassen und verstehen, welche Aspekte noch nicht bedacht wurden. Und wo gibt es neue technische Entwicklungen, die wir nicht verpassen dürfen.
Und schliesslich dürfen wir nicht vergessen, dass die SLS zu einem erheblichen Teil von Forschenden an Schweizer Universitäten und von der Industrie genutzt wird. Sowohl jetzt schon als auch in Zukunft. Da müssen wir genau zuhören: Wer erwartet was. Wir müssen sicherstellen, dass die SLS 2.0 diesen Erwartungen gerecht wird.
Interview: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann
Kontakt/Ansprechpartner
Dr. Hans-Heinrich Braun
Projektleiter SLS 2.0
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 32 41, E-Mail: hans.braun@psi.ch [Deutsch, Englisch, Französisch]
Weiterführende Informationen
SLS 2.0 - Das Upgrade der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS
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