Vom Nadelloch zum plötzlichen Tod: Wie Brennstoffzellen altern

Wasserstoff-Brennstoffzellen gelten als attraktive, weil saubere Technologie zur Energieumwandlung, insbesondere für Fahrzeuge. Doch einige technologische Herausforderungen müssen noch gemeistert werden, bis sie eine spürbare Marktpräsenz erlangen. Dazu zählt ihre Lebensdauer, die unter anderem von der Robustheit der in der Zelle als Elektrolyt fungierenden Polymermembran abhängt. Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI haben wertvolle Einblicke in einen der häufigsten Alterungsmechanismen dieser Membran erhalten.

Stefan Kreitmeier am Versuchsaufbau, wo er die Degradationstests an den Brennstoffzellen-Membranen durchführte. (Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer)
Auch die jungfräuliche Membran ist an manchen Stellen zwischen den Elektroden der Zelle „eingequetscht“ (hier rechts im Bild). An solchen Stellen ist die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Defektes erhöht.
Die für die Experimente präparierte Membran mit einem durch Ionenbestrahlung gebohrten Loch(Bildmitte)
Die zwischen Kathode und Anode eingeklemmte Membran mit einem typischen Defekt (rechts im Bild), wie er nach einem vollständigen Degradationszyklus, einschliesslich Verbrennung, unter dem Synchrotron-Röntgenlicht sichtbar wird.
Den Mechanismus der Degradation der Brennstoffzellen-Membran kann man sich folgendermassen vorstellen: Erst gibt die Membran unter mechanischer Belastung an Schwachstellen nach, was ein Nadelloch produziert. Darauf folgt die chemische Zersetzung infolge des Gasdurchflusses durch den Defekt. Die chemisch induzierte Schwächung des Polymers macht die Membran anfälliger für mechanische Belastung, die Defekte werden grösser und somit wird die chemische Degradation beschleunigt. Beide Effekte verstärken sich also gegenseitig. Bei genügendem Gasdurchfluss kann schliesslich thermische Zersetzung einsetzen (Verbrennung).
Zweidimensionale Infrarotkarte eines Defektes. Um das Nadelloch herum sind Stellen fortgeschrittener chemischer Degradation zu sehen (erkennbar an der hohen Konzentration eines Moleküls, das auf das Durchbrechen der Polymeterketten hindeutet).

Ein Elektrolyt ist ein Stoff, der Ionen, also elektrisch geladene Atome, leitet. In der Wasserstoff-Brennstoffzelle erfüllt eine Polymermembran diese Funktion. Diese trennt auch die beiden in die Zelle eingespeisten Gase Wasserstoff und Sauerstoff, sodass kein Knallgas entsteht. Als Elektrolyt leitet sie positiv geladene Wasserstoffionen (Protonen) von der Anode zur Kathode der Zelle. Der in die Zelle eingespeiste Wasserstoff wird erst an der Anode (negative Elektrode der Zelle) ionisiert. Die Ionen wandern dann durch die Polymermembran zur Kathode (postiv geladene Elektrode), wo sie mit Sauerstoff reagieren. Aus den Reaktionen geht Strom und – als Nebenprodukt – Wasser hervor.

Das Dilemma vom Wasser

Wasser ist in der Brennstoffzelle also allgegenwärtig. In der Membran selbst macht es bis zu 25 Prozent des Gesamtgewichts aus. Die Konsequenzen sind zweischneidig. Denn Wasser erhöht einerseits die Leitfähigkeit des Polymers und ist, so gesehen, ein willkommener Gast in der Membran. Zugleich aber wirkt die Feuchte als Weichmacher, der die Membranalterung erst in Gang setzt. PSI-Forscher haben nun gezeigt, dass am Anfang vom Ende einer Wasserstoff-Brennstoffzelle häufig bestimmte Membran-Schwachstellen stehen, die auch durch betriebsbedingte Schwankungen des Wassergehalts zustande kommen.

Den Alterungsprozess stellen sich die Forscher wie folgt vor: Beim typischen Start-und-Stop-Betrieb einer Brennstoffzelle, etwa bei einem Auto im Stadtverkehr, wird mal mehr, mal weniger Strom produziert. Damit variiert auch die bei der Stromerzeugung anfallende Menge des Nebenprodukts Wasser. Schwankungen der Feuchtigkeit (des Wassergehalts) führen zum abwechselnden Quellen und Schrumpfen und somit zu Formänderungen der Membran. Forscher sprechen von einem Kriechen. Tatsächlich kann die Membran nach vielen Betriebszyklen stellenweise eine Gestalt annehmen, die an eine kriechende Raupe erinnert, wie Röntgenbilder belegen. An manchen Stellen ist diese Raupe nun aber hohen Spannungen ausgesetzt und somit bruchanfällig – die Membran ist schliesslich im Innern der Zelle eingeklemmt. An den Schwachstellen können nun feine Nadellöcher entstehen. Die Löcher sind zunächt zu klein, als dass sie grosse Schäden anrichten könnten; sie nehmen typischerweise nur einige Millionstel der gesamten Membranfläche ein, und ihre Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit der Brennstoffzelle ist in diesem Stadium noch unmessbar klein.

