Im chemischen Mikroskop

Der Forscher Daniel Grolimund ist für eine Strahllinie an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI verantwortlich, an der sich die Verteilung chemischer Verbindungen in verschiedenen Objekten bestimmen lässt. Von diesen Möglichkeiten profitieren Forschende verschiedenster Disziplinen: Batterieforscherinnen genauso wie Biologen, Archäologen und viele andere mehr. Im Interview berichtet er von den vielfältigen Themen, die an der Strahllinie untersucht werden, und den Herausforderungen, die diese Vielfalt mit sich bringt.

Der Forscher Daniel Grolimund an seiner Strahllinie an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI. (Foto: Scanderbeg Sauer Photography)
Mit chemischer Bildgebung lassen sich verschiedene chemische Elemente getrennt sichtbar machen. Hier sind die Abkürzungen ETH und PSI mit verschiedenen Metallen geschrieben: Gold bzw. Silber. In einem konventionellen optischen Mikroskop (1) sieht man die beiden Aufschriften übereinander. In einem chemischen Mikroskop (2a, 2b) kann man die beiden Elemente jeweils einzeln sichtbar machen, sodass die Aufschriften deutlich lesbar werden. (Abgedruckt mit Genehmigung aus Anal. Chem. 2013, 85, 10112. Copyright 2016 American Chemical Society)
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Herr Grolimund, Sie betreuen am Paul Scherrer Institut eine Strahllinie, an der verschiedene Objekte mit Röntgenlicht aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS untersucht werden können. Zu Ihnen kommen Forschende von Universitäten oder anderen Instituten um zum Beispiel alte Schwerter, Batterien oder Samenkörner zu untersuchen. Was ist das Besondere, dass man bei Ihnen so verschiedene Dinge erforschen kann?

Das Spezielle ist die chemische Bildgebung. Das heisst, wir können sehen, aus welchen chemischen Elementen die untersuchte Probe besteht. Mit blossem Auge lässt sich das ja normalerweise nicht sehen. An unserer Strahllinie aber können wir das. Ganz einfaches Beispiel: Wir können mit Röntgenlicht zeigen, dass ein Objekt Eisen enthält. Aber wir können noch mehr. Wir können sehen, wie das Eisen verbunden ist. Wenn man Eisen herumstehen lässt, dann rostet es. Es ist dann immer noch Eisen, aber in einem neuen Zustand, weil es jetzt oxidiert ist. Und das zeigt uns das Röntgenlicht: dass es Eisen ist und wie es mit dem Sauerstoff verbunden ist.

Und solches Wissen braucht man auch, wenn man sich für Samenkörner interessiert?

Ja, solche Fragen gibt es überall. Bei den Samenkörnern wollten Biologen wissen, warum es in Getreide eher wenig Zink gibt. Das ist ein Problem, weil in Gegenden, in denen sich die Menschen vor allem von Getreide ernähren, Zinkmangel herrscht. Dabei enthält die Pflanze an sich genug Zink. Wir konnten zeigen, wo sich das Zink ansammelt und wo es blockiert wird, sodass es nicht in den Samen ankommt. Das Wissen wird helfen, neue Pflanzen zu züchten, deren Samen mehr Zink enthalten.

Woher kommen die Ideen dafür, was man alles an Ihrer Strahllinie untersuchen könnte?

Das ist ein aktiver Prozess, der mal von den Nutzern ausgeht und mal von uns. So schauen wir in der wissenschaftlichen Literatur, wo es spannende Fragestellungen gibt, zu denen wir etwas beitragen könnten und dann kontaktieren wir bewusst die entsprechenden Forschungsgruppen. Wobei wir uns bemühen, gezielt Schweizer Forschende an Bord zu holen, damit wir die Interaktion des PSI mit den Schweizer Universitäten stärken können. Zum Beispiel haben wir gesehen, dass Forschende an der EMPA archäologische Objekte, wie Schwerter aus der Eisenzeit, untersucht haben, um mehr über die Herstellungsverfahren herauszubekommen. Wir haben die Kollegen kontaktiert und konnten ihnen helfen, die historischen Schmiedetechniken zu rekonstruieren.

Vor Kurzem haben Sie mit Kollegen von der ETH Zürich Lithium-Ionen-Batterien untersucht. Wie kam es dazu?

Das begann damit, dass die ETH-Forschenden zuerst Untersuchungen an einer anderen Strahllinie an der SLS durchgeführt haben. Mithilfe von Tomografie haben sie die Strukturen im Inneren der Batterie bestimmt. Der PSI-Wissenschaftler, der für diese Strahllinie verantwortlich ist, hat die ETH-Kollegen dann an uns verwiesen, damit wir noch die Lithium-Verteilung in der Batterie bestimmen. So konnten wir zusammen zeigen, was in der Batterie geschieht, während sie ge- und entladen wird. Das Wissen könnte helfen, langlebigere Batterien zu entwickeln. Das Projekt zeigt, wie sehr es auf die Zusammenarbeit innerhalb des PSI und mit externen Gruppen ankommt. Es ist selten nur die eine Strahllinie, die die Ergebnisse ermöglicht.

