Eine Technologie im Praxistest

Das Unternehmen Energie 360° mit Sitz in Zürich liefert schweizweit Erdgas, Biogas und Holzpellets. Jetzt hat es mit dem Paul Scherrer Institut PSI eine neue Power-to-Gas-Technik erfolgreich getestet, die im Bereich der Biogas-Herstellung eingesetzt wird. Das Gemeinschaftsprojekt wurde mit dem Schweizer Energiepreis Watt d’Or 2018 ausgezeichnet. Bereichsleiter Peter Dietiker erzählt im Interview von der Zusammenarbeit mit dem PSI.

Peter Dietiker, Bereichsleiter beim Zürcher Unternehmen Energie 360° (Zeichnung: Christoph Frei)

5232: Herr Dietiker, die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Unternehmen Energie 360° und dem PSI ist noch gar nicht so alt – und doch gibt es schon ein erstes Ergebnis zu melden: einen Tausend-Stunden-Praxistest einer gemeinsam entwickelten Technik. War der Test erfolgreich?

Peter Dietiker: Absolut! Das Projekt, das Sie ansprechen, heisst Cosyma: Container-based System for Methanation. Diese Container-Sache ist ja typisch für die ESI-Versuchsplattform des PSI: Alle Labore und Anlagen sind dort modular und diese Module – die tatsächlich in klassischen Schiffscontainern untergebracht sind – lassen sich entsprechend leicht transportieren. Cosyma ist ein System, das aus der gleichen Menge Bioabfälle 60 Prozent mehr erneuerbares Erdgas – also Biogas – erzeugen kann als die klassische Biogas-Technik. Cosyma nutzt dafür Wasserstoff, der bei günstigem Wetter mit Hilfe von überschüssigem erneuerbarem Strom erzeugt wurde. Am Ende steckt in diesem Biogas also auch ein Teil Sonnen- und Windenergie.

Und wie lief das nun mit dem Praxistest von Cosyma?

Der Cosyma-Container kam im Januar 2017 vom PSI zur Biogas Zürich, die auf dem Areal des Klärwerks Werdhölzli eine Biogasanlage betreibt. Dort stellen wir seit vier Jahren aus Bioabfall und Klärschlamm Biogas her. Dieses lässt sich genau wie konventionelles Erdgas nutzen und wird entsprechend ins normale Gasnetz eingespeist. Auf dem Werdhölzli-Areal haben wir also den Cosyma-Container neben die dortige Standard-Anlage zur Biogas-Aufbereitung gestellt und einen Teil des eingehenden Gases in den Cosyma-Container umgeleitet. Hinten dran wurde dann das von Cosyma erzeugte neuartige Biogas zusammen mit dem klassischen Biogas ins Gasnetz eingespeist. Und da hat sich in den eintausend Betriebsstunden gezeigt: Die Cosyma-Technik funktioniert, und sie funktioniert gut und zuverlässig. Wirtschaftlich gesehen ist die Gasproduktion mit der neuen Cosyma-Technik zwar heute noch nicht besser als die bestehende, aber das war ja jetzt erst mal ein Test mit einem Prototyp – wir sind also zuversichtlich, was die Zukunft betrifft.

Wirtschaftlich – das ist ja ein typisches Stichwort für die Denkweise in Unternehmen. Denken die Forschenden sehr anders? Wo mussten Sie sich einigen?

Natürlich haben die Forschenden einen ganz anderen Hintergrund und das ist auch gut so, sonst bräuchten wir ja einander nicht. Beispielsweise fragten die PSI-Forschenden, ob wir denn wirklich einen Tausend-Stunden-Test machen wollten, hundert Stunden würden doch auch genügen. Aber für uns, die wir aus der Praxis kommen, war gerade dieser Dauertest wichtig. Und nebenbei haben wir in den tausend Stunden vielen Besuchern die neue Technik live vorführen können.

Zeichnung: Christoph Frei

Gibt es auch ein umgekehrtes Beispiel?

Ja, in Sachen Qualität war es andersherum: Da waren es die Forschenden, die noch mehr erreichen wollten als wir. Klar, die Forschenden wollen letztendlich immer den Verständnisgewinn. Und oft stösst man im Laufe eines Projektes auf etwas anderes, das man auch noch erforschen könnte. In unserer Geschäftswelt darf das jedoch nicht zu Lasten der Kosten und der Zeitplanung gehen. Sprich: Wir sind nicht daran interessiert, dass die Qualität übererfüllt wird. Das ist, wie wenn Sie eine Küche bestellen und die Handwerker kommen und installieren Ihnen einfach mehr, als Sie wollten, verlangen dann aber entsprechend einen höheren Preis. Genau in diesem Sinne wollen wir von den Forschenden erst einmal nur das, was wir bestellt haben. Aber bei Cosyma konnten wir nicht ganz verhindern, dass die PSI-Forschenden uns zu mehr Erkenntnissen verholfen haben als ursprünglich geplant, und so unsere Erwartungen übererfüllt haben! (schmunzelt)

Das Cosyma-Projekt wurde soeben mit dem Watt d’Or 2018 des Bundesamts für Energie in der Kategorie Erneuerbare Energien ausgezeichnet. Wie wird es nun weitergehen mit dieser Technologie?

Wir haben geholfen, diese neue Technologie so weit zu erforschen, dass das Wissen jetzt da ist und öffentlich zur Verfügung steht. Als nächster Schritt kommt die Industrialisierung durch einen Anlagenhersteller. Die PSI-Forschenden und wir sind da schon mit potentiellen Umsetzungspartnern im Gespräch und ich rechne damit, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre irgendwo die erste kommerzielle Anlage mit der Cosyma-Technologie entstehen wird. Wir von Energie 360° können uns gut vorstellen, so eine kommerzielle Anlage dann ebenfalls zu kaufen und einzusetzen. Mit dieser würden wir unseren Kunden Biogas zur Verfügung stellen, das noch optimaler die natürlichen Ressourcen nutzt. Da geht es dann nicht mehr ausschliesslich um Wirtschaftlichkeit, sondern auch um den Faktor Ökologie, an dem wir und unsere Kunden ebenfalls interessiert sind.

Interview: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann

Zur Person

Peter Dietiker ist Bereichsleiter Erneuerbare Energien bei Energie 360°. Der studierte Betriebswirtschaftler arbeitet seit 25 Jahren im Bereich Energie- und Wasserversorgung und seit 15 Jahren für das Unternehmen Energie 360°. Hier hat er seit 2009 den Bereich erneuerbare Energien mit Biogas und Holzpellets erfolgreich auf- und ausgebaut.

Weiterführende Informationen

Nutzen, was da ist: Ein Hintergrundartikel, der zeigt, wie Forschende am PSI nach Lösungen suchen, um Energie aus Sonne, Wind oder Biomasse effizient in das Schweizer Energiesystem zu integrieren. 
Profitabel für beide Seiten: Ein Interview mit Alexandre Closset, Geschäftsführer des Unternehmens Swiss Hydrogen, über die Zusammenarbeit mit dem PSI.