Nadellöcher sind nur der Anfang eines Teufelskreises

Aber die kleinen Nadellöcher können weiteres Ungemach einleiten. Denn durch die offenen Kanäle können nun Gasmoleküle (Wasserstoff oder Sauerstoff) die ursprünglich gasdichte Membran passieren. So können nun Wasserstoffmoleküle die Kathode erreichen, dort mit Sauerstoff reagieren und Radikale bilden. Diese Radikale sind äusserst reaktive Moleküle und greifen die Membran an. Das Resultat: Die Kette aus Kohlenstoffatomen, aus der die Polymermembran besteht, wird von den Radikalen durchbrochen. Da kürzere Ketten weniger widerstandsfähig sind, versagt die Membran nun leichter unter Spannungen, und die Löcher werden grösser.

Nun setzt ein Teufelskreis ein: Durch die grösseren Löcher strömt mehr Gas, und es entstehen mehr Radikale. Zum Schluss werden die Löcher in der Membran so gross, dass genügend Gas die Membran durchquert, um eine Verbrennungsreaktion von Sauerstoff und Wasserstoff zu entfachen. Die dabei abgegebene Wärme kann die Membran zum Schmelzen bringen, und diese versagt innerhalb kürzester Zeit vollständig. Die Fachleute sprechen dann von plötzlichem Tod.

Bisher war nicht abschliessend geklärt, ob es in einer Brennstoffzelle infolge einer gasundichten Membran zur thermischen Degradation, also zur Verbrennung kommen kann. Die Arbeit der PSI-Forscher zeigt nun, dass Verbrennung durchaus in Gang gesetzt werden kann und das Endstadium der Membran im Alterungsprozess der Zelle darstellt.

Aufklärung dank Röntgen- und Infrarotlicht aus PSI-Synchrotronlichtquelle

Die Versuche, die zu diesen Erkenntnissen führten, bildeten das Rückgrat der Dissertation von PSI-Doktorand Stefan Kreitmeier. Kreitmeier experimentierte an kleinen Ausschnitten von kommerziell erhältlichen Brennstoffzellen-Membranen. Mit Ionenstrahlen bohrte er in die Membranen mikrometerkleine Nadellöcher. Dieser Eingriff war aus Zeitgründen notwendig, denn unter normalen Bedingungen entstehen Nadellöcher in einer Membran nur sehr langsam. Die künstlich erzeugten Löcher waren zudem in Form und Grösse alle ähnlich, und abseits der Löcher wurde die Membran nicht beschädigt. Dies wurde durch Messungen mit Infrarot-Spektromikroskopie und mithilfe von Röntgen-Mikrotomografie bestätigt, die an der Synchrotronlichtquelle Schweiz SLS durchgeführt wurden. Die Röntgentomografie bietet die Möglichkeit, 3-D-Bilder einer Probe zu erstellen, indem viele Aufnahmen unter jeweils verschiedenen Winkeln – in diesem Fall wurde die Probe rotiert – miteinander kombiniert werden. Dank der hohen Intensität der Röntgenstrahlung an der SLS konnten hochaufgelöste Bilder innerhalb von wenigen Sekunden erstellt werden.

Die mit den künstlichen Löchern präparierten Membranen wurden dann einer Reihe von standardisierten Belastungszyklen unterzogen, bis die Membran versagte. Und dann machten sich die Forscher an die forensische Arbeit. Sie erstellten 2-D-Karten der chemischen Zusammensetzung an den beschädigten Membranstellen. Diese chemischen Karten enstanden auch an der Infrarot-Strahllinie der SLS und gaben entscheidenden Aufschluss über den Degradationsmechanismus. So konnten die chemisch zersetzten Polymermoleküle, die Infrarotlicht besonders stark absorbieren, in der Nähe der Defekte ausgemacht werden. Mit Röntgen-Mikrotomografie an der SLS wurden die Defekte an der toten Membran dreidimensional abgebildet. Auch die Effekte der Verbrennung traten so ans Licht.

Konsequenzen für den Brennstoffzellenbetrieb

Diese Ergebnisse könnten praktische Konsequenzen für den Betrieb von Brennstoffzellen haben, sagt Kreitmeiers Dissertationsbetreuer und Gruppenleiter Felix Büchi. Die Forscher haben herausgefunden, dass die Gasdurchlässigkeit der Defekte mit zunehmender Temperatur beziehungsweise Feuchtigkeit abnimmt. Auch interessant ist, dass Wassermoleküle die Löcher je nach Defektgrösse verstopfen könnten, was die Membran wieder gasdicht machen würde. Wasser bestätigt sich damit in seiner zwiespältigen Rolle als Verursacher und Lösung des Degradationspuzzles. In Zukunft dürfte also die Frage nach dem richtigen Mass an Feuchtigkeit in einer Brennstoffzelle die Forscher auch deshalb weiter beschäftigen.