Hatten Sie an die vielfältigen Anwendungen gedacht, als Sie den Messplatz aufgebaut haben?

Als wir vor gut 15 Jahren das Projekt gestartet haben, war klar, dass wir ein chemisches Mikroskop bauen wollten. Und es war wichtig, dass man radioaktive Materialien untersuchen kann – das Projekt war ursprünglich eine Kooperation mit dem Bereich Nukleare Energie und Sicherheit am PSI. Aber wir haben von Anfang an darüber hinausgedacht und weitere Optionen eingebaut. Zum Beispiel kann man hier nicht nur mit dem gewöhnlichen Röntgenlicht der SLS experimentieren, sondern auch sehr kurze Lichtblitze erzeugen und so Experimentierideen für die nächste Grossanlage des PSI, den SwissFEL, testen. Diese Option zu installieren hat den Aufbau um rund ein Jahr verzögert, aber wir konnten so einzigartige Möglichkeiten erschaffen. Wir haben immer die Ideologie verfolgt, nicht zu kopieren, sondern nach Möglichkeiten gesucht, Pionierarbeit zu leisten.

Haben Sie dann das Thema der radioaktiven Proben weiterverfolgt?

Es ist tatsächlich auch heute noch ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir haben die Genehmigung vom Bundesamt für Gesundheit, dass wir insgesamt einen Monat pro Jahr radioaktive Stoffe untersuchen können. Das ist aufwendig wegen der komplexen Sicherheitsprozeduren, aber wir können so zum Beispiel untersuchen, wie radioaktives Material in Tongestein eindringen würde – das ist zum Beispiel für die zukünftigen Tiefenlager wichtig. Oder wir untersuchen Materialien, die in Kernkraftwerken verwendet wurden, und tragen so zur Sicherheit der Anlagen bei. Dabei kommt uns auch zu Gute, dass wir mit winzigen Proben auskommen, sodass die gesamte Radioaktivität, mit der wir arbeiten, sehr klein ist.

Die Forschenden, die an Ihrem Messplatz experimentieren, beschäftigen sich mit sehr verschiedenen Themen. Müssen Sie sich jeweils in die Themen einarbeiten?

Ja, das ist sehr anspruchsvoll. Und manchmal frustrierend, weil ich nicht das Niveau von meinem Gegenüber erreichen kann. Aber ich muss immer versuchen, auf ein angemessenes Niveau zu kommen, um die Nutzer beraten zu können. Oft müssen wir erst zusammen herausdestillieren, was die genaue Fragestellung ist und welche Messung am besten geeignet ist. Und dafür braucht es ein hohes Level an Verständnis für die Wissenschaft. Da kommt es schon vor, dass man abends nach Hause kommt und sich denkt: So ein 08/15-Experiment wäre auch mal nicht schlecht.

Sie haben die Strahllinie von Null an aufgebaut. Sind Sie von Haus aus Physiker oder Ingenieur?

Ich habe an der ETH Umweltnaturwissenschaften studiert, das ist ein interdisziplinärer naturwissenschaftlicher Studiengang. Das PSI hat sich damals entschieden, nicht einen Spezialisten für den Aufbau von Strahllinien einzustellen, sondern jemanden mit einem Interesse an den Forschungsthemen. So musste ich mich in viel Röntgenphysik und in etliche Ingenieurthemen einarbeiten. Dadurch hat es vielleicht länger gedauert, aber so ist ein Gerät entstanden, das der Forschung dient und nicht aus Selbstzweck die technischen Möglichkeiten ausreizt. Ich bin sehr froh, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe und bin auch nach 15 Jahren noch begeistert dabei.

Interview: Paul Scherrer Institut/Paul Piwnicki

Zur Person

Daniel Grolimund hat sein Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich 1997 mit dem Doktorat abgeschlossen. Anschliessend war er an der Stanford University in Kalifornien als Forscher tätig. Im Jahr 2001 kam er ans PSI, um an der Beamline microXAS der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS mitzuarbeiten. 2006 wird er Projektleiter dieser Beamline. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. In der Freizeit widmet er sich der Familie. Er geht gerne in die Berge, fährt Ski und engagiert sich als Tambour.
Weiterführende Informationen
Artikel zu Forschungsthemen, die an der Strahllinie microXAS untersucht wurden: Webseite der Strahllinie microXAS (in englischer Sprache)
Kontakt/Ansprechpartner
Dr. Daniel Grolimund
Gruppenleiter microXAS
Labor für Femtochemie
Paul Scherrer Institut
5232 Villigen PSI, Schweiz
Tel.: +41 56 310 47 82
E-Mail: daniel.grolimund@psi.ch