500 Vakuumkammern für den neuen Ring

Wie aus Kupfer die Werkstücke der künftigen Vakuumröhre gemacht werden: René Sieber und Romain Ganter zeigen, wie die Kammern gebaut werden, durch die nach dem Upgrade-Projekt SLS 2.0 die Elektronen sausen. Eine Entstehungsgeschichte in drei Teilen.

René Sieber (links) und Romain Ganter haben gemeinsam mit ihren jeweiligen Teams schon vor rund vier Jahren begonnen, das Design der neuen Vakuumröhre zu besprechen. © Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic
Ein achteckiger Durchmesser von 1,8 Zentimeter und eine Wandstärke von nur einem Millimeter: einige der Werkstücke, die später zu Vakuumkammern zusammengesetzt werden. © Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic
Previous slide
Next slide

Die Krux ist der Durchmesser. Die zukünftige Vakuumröhre der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS hat innen nur 1,8 Zentimeter. Aussen sind es auch kaum mehr, denn die Wandstärke soll nur einen Millimeter betragen. Diese schmale Röhre wird einen grossen Ring von 288 Metern Umfang bilden. Sie ist das Zuhause der Elektronen; hier rasen sie mit knapp Lichtgeschwindigkeit immerzu im Kreis. Dabei erzeugen sie das Synchrotronlicht, das wiederum für die Forschung genutzt wird.

Um zu verstehen, weshalb die neue Röhre so schmal und dünn werden muss und wie dies technisch bewerkstelligt wird, lohnt sich ein Besuch an mehreren Orten des PSI: Der Werkstatt auf dem PSI-Areal östlich der Aare, einer Mehrzweckhalle auf dem PSI-Areal West und dem Gebäude der SLS selbst.

René Sieber und Romain Ganter haben vorgeschlagen, bei der Werkstatt zu beginnen. «Vor etwa vier Jahren haben wir das erste Mal gemeinsam diskutiert, wie wir die technischen Herausforderungen des neuen Vakuumrings angehen könnten», erzählt Ganter.

Er und Sieber gehören beide zum PSI-Fachbereich Grossforschungsanlagen. René Sieber ist Techniker und leitet die Sektion Produktionstechniken. Die Werkstatt ist sein Bereich. Romain Ganter kommt aus der wissenschaftlichen Richtung: Er ist Physiker, Leiter der Sektion Vakuum und ausserdem im Projekt SLS 2.0 verantwortlich für das Upgrade des Elektronenspeicherrings. Dessen zentralstes Stück ist die Vakuumröhre.

«Wir haben bald gemerkt, das wird eine komplexe Sache. Und dann liegt die Überlegung nahe, das selbst herzustellen. Zumindest mal mit einem eigenen Prototypen zu beginnen», ergänzt Sieber.

Platzmangel zwischen den Magneten

Das erste Design für die Röhre hat Ganters Team erstellt. Wobei am PSI niemand von einer Röhre redet, sondern von Vakuumkammern, die aneinandergefügt dann den hohlen Vakuumring ergeben. Insgesamt 500 Vakuumkammern sind geplant. Diese sind mitnichten alle baugleich, denn an jeder Stelle des Elektronenspeicherrings müssen sie sich exakt an die Gegebenheit anpassen. Dort ist jeder Zentimeter verplant: Mit Magneten, welche die Elektronen exakt lenken, mit Undulatoren – eine besondere Anordnung magnetischer Elemente – welche die Elektronen gezielt anregen, Synchrotronstrahlung zu produzieren, mit Diagnostikelementen, welche alle relevanten Parameter messen, mit Elementen zur Wasserkühlung, mit Vakuumpumpen und so weiter.

Zwischen all diese Elemente müssen die Vakuumkammern hineinpassen. Darum ist ihr Querschnitt auch gar nicht rund, sondern hat an den meisten Stellen die Form eines Achtecks. «Dann passen unsere Magnete und Messinstrumente gut darum herum», so Ganter. Gerade die Magnete sollen im Zuge des Upgrades so nah wie möglich an den Elektronenstrahl heranrücken, um ihn so aufzuwerten, dass er wiederum brillanteres Synchrotronlicht erzeugen wird.

Um Bruchteile von Millimetern gefeilscht

Genau das ist also der Grund, weshalb die Vakuumkammern nur 1,8 Zentimeter Durchmesser haben. Alles muss hochgenau gefertigt sein: Teilweise darf die Toleranz nur 0,01 Millimeter betragen. Wo immer es ging, wurden bei der Planung um Bruchteile von Millimetern gefeilscht, unter anderem bei der Wandstärke. Denn wegen der Begrenzungen von aussen könnte man das Material nur nach innen dicker machen. Dann aber hätten Elektronen noch weniger Platz und die Luft darin liesse sich noch schwieriger absaugen als sowieso schon; nicht ideal, wenn das Ziel ein Ultrahochvakuum ist, damit die Elektronen möglichst nicht mit Luftteilchen kollidieren.

Material ist ein Stichwort für den Techniker Sieber: «Die meisten Kammern bestehen aus hochreinem Kupfer.» Beim Vakuumring der SLS, wie sie 2001 in Betrieb gegangen ist, ist das nicht so; da sind die Kammern aus Edelstahl. Das ist günstiger und um einiges leichter zu verarbeiten. «Aber jetzt mit dem schmalen Durchmesser mussten wir zwingend ein Material nehmen, das sowohl Elektrizität als auch Wärme gut leitet», erklärt Ganter, der Physiker. Kupfer erfüllt beide Bedingungen. «In den Wänden bildet sich ein sogenannter Spiegelstrom, und der muss gut mitlaufen können, damit die Elektronen im Speicherring nicht ausgebremst werden. Und die Wärmeleitfähigkeit ist wichtig, damit wir die Kammern besser kühlen können; die Synchrotronstrahlung erzeugt nämlich einiges an Wärme.»

Das Kupfer brachte die Techniker an die Grenzen des Machbaren. Doch sie haben diese Herausforderung gemeistert. Alle 500 Vakuumkammern wurden am PSI geplant. Die 100 kompliziertesten werden auch hier in den Werkstätten gebaut. Die übrigen 400 hat das PSI extern in Auftrag gegeben, mit exakter Anleitung an die ausführenden Firmen.

Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann

Wie die Vakuumkammern am PSI hergestellt werden, lesen Sie ab 15.06.2023 in Teil 2.

Kontakt

René Sieber
Fachbereich Grossforschungsanlagen, Leiter Sektion Produktionstechnik
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 54 19
rene.sieber@psi.ch 
[Deutsch]

Dr. Romain Ganter
Fachbereich Grossforschungsanlagen, Leiter Sektion Vakuum
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 52 79
romain.ganter@psi.ch 
[Deutsch, Englisch, Französisch]

Weiterführende Informationen

SLS 2.0 - Das Upgrade der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS

Nutzungsrechte

Das PSI stellt Bild- und/oder Videomaterial für eine Berichterstattung über den Inhalt des obigen Textes in den Medien kostenfrei zur Verfügung. Eine Verwendung dieses Materials für andere Zwecke ist nicht gestattet. Dazu gehören auch die Übernahme des Bild- und Videomaterials in Datenbanken sowie ein Verkauf durch Dritte.